Mütter erobern das Gaming
Jung, männlich, nerdig – so das Klischee des typischen Gamers. Doch dieses bröckelt. Es sind die Mamas, die sich die Welten von „Super Mario“oder „Fortnite“erobern.
Mama, gehen wir zocken? Eine aktuelle Umfrage stellt traditionelle Stereotypen über Gamer infrage: An der Erhebung des Spieleherstellers AviaGames haben rund 33.000 Mütter in den USA im Alter von 18 bis 55 Jahren teilgenommen. Gefragt wurde nach der täglichen Spielzeit in Mobile Games, ob die Mütter berufstätig seien und wie mobile Spiele zum eigenen Wohlbefinden beitragen würden. Die Mütter mussten zudem entscheiden, ob sie lieber zocken, ausruhen oder einkaufen würden. Aus der Studie geht hervor, dass 70 Prozent der Mütter regelmäßig spielen.
Gespielt wird heutzutage auf PCs, Konsolen, Tablets, Smartphones oder mit VR-Brillen. Mütter sind dabei mittlerweile eine der Hauptzielgruppen der Hersteller – deshalb wohl auch die Umfrage von AviaGames. Doch auch österreichische Experten bestätigen den Eindruck: „Das Durchschnittsalter von Computerspielern liegt bei rund 38 Jahren – und 48 Prozent davon sind weiblich. Es spielen also durchaus Eltern und Kinder“, erläutert Armin Kaser, klinischer Psychologe aus Innsbruck mit Schwerpunkt Computerspielsucht.
Dass Gamerinnen in der Öffentlichkeit nicht stark präsent sind, hat für Kaser zwei Gründe: „Sie werden weniger wahrgenommen, weil sie in Suchtberatungsstellen praktisch nie erscheinen und weil sie im E-Sport unterrepräsentiert sind.“Männliche Jugendliche seien laut dem Psychologen für die Computerspielsucht am anfälligsten. Wie hoch die Dunkelziffer bei Zockerinnen ist, sei jedoch nicht abschätzbar.
Frauen würden sich laut AviaGames in der Spielewelt aufgrund veralteter Überzeugungen unterbewertet fühlen. Das liege etwa daran, dass behauptet werde, Gaming sei hauptsächlich für Männer konzipiert. Dabei sind die Motive, die Frauen zum Spielen von PC-, Konsolenund Mobile Games bringen, gleich wie bei Männern. „Langeweile, Spielspaß, Einsatz als Stressbewältigung, Anerkennung, Ablenkung – das sind die Faktoren, die wiederum auch sehr individuell verteilt sein können“, sagt Kaser. Frauen würden seltener kompetitive Spiele zocken, dafür mehr sogenannte Casual Games. Das sind Gelegenheitsspiele mit geringerer Zugangsschwelle.
Für den promovierten Psychologen ist es wichtig, dass Computerspiele – unabhängig davon, ob bei Müttern, Vätern oder Personen ohne Kinder – nicht als Bewältigungsstrategie eingesetzt werden. „Speziell die Herausforderungen der Elternschaft lösen sich nicht durch Ablenken oder Abwarten. Konkrete Probleme sind auch nach der Spielrunde da“, sagt Kaser und rät: „Für die mentale Gesundheit von Eltern sind Sport, Entspannung oder soziale Aktivitäten vorzuziehen.“
Gute Games können unterhalten, Stress abbauen, Kreativität fördern und innerfamiliär die Gemeinschaft bereichern. Das wirft aber erst recht die Frage auf, ob Mütter und Eltern mit ihren Kindern gemeinsam zocken sollten.
„Absolut. Eltern, die mit ihren Kindern spielen, können die genannten positiven Aspekte fördern. Gemeinsames Spielen ermöglicht es Eltern, die Interessen ihrer Kinder zu verstehen und eine engere Bindung aufzubauen“, stellt AviaGames – wohl nicht ohne Hintergedanken – heraus. Eine andere Ansicht vertritt Armin Kaser: „Eltern tun sich heute extrem schwer, die Medienzeiten der Kinder überhaupt unter Kontrolle zu behalten. Günstiger ist deshalb, die gemeinsame Zeit mit anderen Aktivitäten wie Sport, Unternehmungen oder Events zu nutzen.“
Pro Juventute (Förderorganisation für Kinder und Jugendliche) fasst verschiedene Angaben und Empfehlungen unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation zur Gaming- bzw. Bildschirmzeit zusammen: Bei Kindern bis zwei Jahren sollte darauf gänzlich verzichtet werden. Vorschulkinder sollten fünf bis zehn Minuten pro Tag Bildschirmzeit bekommen, Kindergarten- und Schulkinder bis acht Jahre maximal eine Stunde. Ab neun bzw. zehn Jahren sollten maximal 100 Minuten erlaubt werden; für Kinder über zehn Jahre sollte ein wöchentliches Zeitkontingent vereinbart werden. Bewährt haben sich bei vielen Eltern Mediengutscheine, mit denen die Kinder TV-, Streaming- oder GamingZeit „erkaufen“können.
Experte Armin Kaser gibt zudem Tipps, wie Mütter ihr Gaming-Hobby gut in den Alltag mit Kind integrieren können: Er ist überzeugt, dass sich Mamas, aber auch Papas eigene Zeiträume setzen sollten, innerhalb derer sie spielen könnten; diese können flexibel je nach den individuellen Bedürfnissen gehalten sein. „Man sollte sich daher Spiele aussuchen, die keine festen Zeiten oder regelmäßige Aufmerksamkeit erfordern“, rät der Psychologe.