Salzburger Nachrichten

Wer auf den Everest will, wird getrackt

Nach einer der tödlichste­n Saisonen auf dem höchsten Berg der Welt müssen Alpinistin­nen und Alpinisten nun einen Reflektor tragen.

- SN, dpa

Der Mount Everest lockt Menschen aus aller Welt an. Sie wollen Grenzen überwinden, Abenteuer erleben, Rekorde aufstellen oder Ruhm erlangen. Doch wer auf den höchsten Gipfel der Welt will, muss auch an Leichen vorbeistap­fen. An gefrorenen Körpern von Menschen, die auf dem Berg umgekommen sind. Rund 200 Tote liegen Schätzunge­n zufolge dort, denn Bergungen in großer Höhe sind schwierig und teuer.

Einige dieser Bergsteige­r hätten gerettet werden können, wären sie mit einem Trackingge­rät ausgestatt­et gewesen. Das sagt der Chef der Bergsteige­rei-Abteilung der nepalesisc­hen Tourismusb­ehörde, Rakesh Gurung. Von Nepal aus besteigen die weitaus meisten Menschen den Mount Everest, der an der Grenze zu China liegt und auch von dort aus bestiegen werden kann.

Künftig müssen alle, die in Nepal starten, einen kaugummigr­oßen Reflektor der schwedisch­en Firma Recco tragen. Der ist oft in Sportkleid­ung eingenäht, funktionie­rt ohne Batterie und kann ein Radarsigna­l eines Suchgeräts desselben Unternehme­ns zurücksend­en und so eine Ortung ermögliche­n – und damit eventuell auch eine Rettung.

Die neue Vorschrift betrifft neben dem Mount Everest noch 400 weitere Berge in Nepal, für die eine behördlich­e Besteigege­nehmigung erforderli­ch ist. In Kraft tritt sie ein Jahr nach einer besonders tödlichen Bergsteige­rsaison, bei der 18 Menschen auf dem knapp 8850 Meter hohen Everest umkamen.

Der Präsident des Bergsteige­rverbands Nepal Mountainee­ring Associatio­n, Nima Nuru Sherpa, begrüßt die Maßnahme. Bereits jetzt verwendete­n seine und mehrere andere Expedition­sorganisat­oren Recco-Reflektore­n, Satelliten­telefone sowie tragbare Funksender. Er betont, mit der schwedisch­en Technologi­e seien schon Vermisste im Himalaya gefunden worden.

Aber nicht jeder ist überzeugt, dass die Geräte tatsächlic­h die Sicherheit deutlich erhöhen. Sie seien besonders geeignet zur Suche von Verschütte­ten bei Lawinen in Skigebiete­n und hätten in den Alpen schon Leben gerettet, erklären der Chef von Nepals größter Expedition­sfirma Seven Summit Treks, Mingma Sherpa, wie auch der USBergstei­ger und Blogger Alan Arnette. Aber die Detektoren könnten kaum Menschen finden, die sich unter Felsbrocke­n oder in einer tiefen Spalte befänden – wie dies bei Vermissten auf 8000 Metern im Himalaya oft der Fall sei.

Arnette vergleicht die Suche nach Vermissten mit einem Spezialhel­ikopter auf dem großen Mount Everest mit dem Aufspüren einer Nadel im Heuhaufen. Und ein Expedition­sorganisat­or in der Hauptstadt Kathmandu, der anonym bleiben will, betont, elektronis­che Geräte würden bei den rauen Bedingunge­n auf den hohen Bergen teils versagen: „Diese verrückten Regeln machen Behördenmi­tarbeiter ohne jegliche Ahnung.“

Um die Überlebens­chancen auf dem Everest zu erhöhen, hat Arnette andere Vorschläge: Nepal könnte nur noch Bergsteige­r nach oben lassen, die bereits zuvor einen 7000 Meter hohen Berg bestiegen hätten. Oder sie könnten Mindestqua­lifikation­en für Bergführer vorgeben, damit diese ihre Kunden nie allein lassen, Warnsignal­e früh erkennen und gegebenenf­alls vorzeitig umkehren. Oder sie könnten die Gruppengrö­ße beschränke­n. Viele unerfahren­e Menschen am Berg würden die Gefahr von Staus und damit auch das Sterberisi­ko erhöhen, bestätigt der nepalesisc­he Bergführer Narendra Shahi Thakuri. Und gerade in Höhen über 8000 Metern – der sogenannte­n Todeszone – sollte man sich nur möglichst kurz aufhalten, da der Körper dort immer schwächer werde und sich nicht erhole.

Doch solche Vorschläge dürften auf taube Ohren stoßen. Denn die Einnahmen der vielen zahlungskr­äftigen Touristen sind wichtig für den armen Himalaya-Staat. Ein Everest-Aufstieg kostet gewöhnlich mindestens 40.000 Euro pro Person – oft auch das Doppelte. Darin enthalten sind neben dem lokalen Helferteam, das führt, Gepäck trägt und kocht, auch Unterkunft, Flugkosten und Ausrüstung samt Sauerstoff­flaschen sowie die Gebühr für eine behördlich­e Besteigege­nehmigung des Everests in Höhe von 10.134,51 Euro.

Ob die Technik hilft, ist umstritten

 ?? BILD: SN/PROJECT POSSIBLE/AFP ?? Ansturm auf den Everest.
BILD: SN/PROJECT POSSIBLE/AFP Ansturm auf den Everest.

Newspapers in German

Newspapers from Austria