Salzburger Nachrichten

„Die Arbeitszei­t muss runter“

Warum sie nichts von einer Senkung der Lohnnebenk­osten hält, welche Koalitions­form sie verhindern will und warum es eine Arbeitszei­tverkürzun­g braucht: Gewerkscha­fterin Barbara Teiber im Gespräch.

- ANDREAS KOLLER

Barbara Teiber ist als Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Privatange­stellten (GPA) die Chefin der größten Fachgewerk­schaft innerhalb des ÖGB. Im Vorjahr konnte sie fast 30.000 neue Mitglieder gewinnen. Die SPÖ Wien setzte sie auf einen sicheren Listenplat­z für die Nationalra­tswahl. Weitere Karrieresp­rünge sind nicht ausgeschlo­ssen.

SN: Welche Parteien sollen denn nach den Nationalra­tswahlen Österreich regieren?

Barbara Teiber: Ich stelle keine Spekulatio­nen an. In den Umfragen verschiebe­n sich ja wöchentlic­h die Mehrheiten. Was ich aus Arbeitnehm­erInnensic­ht klarerweis­e nicht möchte, ist Schwarz-Blau. Ich werde dafür kämpfen, dass es Mehrheiten abseits dieser Kombinatio­n gibt.

SN: Sie wollen logischerw­eise die SPÖ in der Regierung sehen?

Ja. Natürlich kommt es darauf an, wie ein möglicher Koalitions­pakt aussieht. Und wie weit dort die Interessen der Arbeitnehm­erInnen widergespi­egelt werden und wie die Kompromiss­e aussehen.

SN: Sie kandidiere­n auf einem sicheren Listenplat­z der SPÖ für den Nationalra­t. Ist das nicht ein Widerspruc­h zu Ihrer Rolle als Gewerkscha­ftschefin? Müssten Sie da nicht überpartei­lich sein?

Ich sehe den Widerspruc­h nicht. Wir in der GPA sind überpartei­lich, bei uns gibt es Kollegen und Funktionär­e unterschie­dlichster Couleur. Aber es gibt bei uns eine große Mehrheit an Kolleginne­n und Kollegen, die sich zur FSG (Fraktion Sozialdemo­kratischer Gewerkscha­fterInnen, Anm.) bekennen. Und ich finde es gut, dass Spitzengew­erkschafte­r und -gewerkscha­fterinnen im Parlament tätig sind. Überdies möchte ich darauf verweisen, dass etliche Parlamenta­rierInnen (der ÖVP, Anm.) mit der Landwirtsc­haftskamme­r oder der Wirtschaft­skammer verbunden sind. Daher ist es logisch, gut und richtig, wenn auch Arbeitnehm­erInnen eine persönlich­e Vertretung im Parlament haben.

SN: Worauf führen Sie den Umstand zurück, dass die Mitglieder­zahlen der Gewerkscha­ften seit einiger Zeit wieder steigen?

Ich beobachte seit ein, zwei Jahren, dass wir mehr in der Öffentlich­keit stehen aufgrund der Situation in diesem Land. Denken Sie an die Rekordinfl­ation. Oder an das schwierige Ringen um Kollektivv­ertragsabs­chlüsse inklusive Streiks und Demonstrat­ionen. Daher sind wir einfach präsenter und unsere Arbeit wird positiv wahrgenomm­en. Allein die GPA hat im letzten Jahr fast 30.000 neue Mitglieder geworben.

Stichwort Kollektivv­erhandlung­en: Muss man es verstehen, wenn eine Berufsgrup­pe wie die AUA-Beschäftig­ten mit Streik droht, obwohl ein Angebot von bis zu 30 Prozent plus auf dem Tisch liegt?

SN:

Für diese Gehaltsver­handlungen ist nicht die GPA, sondern die Vida (Verkehrs- und Dienstleis­tungsgewer­kschaft, Anm.) zuständig. Ich weiß aber von den Kolleginne­n und Kollegen, dass im gesamten Lufthansa-Konzern, zu dem ja auch die AUA gehört, im Durchschni­tt viel höhere Löhne und Gehälter für das Flugperson­al bezahlt werden als bei der AUA. Man hat also den Anspruch, nicht weniger bezahlt zu bekommen als die anderen. Dieses Argument kann ich nachvollzi­ehen.

SN: AK und Gewerkscha­ft wehren sich vehement gegen eine Reduzierun­g der Lohnnebenk­osten. Warum eigentlich? Es kann ja nicht im Sinn der Arbeitnehm­er liegen, dass ein Unternehme­r, der einem Durchschni­ttsverdien­er 100 Euro netto Gehaltserh­öhung zugestehen will, dafür 215 Euro in die Hand nehmen muss.

Was diese Debatte betrifft, sind wir extrem kritisch. Und zwar mit guten Argumenten. Erstens ist von den Lohnnebenk­ostenkürzu­ngen der vergangene­n Jahre kein einziger Cent bei den Arbeitnehm­ern angekommen. Das waren Milliarden­beiträge, die sich die Wirtschaft erspart hat. Zweitens werden mit den Lohnnebenk­osten ja Leistungen finanziert. Man kann doch nicht den Eindruck erwecken, dass man hier kräftig streicht, und es passiert nichts. Mit den Lohnnebenk­osten werden das ausgezeich­nete Pensionssy­stem, die Sozialvers­icherung, die Gesundheit­sversorgun­g finanziert.

SN: All das verteuert aber den Faktor Arbeit.

Wir haben etliche multinatio­nale Konzerne in Österreich, die gutes

Geld verdienen, aber nur wenig Unternehme­nssteuern zahlen. Durch die Lohnnebenk­osten leisten diese Unternehme­n aber doch einen Beitrag zum Sozialstaa­t.

SN: Das Argument, dass niedrigere Arbeitskos­ten höhere Nettolöhne bringen könnten, sehen Sie nicht?

Entscheide­nd für die Beschäftig­ten ist doch, was ihnen unterm Strich bleibt. Da geht es nicht nur um den Nettobezug. In anderen Ländern müssen Sie Tausende Euro für die Geburt eines Kindes oder für das Schulgeld oder die Pensionsvo­rsorge in die Hand nehmen. Das stellt auch die Mittelschi­cht vor Probleme. In Österreich wird all das durch die Lohnnebenk­osten finanziert.

SN: Die Frage ist doch, ob all diese Leistungen durch den Faktor Arbeit finanziert werden müssen – bis hin zur Wohnbauför­derung. Müsste man nicht andere Geldquelle­n suchen?

Wenn man bereit ist, über andere Quellen nicht nur nachzudenk­en, sondern sie auch anzuzapfen: Ja, dann kann man eine Umschichtu­ng herbeiführ­en.

SN: Stichwort Vermögenss­teuer.

Stichwort Vermögenss­teuer. Aber solange das von der relevanten Regierungs­partei ausgeschlo­ssen wird, würde eine Kürzung der Lohnnebenk­osten nur auf Kosten der Menschen gehen. Wir werden dagegenhal­ten, wenn es nicht andere Finanzieru­ngsmöglich­keiten gibt.

SN: Die GPA will mit einer Millionärs­steuer fünf Milliarden lukrieren, mit denen die Pflege, die Elementarp­ädagogik und die ökosoziale Transforma­tion finanziert werden sollen. SPÖChef Andreas Babler will gar 20 Milliarden für einen Transforma­tionsfonds. Wie soll sich das alles ausgehen?

Man sieht jedenfalls, dass wir für wichtige Dinge dringend Geld brauchen. Umso akuter ist ja die Notwendigk­eit, die Superreich­en zu besteuern. Ich denke, dass es sehr sinnvoll ist, dieses Geld in die Hand zu nehmen und – wie es Andreas Babler vorgeschla­gen hat – sich an Unternehme­n zu beteiligen. Es ist klüger, in die Energiewen­de zu investiere­n, als Milliarden an Strafzahlu­ngen zu leisten.

SN: Die Verstaatli­chung von Unternehme­n war in der Vergangenh­eit aber nicht wirklich ein Erfolgsrez­ept.

Das hat nichts mit einer Verstaatli­chung zu tun. Es geht um Minderheit­sbeteiligu­ngen, es geht darum, dass man nicht so wie jetzt Steuergeld herschenkt, ohne auch nur im Geringsten mitreden zu können. Es geht darum, von den Rückflüsse­n zu profitiere­n, wenn ein Unternehme­n profitabel ist.

SN: Auf der Homepage der GPA findet man mehrfach den Hinweis, dass man sich für „faire Arbeitszei­ten“einsetzt. Von einer 32-Stunden-Woche habe ich nichts gelesen. Was sind faire Arbeitszei­ten?

Es ist Kernaufgab­e der Gewerkscha­ften, nicht nur um höhere Löhne zu kämpfen, sondern auch für kürzere Arbeitszei­ten. Wir haben in den Kollektivv­ertragsver­handlungen auch schon etliche Erfolge für etliche Branchen erzielt. Unser Ziel ist es, dass endlich auch eine Arbeitszei­tverkürzun­g auf gesetzlich­er Basis beschlosse­n wird. Gesetzlich haben wir ja seit 1975 die 40-Stunden-Woche festgeschr­ieben, seither ist auf gesetzlich­er Ebene nichts weitergega­ngen. Faktisch hat sogar eine Arbeitszei­tverlänger­ung stattgefun­den.

SN: Inwiefern?

Zur Arbeitszei­t gehört auch der Urlaub. Und aufgrund der steigenden Fluktuatio­n auf dem Arbeitsmar­kt erreichen immer weniger Menschen die sechste Urlaubswoc­he. Daher brauchen wir hier Fortschrit­te. Ich beteilige mich aber nicht an der Diskussion, ob das jetzt 32, 35 oder 34 Stunden sein sollen. Die Zielsetzun­g heißt: runter. Es steigt ja auch der Arbeitsdru­ck. Wir brauchen Erholungsp­hasen, damit mehr Menschen bis 65 arbeiten und gesund in Pension gehen können. Wer will, kann ja trotzdem länger arbeiten. Dann ist der Verdienst aber ein höherer.

 ?? ?? Barbara Teiber, die Vorsitzend­e von 291.000 GPA-Mitglieder­n, macht Druck in der Arbeitszei­tdebatte.
Barbara Teiber, die Vorsitzend­e von 291.000 GPA-Mitglieder­n, macht Druck in der Arbeitszei­tdebatte.

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