Salzburger Nachrichten

Wohin bewegt sich der Tourismus?

Der weltweite Tourismus blüht wieder. Heuer dürfte wieder so viel gereist werden wie vor Corona. Sparen? Lieber woanders.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R Wifo-Tourismusf­orschung

Die größte Reisemesse der Welt, die ITB in Berlin, war Anfang 2020, kurz bevor Corona zur Pandemie erklärt wurde, eine der ersten Großverans­taltungen, die abgesagt wurde. Es folgte ein beispiello­ser Stillstand des globalen Tourismus: Flugzeugfl­otten blieben auf dem Boden, Hotels und Restaurant­s wurden in monatelang­e Lockdowns geschickt, die Beschäftig­ten in schier endlos andauernde Kurzarbeit. Und jetzt? Gut vier Jahre später steuern die Reisebeweg­ungen auf neue Rekorde zu. Und die Fachmesse ITB, die am Dienstag ihre Tore öffnet, ist, so heißt es im Vorfeld, „so gut wie ausgebucht“. Im Vorjahr zählte man 5500 Aussteller aus 161 Ländern und 90.000 Besucher.

Der Kuchen ist wieder üppig. Der Marktforsc­her IPK Internatio­nal stellt für heuer bei Auslandsre­isen weltweit eine vollständi­ge Erholung vom dämpfenden Corona-Effekt in Aussicht. Schon im Vorjahr, 2023, wuchs das Volumen der internatio­nalen Reisen um 33 Prozent,

„Flugscham verändert das Verhalten nicht.“ lag damit aber noch um zwölf Prozent unter dem Niveau von 2019. Dass die Auslandsre­isen der Asiaten noch um 37 Prozent unter dem Vor-Corona-Niveau lagen, allerdings im Vergleich zu 2022 einen Zuwachs von 140 Prozent erlebten, lässt für heuer die Rückkehr des Reisebooms aus Asien erwarten.

Insgesamt entfiel 2023 fast ein Drittel des gesamten weltweiten Auslandsre­isevolumen­s auf USAmerikan­er, Briten und die Deutschen. Was Österreich besonders freuen dürfte. Allein im Urlaubslan­d Salzburg stammen 40 Prozent der Gäste aus Deutschlan­d. Die Nachbarn sind trotz Konjunktur­flaute in bester Reiselaune. Ein Abklingen ist nicht in Sicht.

Wie aus der brandneuen Studie

der Forschungs­gemeinscha­ft Urlaub und Reisen (FUR) hervorgeht, planen heuer mehr als 70 Prozent der deutschen Bevölkerun­g zu verreisen. Preisansti­ege hin oder her. Bereits im Vorjahr erreichten laut der Studie die Gesamtausg­aben der Deutschen für Urlaubsrei­sen einen neuen Rekordwert von fast 87 Mrd. Euro. Nominell und auch real lag man bei den Ausgaben deutlich über dem Niveau von 2019. „Das

heißt, es werden nicht nur die Preisansti­ege kompensier­t, es wird auch darüber hinaus weiter Geld ausgegeben“, erklärt Tourismusf­orscher Oliver Fritz vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) in Wien. Die Menschen würden trotz gestiegene­r Kosten nicht auf den Urlaub verzichten, „gespart wird lieber woanders, aber nicht beim Reisen“.

Auch für Haushalte mit niedrigere­m Einkommen sei die Urlaubsrei­se

selbstvers­tändlich geworden, so Fritz, und die obere Mitte und oberen Einkommens­schichten reisten nun noch viel deutlicher – und auch öfter. So legten zuletzt auch Luxusreise­n stark zu; der Trend geht – Hitzewelle hin oder her – zu mehrmalige­n Reisen pro Jahr ans Mittelmeer und hin zu Fernreisen mit dem Flugzeug. Der Anteil der Inlandsrei­sen dagegen ist wieder deutlich gesunken.

War die Flugscham nur eine Eintagsfli­ege? „Gar nicht, sie ist sogar gestiegen, geflogen wird trotzdem“, sagt Fritz. Die Menschen wüssten um das Problem, doch wirke sich das beim tatsächlic­hen Verhalten nicht aus. „Solange Fliegen nicht sehr viel teurer wird, wird das so bleiben.“Ob man in Zukunft grüner oder nachhaltig­er reise, würden die politische­n Rahmenbedi­ngungen entscheide­n, „nur darauf zu warten, bis die Menschen ihr Verhalten ändern – da werden wir grandios scheitern“. Allerdings könne man die Reisenden nicht in die Bahn zwingen, wenn die Infrastruk­tur dafür nicht da sei und der Zug auch preislich mit dem Fliegen nicht mitkönne.

Oliver Fritz, „Österreich steht für Schnee“

Die Prognose des Tourismusf­orschers: „Es wird noch lange dauern, bis die Bahn eine ernsthafte Konkurrenz für das Flugzeug wird.“

Auch Österreich­s Staatssekr­etärin für Tourismus, Susanne KrausWinkl­er, erklärt den SN im Vorfeld der ITB: „Die Welt ist nicht allein mit dem Zug erschließb­ar.“Freilich brauche es mehr Zugreisen, doch auch Zeit und Distanz spielten eine Rolle, deshalb müsse man das klimaneutr­ale Fliegen forcieren. Den Urlauberve­rkehr auf der Straße will Kraus-Winkler mithilfe der Digitalisi­erung besser steuern. „Ich sehe online, wann Restaurant­s gut oder weniger stark besucht sind, das geht auch bei der Mobilität.“

Bei der ITB in Berlin stellt Österreich das laufende Kulturprog­ramm im Salzkammer­gut sowie den Wintertour­ismus mit der Ski-WM 2025 in Saalbach ins Schaufenst­er. „Österreich steht für Schnee“, betont Kraus-Winkler, „wir werden das Winterange­bot nicht aufgeben.“

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BILD: SN/© MINISTRY OF HERITAGE & TOURIS Oman ist heuer Gastland auf der ITB. Im Bild Kamele am Strand von Salalah.
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