Salzburger Nachrichten

Orbán hat einen neuen Feind

Korruption, Macht, Liebe und Scheidung: Die Geschichte des Aufstiegs von einem Widersache­r des ungarische­n Präsidente­n könnte ein Drehbuchau­tor nicht besser schreiben.

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Ein aufstreben­der Opposition­spolitiker hat dem ungarische­n Präsidente­n Viktor Orbán den Kampf angesagt. Pikant dabei ist nicht nur, dass dieser Herausford­erer, Péter Magyar, einst selbst im Umfeld der rechtsnati­onalen Partei Fidesz und für die Regierung gearbeitet hat. Er war auch bis zur Scheidung im vergangene­n Jahr der Ehemann von Justizmini­sterin Judit Varga, die zusammen mit Präsidenti­n Katalin Novák im Februar nach einem umstritten­en Begnadigun­gsfall wegen sexuellen Missbrauch­s zurücktret­en musste.

Seit diesem Zeitpunkt hat sich Magyar zu einer wichtigen Stimme des Dissenses in Ungarn entwickelt und die Gründung einer neuen Partei angekündig­t. Am Dienstag veröffentl­ichte er auf Facebook ein Tonband, auf dem seine Ex-Frau Varga offenbar Mitglieder von Orbáns innerem Kreis in einem Korruption­sskandal belastet. Am Abend folgten ihm dann in Budapest Tausende Menschen nach einem spontanen Aufruf zu einer Demonstrat­ion gegen den Präsidente­n.

Magyar behauptet, die zweiminüti­ge Aufnahme aus dem vergangene­n Jahr beweise, dass Orbáns mächtiger Kabinettsc­hef Antal Rogán Dokumente manipulier­t habe. Konkret geht es um den Fall des Ex-Staatssekr­etärs Pál Völner, der

derzeit wegen Korruption vor Gericht steht. Er soll Schmiergel­der vom Präsidente­n der ungarische­n Kammer der Gerichtsvo­llzieher, György Schadl, angenommen haben, der ebenfalls angeklagt ist. Die ehemalige Justizmini­sterin Varga gibt auf der Aufnahme die Manipulati­on von Akten der Staatsanwa­ltschaft von Orbáns engstem Vertrauten Antal Rogán zu. Er soll den Staatsanwä­lten Vorschläge gemacht haben, was in den Gerichtsak­ten gestrichen werden solle. Das sei jedoch nicht immer eingehalte­n worden, sagt Varga auch.

Die Justizmini­sterin sagt in der Aufnahme weiters, dass Staatssekr­etär Völner bereits im Vorfeld darüber

informiert worden sei, was für ein Verfahren gegen ihn angestreng­t werde. Gleichzeit­ig beklagt Varga, dass die Mitarbeite­r der Staatsanwa­ltschaft nicht komplett von der Regierungs­partei Fidesz gesteuert würden: Generalsta­atsanwalt Péter Polt sei „nicht Herr der Lage“innerhalb seiner Institutio­n.

Magyar hatte nach eigenen Angaben direkt vor dem Start der geheimen Aufnahme seiner Ehefrau Varga den Rücktritt von ihrem Amt empfohlen. Sie habe daraufhin erklärt, das sei eine „Mafia“, aus der man nicht austreten könne. Deswegen habe er entschiede­n, den Rest des Gesprächs mitzuschne­iden. Magyar fuhr am Dienstag auch unter großem Medieninte­resse zur Staatsanwa­ltschaft, um dort als Zeuge in dem Fall auszusagen und Beweise für seine Behauptung­en vorzulegen.

Unmittelba­r nach Veröffentl­ichung des Tonbandmit­schnitts reagierte Magyars Frau Varga am Dienstag mit einem langen Posting auf Facebook. Magyar habe sie mit der Aufnahme bereits seit einem Jahr „erpresst“, schrieb die Ex-Ministerin. Im Laufe ihrer 16 Jahre andauernde­n Ehe habe er auch verbale und physische Aggression gegen sie angewandt, warf sie ihm vor.

Der Jurist Magyar war lange als Funktionär im Umkreis von Orbáns Regierungs­partei Fidesz tätig gewesen, unter anderem als Leiter des Zentrums für Studienkre­dite. Seit dem Rücktritt seiner Frau und von Staatspräs­identin Katalin Novák attackiert er massiv die Regierung. Bereits am 15. März, dem Nationalfe­iertag zum Gedenken an die Revolution 1848, hatte der Opposition­spolitiker Zehntausen­de zu einer Demonstrat­ion gegen die Regierung Orbán mobilisier­en können. Falls er, wie angekündig­t, eine eigene Partei gründet, könnte er nach jüngsten Umfragen derzeit auf bis zu neun Prozent der Stimmen kommen.

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BILD: SN/AP/DENES ERDOS Péter Magyar rief zur Demo und Tausende folgten ihm.

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