Der Protest weht, wo er will
Eine Protestpartei als Stimmenmagnet – und Mitte-Parteien, die sich verwundert die Augen reiben: Daran werden wir uns gewöhnen müssen.
Nicht nur der Geist, auch der Protest weht, wo er will. Der Erfolg der KPÖ plus in der Stadt Salzburg wird gespiegelt von einem überraschend schlechten Abschneiden der Freiheitlichen ebendort. Auf Bundesebene ist es umgekehrt: Die FPÖ schwebt in lichten Umfragehöhen, während die KPÖ nicht aus den Startlöchern kommt. Der Wählerprotest wandert relativ ideologiefrei hin und her zwischen rechts und links außen – ein Phänomen, das auch in Deutschland zu beobachten ist, wo sich dem rechten Protest der AfD neben der bestehenden Linkspartei nun auch noch der linke Protest Sahra Wagenknechts hinzugesellt. Der Slogan „Leistbares Wohnen“hat kein Links-rechtsMascherl. Und der warnende Hinweis der Mitte-Parteien, dass im Falle eines FPÖ/AfD-Wahlsiegs der Orbánismus drohe, verhallt ebenso wirkungslos wie die Erinnerung an die Verbrechen, deren sich der Kommunismus, damals noch ohne „plus“im Namen, im Lauf seiner Geschichte schuldig gemacht hat. Derlei erregt nur jene, die ohnehin nie im Leben FPÖ oder AfD oder KPÖ wählen würden. Doch es schreckt nicht jene ab, die aus Protest gegen was auch immer bei den betreffenden Parteien ihr Kreuzchen machen.
Weshalb auch das vielgefeierte Wahlergebnis der SPÖ in der Stadt Salzburg – sie hat immerhin Chancen auf den
Bürgermeistersessel – alle Anzeichen eines Pyrrhussiegs in sich trägt. Die
SPÖ ist zwar wieder Nummer eins, sie hat aber das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren. Und sie musste hilflos zusehen, wie links von ihr eine neue (wenn auch uralte) politische
Kraft die Stimmen jener absaugt, die auch die SPÖ zu vertreten vorgibt. So gesehen bekommt der offensive Linkskurs des SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler Sinn. Wenngleich die Babler-SPÖ Gefahr läuft, nach rechts auszurinnen. Also in Richtung FPÖ, die mit dem Migrationsthema einen zuverlässigen Wahlkampfschlager gepachtet hat.
Zwischen allen Stühlen sitzt wieder einmal die ÖVP, die in Salzburg nicht nur wegen taktischer Eigenfehler, sondern auch wegen der politischen Großwetterlage schmerzlich dezimiert wurde. Gleiches droht der ÖVP auf Bundesebene, wo ihr jeder Versuch, rechtspopulistische Markierungen in der Klimaund Migrationspolitik zu setzen, verlässlich vom grünen Koalitionspartner abgedreht wird. Sowenig der Salzburger Wahltag als Testwahl gelten kann, so sehr nimmt er das voraussichtliche herbstliche Nationalratswahlergebnis vorweg: eine Protestpartei als Stimmenmagnet – und Mitte-Parteien, die sich verwundert die Augen reiben.