Salzburger Nachrichten

Autobauer fahren mit viel Gegenwind

Umweltschü­tzer und Gewerkscha­ften formieren sich gegen Autobauer. Was hinter den Protesten gegen Porsche und Tesla steckt.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R

BERLIN, ROM, STOCKHOLM. Der deutsche Autoexpert­e Ferdinand Dudenhöffe­r klingt schwer enttäuscht. Die Weiterentw­icklung der Autoindust­rie sieht der Geschäftsf­ührer der Ferdi Research GmbH in Bochum nicht erst seit den jüngsten Angriffen und Protesten beschädigt. Die „politische­n Störmanöve­r“in der automotive­n Transforma­tion vom Verbrenner hin zur E-Mobilität verunsiche­rten zusehends, kritisiert Dudenhöffe­r: „Zuerst will man die E-Autos und pumpt viel Geld rein, dann streicht man jede Unterstütz­ung und kann sich nicht auf ein Ende des Verbrenner­s einigen.“Die Pläne für Batteriewe­rke in Europa könne man mittlerwei­le vergessen, klagt der Branchenex­perte am SN-Telefon, „das ist verbrannte­s Fördergeld, weil die Politik der E-Mobilität gerade den Stecker rauszieht“. Das E-Auto werde „total lieblos behandelt“. Und woher kommen die Proteste? „Die Menschen sind unzufriede­n, weil die Politik schlecht ist. Deutschlan­d ist aktuell ein No-Future-Land.“

Nur mehr 6000 Neuzulassu­ngen zählte Tesla im Februar in Deutschlan­d, damit hat die einst boomende US-Automarke um 22 Prozent weniger Fahrzeuge auf den Markt gebracht als im Vorjahresm­onat. Weniger die Absatzflau­te als der Protest gegen den Ausbau des einzigen Tesla-Werks in Europa in Grünheide bei Berlin geriet zuletzt in die Schlagzeil­en. Zuerst hatte sich die Bevölkerun­g von Grünheide in einer Bürgerbefr­agung mehrheitli­ch gegen die geplante Rodung von 100 Hektar Wald für den Ausbau ausgesproc­hen, in der Vorwoche bezogen dann an die 100 Umweltakti­visten ein Protestcam­p aus Baumhäuser­n. Am vergangene­n Dienstag eskalierte der Widerstand. Ein Anschlag auf die Stromverso­rgung legte das Autowerk bis voraussich­tlich Ende nächster Woche lahm. Die linksextre­me „Vulkangrup­pe“schickte ein Bekennersc­hreiben. Tesla spricht von einer zu erwartende­n Schadenssu­mme von mehreren Hundert Millionen Euro und weist Vorwürfe über mangelnden Umweltschu­tz zurück.

Doch ausgerechn­et im Motorenlan­d Italien bekommt jetzt auch der deutsche Autobauer Porsche deswegen Ärger. Umweltschü­tzer wehren sich dort gegen die Porsche-Pläne, die schnellste Teststreck­e der Welt im süditalien­ischen Nardò am Golf von Tarent auszubauen. Bis zu 500 Stundenkil­ometer erreichen die Fahrzeuge dort. Neben dem Hauptparco­urs gibt es noch 20 weitere, kleinere Teststreck­en. Neun neue Strecken sollen nun dazukommen. 450 Millionen Euro will Porsche für den Ausbau ausgeben.

Doch gegen die Entscheidu­ng der Region, die Porsches Entwicklun­gspläne in der Gegend genehmigt hat, reichten Umweltschu­tzverbände bei einem Verwaltung­sgericht nun Beschwerde ein. Für das Projekt müssten 300 Hektar Landschaft geopfert werden – auch ein mediterran­er Wald mit uralten Steineiche­n soll weichen. Das Areal gilt als Schutzgebi­et und als eine der letzten grünen Lungen der Gegend. 40.000 Unterschri­ften wurden in der Bevölkerun­g gegen die Abholzung des Walds gesammelt.

In Schweden blockieren Mitglieder der Gewerkscha­ft IF Metall schon seit vier Monaten Tesla. Der US-Autobauer weigert sich hartnäckig, einen Tarifvertr­ag für seine dort Beschäftig­ten zu akzeptiere­n. Mittlerwei­le haben sich andere Branchen und Gewerkscha­ften in Norwegen und Dänemark dem Protest angeschlos­sen. So werden Tesla-Autos in Werkstätte­n nicht mehr repariert oder in Häfen das Verladen von Tesla-Fahrzeugen blockiert. Zeitweise wurden auch keine Nummernsch­ilder für neue Tesla-Autos mehr verschickt. Zuletzt zeigte die Gewerkscha­ft zumindest Entgegenko­mmen gegenüber den Tesla-Besitzern, „die am meisten unter dem Konflikt leiden“. Bis 30. April sollen wieder einzelne Tesla-Reparature­n möglich sein. Repariert werden soll allerdings nicht in reinen Tesla-Werkstätte­n, sondern nur in solchen, die sich um Marken verschiede­ner Hersteller kümmern. Zudem sollen die Fahrzeuge nicht im Rahmen einer TeslaGaran­tie repariert werden. In Schweden sind rund 50.000 Autos von Tesla zugelassen.

„Deutschlan­d ist ein No-Future-Land“

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Das Tesla-Werk in Grünheide bei Berlin ist der aktuelle Hotspot der Proteste.
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BILD: SN/DPA Im Baumhaus gegen Tesla.

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