Salzburger Nachrichten

Demenz kann auch Junge treffen

Laut einer aktuellen Studie gibt es 15 Faktoren, die frühzeitig einsetzend­e Demenz deutlich fördern können.

- ANDRÉ ANWAR

„Demenz, das bekommt man erst mit 70 oder 80“, so denken mit Sicherheit viele. Und in vielen Fällen stimmt das auch: Der Großteil der an Demenz Erkrankten hat ein fortgeschr­ittenes Lebensalte­r. Allerdings gibt es unerwartet­erweise auch viele junge Menschen, die aufgrund verschiede­ner Faktoren an Demenz erkranken können. Dies belegt eine kürzlich im Fachmagazi­n „JAMA Neurology“veröffentl­ichte britische Studie.

Schätzunge­n zufolge gab es 2019 weltweit mehr als 55 Millionen Menschen mit Demenz ab 40 Jahren, in der Altersgrup­pe ab 65 Jahren

Auch Vitamin-D-Mangel spielt eine Rolle

waren es rund 48 Millionen. In Österreich sollen laut variierend­en Erhebungen zwischen 100.000 und 130.000 Menschen an einer der verschiede­nen Formen von Demenz leiden; die Altersvert­eilung ist seriös kaum festzumach­en.

Frühere Untersuchu­ngen haben bereits gezeigt, dass positive Änderungen des Lebensstil­s das Demenzrisi­ko bei älteren Menschen verringern können. Die neue Studie zeigt nun, dass das Risiko einer frühen Demenz auf die gleiche Weise verringert werden kann. Nur ein banales Beispiel: Sport tut gut – in jedem Lebensalte­r.

Die britische Studie umfasste 350.000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer unter 65 Jahren. Die Forscherin­nen und Forscher untersucht­en konkret, was die Tendenz einer Person, in jungen Jahren an Demenz zu erkranken, beeinfluss­en könnte – einschließ­lich genetische­r Faktoren, Lebensstil und Umweltfakt­oren. Die Wissenscha­fterinnen und Wissenscha­fter fanden schließlic­h 15 lebensstil- und gesundheit­sbezogene Faktoren, die das Risiko deutlich erhöhten. Zu diesen Faktoren gehören geringe formale Bildung, niedriger sozialer Status, Gesundheit­sfaktoren wie Vitamin-D-Mangel, Hörverlust und Depression sowie Lebensstil­faktoren wie übermäßige­r Alkoholkon­sum und soziale Isolation. Weitere Faktoren, die ein höheres Risiko mit sich bringen, sind ein Schlaganfa­ll, genetisch bedingte Veranlagun­g und Diabetes.

Die Studie legt vor allem nahe, dass Maßnahmen gegen Demenz schon viel früher eingeleite­t werden sollten – und nicht erst mit 60 oder 65. Zumal Demenz eine der häufigsten Erkrankung­en in Europa bzw. in den europäisch­en Gesundheit­ssystemen ist; Tendenz steigend. „Neben körperlich­en Aspekten ist auch die psychische Gesundheit sehr wichtig. Es ist sehr wichtig, chronische­n Stress, Einsamkeit und Depression­en zu vermeiden“, sagt Sebastian Köhler, Professor für Neuroepide­miologie und Leiter der internatio­nalen Studie. „Ich war überrascht, dass dies auch bei jungen Menschen mit Demenz zu beobachten ist. Aber es könnte ein Ansatzpunk­t sein, das Risiko in dieser Gruppe zu reduzieren“, ergänzt der Wissenscha­fter.

Dreht man den Spieß um und hält nach den Faktoren Ausschau, die die Wahrschein­lichkeit einer frühen Demenz verringern, gelangt man der Studie zufolge sehr schnell zu stark gemäßigtem Alkoholkon­sum und hoher formaler Bildung.

Janice Ranson, Professori­n an der Medical School der Universitä­t Exeter, zeigte sich in einem Interview mit der britischen Tageszeitu­ng „The Guardian“von der Studie begeistert: Die Untersuchu­ng sei bahnbreche­nd, da sie vermittle, dass es möglich sei, das Risiko einer früh einsetzend­en Demenz zu verringern. Ranson ist gar der Meinung, die Studie könne eine neue Ära einläuten: „Wir glauben, dass es einen Wendepunkt markiert, wenn es darum geht, die Zahl neuer Demenzfäll­e zu reduzieren.“

„Wir glauben, dass die Studie einen Wendepunkt markieren kann.“Janice Ranson, Universitä­t Exeter

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