„Die Arbeitszeit muss runter“
Warum sie nichts von einer Senkung der Lohnnebenkosten hält, welche Koalitionsform sie verhindern will und warum es eine Arbeitszeitverkürzung braucht: Gewerkschafterin Barbara Teiber im Gespräch.
Barbara Teiber ist als Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) die Chefin der größten Fachgewerkschaft innerhalb des ÖGB. Im Vorjahr konnte sie fast 30.000 neue Mitglieder gewinnen. Die SPÖ Wien setzte sie auf einen sicheren Listenplatz für die Nationalratswahl. Weitere Karrieresprünge sind nicht ausgeschlossen.
SN: Welche Parteien sollen denn nach den Nationalratswahlen Österreich regieren?
Barbara Teiber: Ich stelle keine Spekulationen an. In den Umfragen verschieben sich ja wöchentlich die Mehrheiten. Was ich aus ArbeitnehmerInnensicht klarerweise nicht möchte, ist Schwarz-Blau. Ich werde dafür kämpfen, dass es Mehrheiten abseits dieser Kombination gibt.
SN: Sie wollen logischerweise die SPÖ in der Regierung sehen?
Ja. Natürlich kommt es darauf an, wie ein möglicher Koalitionspakt aussieht. Und wie weit dort die Interessen der ArbeitnehmerInnen widergespiegelt werden und wie die Kompromisse aussehen.
SN: Sie kandidieren auf einem sicheren Listenplatz der SPÖ für den Nationalrat. Ist das nicht ein Widerspruch zu Ihrer Rolle als Gewerkschaftschefin? Müssten Sie da nicht überparteilich sein?
Ich sehe den Widerspruch nicht. Wir in der GPA sind überparteilich, bei uns gibt es Kollegen und Funktionäre unterschiedlichster Couleur. Aber es gibt bei uns eine große Mehrheit an Kolleginnen und Kollegen, die sich zur FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen, Anm.) bekennen. Und ich finde es gut, dass Spitzengewerkschafter und -gewerkschafterinnen im Parlament tätig sind. Überdies möchte ich darauf verweisen, dass etliche ParlamentarierInnen (der ÖVP, Anm.) mit der Landwirtschaftskammer oder der Wirtschaftskammer verbunden sind. Daher ist es logisch, gut und richtig, wenn auch ArbeitnehmerInnen eine persönliche Vertretung im Parlament haben.
SN: Worauf führen Sie den Umstand zurück, dass die Mitgliederzahlen der Gewerkschaften seit einiger Zeit wieder steigen?
Ich beobachte seit ein, zwei Jahren, dass wir mehr in der Öffentlichkeit stehen aufgrund der Situation in diesem Land. Denken Sie an die Rekordinflation. Oder an das schwierige Ringen um Kollektivvertragsabschlüsse inklusive Streiks und Demonstrationen. Daher sind wir einfach präsenter und unsere Arbeit wird positiv wahrgenommen. Allein die GPA hat im letzten Jahr fast 30.000 neue Mitglieder geworben.
Stichwort Kollektivverhandlungen: Muss man es verstehen, wenn eine Berufsgruppe wie die AUA-Beschäftigten mit Streik droht, obwohl ein Angebot von bis zu 30 Prozent plus auf dem Tisch liegt?
SN:
Für diese Gehaltsverhandlungen ist nicht die GPA, sondern die Vida (Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft, Anm.) zuständig. Ich weiß aber von den Kolleginnen und Kollegen, dass im gesamten Lufthansa-Konzern, zu dem ja auch die AUA gehört, im Durchschnitt viel höhere Löhne und Gehälter für das Flugpersonal bezahlt werden als bei der AUA. Man hat also den Anspruch, nicht weniger bezahlt zu bekommen als die anderen. Dieses Argument kann ich nachvollziehen.
SN: AK und Gewerkschaft wehren sich vehement gegen eine Reduzierung der Lohnnebenkosten. Warum eigentlich? Es kann ja nicht im Sinn der Arbeitnehmer liegen, dass ein Unternehmer, der einem Durchschnittsverdiener 100 Euro netto Gehaltserhöhung zugestehen will, dafür 215 Euro in die Hand nehmen muss.
Was diese Debatte betrifft, sind wir extrem kritisch. Und zwar mit guten Argumenten. Erstens ist von den Lohnnebenkostenkürzungen der vergangenen Jahre kein einziger Cent bei den Arbeitnehmern angekommen. Das waren Milliardenbeiträge, die sich die Wirtschaft erspart hat. Zweitens werden mit den Lohnnebenkosten ja Leistungen finanziert. Man kann doch nicht den Eindruck erwecken, dass man hier kräftig streicht, und es passiert nichts. Mit den Lohnnebenkosten werden das ausgezeichnete Pensionssystem, die Sozialversicherung, die Gesundheitsversorgung finanziert.
SN: All das verteuert aber den Faktor Arbeit.
Wir haben etliche multinationale Konzerne in Österreich, die gutes
Geld verdienen, aber nur wenig Unternehmenssteuern zahlen. Durch die Lohnnebenkosten leisten diese Unternehmen aber doch einen Beitrag zum Sozialstaat.
SN: Das Argument, dass niedrigere Arbeitskosten höhere Nettolöhne bringen könnten, sehen Sie nicht?
Entscheidend für die Beschäftigten ist doch, was ihnen unterm Strich bleibt. Da geht es nicht nur um den Nettobezug. In anderen Ländern müssen Sie Tausende Euro für die Geburt eines Kindes oder für das Schulgeld oder die Pensionsvorsorge in die Hand nehmen. Das stellt auch die Mittelschicht vor Probleme. In Österreich wird all das durch die Lohnnebenkosten finanziert.
SN: Die Frage ist doch, ob all diese Leistungen durch den Faktor Arbeit finanziert werden müssen – bis hin zur Wohnbauförderung. Müsste man nicht andere Geldquellen suchen?
Wenn man bereit ist, über andere Quellen nicht nur nachzudenken, sondern sie auch anzuzapfen: Ja, dann kann man eine Umschichtung herbeiführen.
SN: Stichwort Vermögenssteuer.
Stichwort Vermögenssteuer. Aber solange das von der relevanten Regierungspartei ausgeschlossen wird, würde eine Kürzung der Lohnnebenkosten nur auf Kosten der Menschen gehen. Wir werden dagegenhalten, wenn es nicht andere Finanzierungsmöglichkeiten gibt.
SN: Die GPA will mit einer Millionärssteuer fünf Milliarden lukrieren, mit denen die Pflege, die Elementarpädagogik und die ökosoziale Transformation finanziert werden sollen. SPÖChef Andreas Babler will gar 20 Milliarden für einen Transformationsfonds. Wie soll sich das alles ausgehen?
Man sieht jedenfalls, dass wir für wichtige Dinge dringend Geld brauchen. Umso akuter ist ja die Notwendigkeit, die Superreichen zu besteuern. Ich denke, dass es sehr sinnvoll ist, dieses Geld in die Hand zu nehmen und – wie es Andreas Babler vorgeschlagen hat – sich an Unternehmen zu beteiligen. Es ist klüger, in die Energiewende zu investieren, als Milliarden an Strafzahlungen zu leisten.
SN: Die Verstaatlichung von Unternehmen war in der Vergangenheit aber nicht wirklich ein Erfolgsrezept.
Das hat nichts mit einer Verstaatlichung zu tun. Es geht um Minderheitsbeteiligungen, es geht darum, dass man nicht so wie jetzt Steuergeld herschenkt, ohne auch nur im Geringsten mitreden zu können. Es geht darum, von den Rückflüssen zu profitieren, wenn ein Unternehmen profitabel ist.
SN: Auf der Homepage der GPA findet man mehrfach den Hinweis, dass man sich für „faire Arbeitszeiten“einsetzt. Von einer 32-Stunden-Woche habe ich nichts gelesen. Was sind faire Arbeitszeiten?
Es ist Kernaufgabe der Gewerkschaften, nicht nur um höhere Löhne zu kämpfen, sondern auch für kürzere Arbeitszeiten. Wir haben in den Kollektivvertragsverhandlungen auch schon etliche Erfolge für etliche Branchen erzielt. Unser Ziel ist es, dass endlich auch eine Arbeitszeitverkürzung auf gesetzlicher Basis beschlossen wird. Gesetzlich haben wir ja seit 1975 die 40-Stunden-Woche festgeschrieben, seither ist auf gesetzlicher Ebene nichts weitergegangen. Faktisch hat sogar eine Arbeitszeitverlängerung stattgefunden.
SN: Inwiefern?
Zur Arbeitszeit gehört auch der Urlaub. Und aufgrund der steigenden Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt erreichen immer weniger Menschen die sechste Urlaubswoche. Daher brauchen wir hier Fortschritte. Ich beteilige mich aber nicht an der Diskussion, ob das jetzt 32, 35 oder 34 Stunden sein sollen. Die Zielsetzung heißt: runter. Es steigt ja auch der Arbeitsdruck. Wir brauchen Erholungsphasen, damit mehr Menschen bis 65 arbeiten und gesund in Pension gehen können. Wer will, kann ja trotzdem länger arbeiten. Dann ist der Verdienst aber ein höherer.