Salzburger Nachrichten

Wolfgang Gurlitt gibt Rätsel auf

Vom zur NS-Zeit aktiven Kunsthändl­er stammt ein „glanzvolle­s wie problemati­sches Erbe“.

- HEDWIG KAINBERGER

Der Name Gurlitt ist berüchtigt. Seit in München 2012 die private Sammlung von Cornelius Gurlitt als „Schwabinge­r Kunstfund“– gefolgt von weiteren Kunstwerke­n im Zweitwohns­itz in Salzburg-Aigen – wegen Verdachts auf NS-Raubkunst beschlagna­hmt worden war, wird dieser Name mit Raub und Kunsthande­l während des NSRegimes in Verbindung gebracht. Allerdings: Nach ausführlic­hen Analysen stellte sich heraus, dass dieser Verdacht laut Wikipedia nur für neun von über 1500 Kunstwerke­n im Besitz Cornelius Gurlitts schlagend werden sollte.

Jetzt wird ein weiterer Gurlitt aus dem Zweilicht der NS-Vergangenh­eit ins Rampenlich­t einer Ausstellun­g geholt: Wolfgang Gurlitt, Onkel Cornelius Gurlitts, dürfte als Kunsthändl­er in der NS-Zeit am Auslandsve­rkauf beschlagna­hmter Werke als „entartet“verhöhnter Kunst ebenso beteiligt gewesen sein wie an der Beschaffun­g von Werken für das geplante „Führermuse­um“in Linz. Doch lässt sich Wolfgang Gurlitt nicht einfach als NS-Profiteur abkanzeln. Dies fächert die Ausstellun­g in Bad Aussee auf, wo Wolfgang Gurlitt nach Angaben in der Pressemitt­eilung ab 1940 eine Villa am Lenauhügel hatte. In diese ist er während des Zweiten Weltkriegs mit Familie und sogar mit seiner jüdischen Geschäftsp­artnerin Lilly Agoston übersiedel­t, nachdem 1943 in Berlin Wohnung und Galerie bombardier­t worden waren.

Auf zwielichti­ge Geschäfte in der NS-Zeit folgten aus heutiger Sicht gute Taten: Wolfgang Gurlitt übernahm 1946 die ehrenamtli­che Leitung der Neuen Galerie der Stadt Linz – heute das Lentos – und gestaltete in den folgenden zehn Jahren über 100 Ausstellun­gen. Auch in Aussee bestückte und organisier­te er Ausstellun­gen. 1952/53 erwarb die Stadt Linz von ihm 84 Gemälde, 33 Zeichnunge­n und eine KubinSamml­ung, die noch immer Kern der heutigen Lentos-Sammlung sind. Allerdings: Seit 1999 im Lentos

mit Provenienz­forschung begonnen worden ist, sind zwölf Werke aus ursprüngli­ch jüdischem Besitz, die Wolfgang Gurlitt in seiner Sammlung hatte, an rechtmäßig­e Erben restituier­t worden.

Um dieses „glanzvolle wie problemati­sche Erbe“der Sammlung Wolfgang Gurlitts zur Diskussion zu stellen und deren Erwerb wie die Restitutio­nen zu schildern, hat das Lentos diese Schau im Kammerhofm­useum in Bad Aussee gestaltet. Nach der Mitte März eröffneten Ausstellun­g „Reise der Bilder. Hitlers Kulturpoli­tik, Kunsthande­l und

Einlagerun­gen in der NS-Zeit im Salzkammer­gut“im Stammhaus in Linz ist dies der zweite von drei kulturpoli­tischen Rückblicke­n anlässlich der Kulturhaup­tstadt Salzkammer­gut 2024. Dem folgt ab Ende April im Alten Marktricht­erhaus in Lauffen „Das Leben der Dinge“über Raub, Verschlepp­ung, Restitutio­n und Rekonstruk­tion von Kunst

Ausstellun­g: „Wolfgang Gurlitt – Kunsthändl­er und Profiteur in Bad Aussee“, Kammerhofm­useum Bad Aussee, bis 3. November.

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Der Kunsthändl­er Wolfgang Gurlitt in Bad Aussee, um 1945.

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