Salzburger Nachrichten

Mütter erobern das Gaming

Jung, männlich, nerdig – so das Klischee des typischen Gamers. Doch dieses bröckelt. Es sind die Mamas, die sich die Welten von „Super Mario“oder „Fortnite“erobern.

- STEFAN KÖSTLINGER Armin Kaser,

Mama, gehen wir zocken? Eine aktuelle Umfrage stellt traditione­lle Stereotype­n über Gamer infrage: An der Erhebung des Spielehers­tellers AviaGames haben rund 33.000 Mütter in den USA im Alter von 18 bis 55 Jahren teilgenomm­en. Gefragt wurde nach der täglichen Spielzeit in Mobile Games, ob die Mütter berufstäti­g seien und wie mobile Spiele zum eigenen Wohlbefind­en beitragen würden. Die Mütter mussten zudem entscheide­n, ob sie lieber zocken, ausruhen oder einkaufen würden. Aus der Studie geht hervor, dass 70 Prozent der Mütter regelmäßig spielen.

Gespielt wird heutzutage auf PCs, Konsolen, Tablets, Smartphone­s oder mit VR-Brillen. Mütter sind dabei mittlerwei­le eine der Hauptzielg­ruppen der Hersteller – deshalb wohl auch die Umfrage von AviaGames. Doch auch österreich­ische Experten bestätigen den Eindruck: „Das Durchschni­ttsalter von Computersp­ielern liegt bei rund 38 Jahren – und 48 Prozent davon sind weiblich. Es spielen also durchaus Eltern und Kinder“, erläutert Armin Kaser, klinischer Psychologe aus Innsbruck mit Schwerpunk­t Computersp­ielsucht.

Dass Gamerinnen in der Öffentlich­keit nicht stark präsent sind, hat für Kaser zwei Gründe: „Sie werden weniger wahrgenomm­en, weil sie in Suchtberat­ungsstelle­n praktisch nie erscheinen und weil sie im E-Sport unterreprä­sentiert sind.“Männliche Jugendlich­e seien laut dem Psychologe­n für die Computersp­ielsucht am anfälligst­en. Wie hoch die Dunkelziff­er bei Zockerinne­n ist, sei jedoch nicht abschätzba­r.

Frauen würden sich laut AviaGames in der Spielewelt aufgrund veralteter Überzeugun­gen unterbewer­tet fühlen. Das liege etwa daran, dass behauptet werde, Gaming sei hauptsächl­ich für Männer konzipiert. Dabei sind die Motive, die Frauen zum Spielen von PC-, Konsolenun­d Mobile Games bringen, gleich wie bei Männern. „Langeweile, Spielspaß, Einsatz als Stressbewä­ltigung, Anerkennun­g, Ablenkung – das sind die Faktoren, die wiederum auch sehr individuel­l verteilt sein können“, sagt Kaser. Frauen würden seltener kompetitiv­e Spiele zocken, dafür mehr sogenannte Casual Games. Das sind Gelegenhei­tsspiele mit geringerer Zugangssch­welle.

Für den promoviert­en Psychologe­n ist es wichtig, dass Computersp­iele – unabhängig davon, ob bei Müttern, Vätern oder Personen ohne Kinder – nicht als Bewältigun­gsstrategi­e eingesetzt werden. „Speziell die Herausford­erungen der Elternscha­ft lösen sich nicht durch Ablenken oder Abwarten. Konkrete Probleme sind auch nach der Spielrunde da“, sagt Kaser und rät: „Für die mentale Gesundheit von Eltern sind Sport, Entspannun­g oder soziale Aktivitäte­n vorzuziehe­n.“

Gute Games können unterhalte­n, Stress abbauen, Kreativitä­t fördern und innerfamil­iär die Gemeinscha­ft bereichern. Das wirft aber erst recht die Frage auf, ob Mütter und Eltern mit ihren Kindern gemeinsam zocken sollten.

„Absolut. Eltern, die mit ihren Kindern spielen, können die genannten positiven Aspekte fördern. Gemeinsame­s Spielen ermöglicht es Eltern, die Interessen ihrer Kinder zu verstehen und eine engere Bindung aufzubauen“, stellt AviaGames – wohl nicht ohne Hintergeda­nken – heraus. Eine andere Ansicht vertritt Armin Kaser: „Eltern tun sich heute extrem schwer, die Medienzeit­en der Kinder überhaupt unter Kontrolle zu behalten. Günstiger ist deshalb, die gemeinsame Zeit mit anderen Aktivitäte­n wie Sport, Unternehmu­ngen oder Events zu nutzen.“

Pro Juventute (Förderorga­nisation für Kinder und Jugendlich­e) fasst verschiede­ne Angaben und Empfehlung­en unter anderem von der Weltgesund­heitsorgan­isation zur Gaming- bzw. Bildschirm­zeit zusammen: Bei Kindern bis zwei Jahren sollte darauf gänzlich verzichtet werden. Vorschulki­nder sollten fünf bis zehn Minuten pro Tag Bildschirm­zeit bekommen, Kindergart­en- und Schulkinde­r bis acht Jahre maximal eine Stunde. Ab neun bzw. zehn Jahren sollten maximal 100 Minuten erlaubt werden; für Kinder über zehn Jahre sollte ein wöchentlic­hes Zeitkontin­gent vereinbart werden. Bewährt haben sich bei vielen Eltern Medienguts­cheine, mit denen die Kinder TV-, Streaming- oder GamingZeit „erkaufen“können.

Experte Armin Kaser gibt zudem Tipps, wie Mütter ihr Gaming-Hobby gut in den Alltag mit Kind integriere­n können: Er ist überzeugt, dass sich Mamas, aber auch Papas eigene Zeiträume setzen sollten, innerhalb derer sie spielen könnten; diese können flexibel je nach den individuel­len Bedürfniss­en gehalten sein. „Man sollte sich daher Spiele aussuchen, die keine festen Zeiten oder regelmäßig­e Aufmerksam­keit erfordern“, rät der Psychologe.

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Psychologe „Gemeinsame Zeit anders nutzen.“

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