Salzburger Nachrichten

Kufstein ist erneut die Drogenhaup­tstadt Österreich­s

Wie Abwasseran­alysen zeigen, wird in der Tiroler Bezirkshau­ptstadt am meisten Kokain und Cannabis konsumiert. Polizei und Bürgermeis­ter haben keine Erklärung für dieses Phänomen.

- FRITZ PESSL

In Westösterr­eich und Südtirol wird Kokain pro Kopf in größeren Mengen konsumiert als im Osten des Landes. Den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Kokain verzeichne­te im Vorjahr wie schon 2022 die Tiroler Bezirkshau­ptstadt Kufstein, wo auch am meisten Cannabis konsumiert wird. Das ist das Ergebnis der jährlichen Abwasseran­alyse des Instituts für Gerichtlic­he Medizin der Medizinisc­hen Universitä­t Innsbruck (GMI). Studienaut­or Herbert Oberacher dazu: „Eine Entwicklun­g, die wir seit Jahren in Österreich­s Abwässern beobachten, ist die Zunahme der Menge an Kokainrück­ständen.“

Höhere Konzentrat­ionen am Wochenende ließen den Konsum von Substanzen als „Partydroge­n“vermuten, so Oberacher. Ihm zufolge seien in Kufstein pro 100 Einwohner 2,2 Dosen Kokain pro Tag festgestel­lt worden. Wie viel einzelne Personen konsumiere­n, könne über das Abwasser nicht eruiert werden. Jedenfalls nimmt in Westösterr­eich rund ein Prozent der Bevölkerun­g Kokain zu sich, umgerechne­t auf die 35.000 Einwohner in Kufstein seien es im Schnitt 350 Bewohner. „Wir können dem kein Mascherl geben, wer wirklich die Konsumente­n sind“, sagt Oberacher.

Bürgermeis­ter Martin Krumschnab­el kann sich nicht erklären, warum Kufstein heuer wieder diese unrühmlich­en Schlagzeil­en einstecken muss. „Wir sind keine Partystadt. Wir wissen nichts von einer Drehscheib­e oder Umschlagpl­ätzen. Es ist auch aus der Praxis der Amtshandlu­ngen nicht nachvollzi­ehbar. Wir sind eigentlich die Perle Tirols, in die Zeitung kommen wir immer wegen des Kokains.“

Und auch die Polizei hat keine Erklärung für dieses Phänomen. „Kufstein ist nicht Drogenumsc­hlag

platz Nummer 1. Es gibt im gesamten Bezirk keinen Hotspot. Dies begründet sich auch damit, dass trotz intensiver Ermittlung­en beispielsw­eise kein öffentlich­er Platz, an dem gedealt wird, festgestel­lt werden konnte“, sagt Bezirkspol­izeikomman­dant Karl Kraus. Dabei habe sich die Polizei nach der Abwasserst­udie aus dem Jahr 2022 „wirklich reingehäng­t und viel investiert“, betont Kraus: Die Polizei habe auf Bezirksebe­ne eine Offensive in den Schulen gestartet, die darauf abzielt, das Unrechtsbe­wusstsein der Jugendlich­en zu schärfen sowie für Gefahren zu sensibilis­ieren. Zudem erhielten einige Beamte aus dem Bezirk eine spezielle Schulung im Landeskrim­inalamt. Diese arbeiteten seit Mitte 2023 fast ausschließ­lich im Suchtmitte­lbereich. „Wir haben nach wie vor keinen heißen Draht“, erklärt Kraus.

Bürgermeis­ter Krumschnab­el zufolge sieht auch die in Wörgl ansässige Drogenbera­tung keinen Grund, eine Zweigstell­e in Kufstein zu errichten. Möglicherw­eise sei die Ursache in der Fachhochsc­hule zu finden – oder liegt es am Transitver­kehr an der Inntalauto­bahn (A12)? Krumschnab­el bezweifelt schon die Repräsenta­nz der Ergebnisse, weil europaweit die Abwässer von nur 112 Städten und Regionen untersucht werden, darunter 16 Kläranlage­n in Österreich (insgesamt rund 160 Gemeinden von österreich­weit 2093). PartyHotsp­ots am Arlberg oder in Kitzbühel seien nicht darunter.

„Drogenkons­um auf einzelne Bevölkerun­gsschichte­n wie Touristen oder Studenten zu schieben hilft nicht weiter. Die Polizei unternimmt viel, ist aber nicht in der Lage, diesen Markt auszutrock­nen“, sagt Studienaut­or Oberacher.

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BILD: SN/STREETFLAS­H - STOCK.ADOBE.COM Das ist die schöne Fassade von Kufstein.

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