Schwarz-Blau will Anzahl der Abtreibungen senken
Die Zahl jener Frauen, die Schwangerschaften abbrechen, ist in Salzburg konstant hoch. Die Landesregierung will gegensteuern.
SALZBURG. Wie geht es Ihnen mit der Entscheidung? Diese Frage stellt die Psychologin Petra Schweiger ihren Patientinnen als Erstes, wenn sie zu ihr ins Beratungsgespräch in die GynmedAmbulanz kommen. Dabei müsse sich keine Frau rechtfertigen, betont Schweiger im SN-Podcast „Die gefragte Frau“: „Wir respektieren jede Entscheidung.“
Im Jahr 2023 waren es 694 Frauen, die in den Salzburger Landeskliniken (SALK) einen Schwangerschaftsabbruch haben durchführen lassen. Das geht aus dem Jahresbericht der Ambulanz hervor. Von einer „konstant hohen Zahl und Nachfrage“spricht Christian Fiala, der ärztliche Leiter der Gynmed-Ambulanzen in Salzburg und Wien. 2022 waren es 717. Während der Coronapandemie sei die Zahl leicht zurückgegangen. So sind 658 Abbrüche im Jahr 2020 und 618 Abbrüche im Jahr 2021 in den SALK durchgeführt worden. Davor lagen die Zahlen bei 738 bis 900 pro Jahr. Im Gegensatz dazu ist die Zahl der gebärfähigen Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren im Bundesland Salzburg seit der Gründung der Ambulanz im Jahr 2005 um 8,3 Prozent zurückgegangen. Das schlage sich aber nicht in der Zahl der Abtreibungen nieder, somit hat die Rate an Schwangerschaftsabbrüchen pro gebärfähiger Frau in Salzburg in diesem Zeitraum zugenommen.
Dieser Entwicklung will die Salzburger Landesregierung gegensteuern. Im Regierungsübereinkommen aus dem Jahr 2023 hat SchwarzBlau festgeschrieben, dass eine „Informationskampagne zur Vermeidung ungewollter Schwangerschaft sowie zu Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch“ausgearbeitet werden soll. Zudem ist von einer „anonymisierten Studie“die Rede, die das Alter der Frauen sowie auch die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche aufzeigt, um das Beratungsangebot anpassen zu können. Das sorgte auch für Irritation. Ein Angriff aus Salzburg auf die sogenannte Fristenlösung – die Straffreiheit eines Abbruches bis zur 14. Schwangerschaftswoche – wurde von Kritikerinnen und Kritikern vermutet. Eine neue Studie könnte nun hinfällig sein, zumindest wenn es nach Gesundheitslandesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) geht. Es gebe bereits eine sehr gute Datenlage. Sie sei zuversichtlich, dass die vorliegenden Daten der Gynmed ausreichen. Dort werden seit 2005 lückenlose Statistiken erstellt. Ausgehend davon soll nun eine Informationskampagne erarbeitet werden. Und diese zielt vor allem auf Frauen und Paare zwischen 20 und 35 Jahren ab. Denn in dieses Alter fallen den Aufzeichnungen zufolge die meisten Frauen, die die Schwangerschaft abbrechen. Im Jahr 2023 waren nur sechs Prozent der Patientinnen unter 18 Jahre alt. „Es kommen mehr Frauen über 40 als Jugendliche. Hier zeigt sich, wo wir ansetzen müssen: Es sind mehrheitlich Paare (55 Prozent), die bereits ein oder mehr Kinder haben. Viele haben ihre Familienplanung abgeschlossen und können nicht noch ein Kind stemmen.“
Die Kampagne wolle man daher dort ausrollen, wo diese Paare erreicht werden können: in Praxen von Gynäkologinnen oder Kinderärzten. Genaueres solle noch ausgearbeitet werden, sagt
Gutschi. „Das Ziel ist, die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zu senken, auch aus ideologischen Gründen.“
Die Möglichkeit für Abbrüche solle aber nicht eingeschränkt werden, betonen sowohl die ÖVP-Landesrätin als auch LHStv. Marlene Svazek (FPÖ). „Nicht das Angebot, aber die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche muss reduziert werden“, sagt Svazek. Dafür solle es gezielte Aufklärung zu Verhütungsformen geben und Alternativen zum Abbruch aufgezeigt werden. Die „Frauen sollen zu keinem Zeitpunkt das Gefühl haben, in ihrer Situation auf sich allein gestellt zu sein.“Svazek schließt weiterführende Studien aber nicht aus: Die Studie der Gynmed könne „als Ausgangspunkt für weitere Erhebungen dienen“.
Österreichweit habe man in Salzburg die beste Versorgungslage und auch die beste Datenlage, sagt Fiala. Im Burgenland etwa gibt es nach wie vor keine Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen. In Salzburg ist dies neben der Gynmed in den SALK seit 2014 auch in der Praxis für Konfliktschwangerschaften möglich. Fiala kritisiert, dass die statistischen Daten der Gynmed seit Jah
„Der öffentliche Diskurs hat nichts mit der Realität zu tun.“Christian Fiala, Facharzt (Bild: SN/TRÖSCHER)
ren den politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt wurden, diese aber nicht zur Verbesserung der Prävention verwendet worden seien. „Es wurden auch keine Maßnahmen zum Rückgang der Abbrüche umgesetzt.“Die Bekenntnisse der Landesrätin für eine Infokampagne begrüßt der Mediziner. „Eine Frau mit 40 Jahren geht nicht in die FirstLove-Ambulanz.“In den Einrichtungen in der Stadt Salzburg und in Zell werden Jugendliche bis 18 Jahre in Sachen Verhütung und Sexualität beraten. „Mehr als die Hälfte der Patientinnen, die zum Eingriff zu uns kommen, hat nicht verhütet. Das heißt, hier herrscht viel Unsicherheit. Zudem wird die Angelegenheit oftmals den Frauen allein überlassen, neben körperlichen und psychischen Strapazen auch die Kosten für Verhütung und für den Eingriff bei einem Abbruch.“Laut Fiala braucht es mehrsprachige Informationen zur langfristigen Verhütung sowie kostenlose ärztliche Verhütungsberatung. „Das ist keine Kassenleistung, hier sollte man ansetzen.“Verhütungsmittel sollten von der Krankenkasse übernommen werden. Und es brauche eine Enttabuisierung: „Der öffentliche Diskurs hat oft nichts mit der Realität der Frauen zu tun.“So nennt er etwa das verpflichtende Beratungsgespräch im Vorfeld: „Wir fangen bereits viele Sorgen telefonisch ab. Denn jene Frauen, die zu uns kommen, haben sich bereits genügend Gedanken
„Man muss bei den 20- bis 35-Jährigen ansetzen.“Daniela Gutschi, Landesrätin (Bild: SN/SCHENKER)
gemacht.“Nur etwa zwei bis fünf Prozent würden sich danach noch umentscheiden.
Als die Gynmed-Ambulanz im Jahr 2005 durch die damalige SPÖ-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller eröffnet worden ist, gab es teils heftige Proteste. Diese seien nun abgeflaut, sagt Fiala. „Frauen kommen ungehindert zum Eingriff.“Plakataktionen vor der Klinik gebe es so gut wie keine mehr. Die Initiative Jugend für das Leben forderte im Jahr 2023 die Landesregierung zur Schließung der Abtreibungsklinik auf. Eine Onlinepetition dazu über CitizenGO haben etwa 2500 Menschen unterschrieben.