Plant die Lufthansa Schrumpfkur für AUA?
Donnerstag und Freitag entfallen 400 AUA-Flüge, 50.000 Passagiere sind betroffen. Aber steht nun auch die Zukunft der AUA auf dem Spiel?
Von Gründonnerstag bis Freitagmittag wird keine AUA-Maschine vom Flughafen Wien-Schwechat starten. Die Gewerkschaft Vida hat das Bordpersonal – 3500 Pilotinnen und Flugbegleiter – aufgerufen, die Arbeit niederzulegen, um Forderungen nach höheren Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen Nachdruck zu verleihen. Das wirft die grundsätzliche Frage auf: Ist es noch eine harte Auseinandersetzung um einen Kollektivvertrag (KV), die auf beiden Seiten mitunter mit harten Bandagen geführt wird – oder steht tatsächlich die Zukunft und letztlich die Existenz der AUA auf dem Spiel, wie es deren Vorstandschefin Annette Mann am Dienstagabend im „ZiB 2“-Interview in den Raum stellte? Dazu gibt es unterschiedliche Einschätzungen von Branchenkennern und Luftfahrtexperten.
1. Ist das nun ein Streik, wenn die AUA 400 Flüge streicht?
Das ist auch für Juristen eine interessante Frage. Ein klassischer Streik ist es nicht, weil ja die Konzernleitung die Flüge bereits im Vorfeld abgesagt hat und somit das Bordpersonal in der genannten Zeit gar nicht arbeiten könnte, auch wenn es wollte. Jurist Roland Gerlach sagt, es sei am ehesten „eine adäquate Reaktion auf eine ernst zu nehmende Streikdrohung“. In diesem Fall bliebe der Unternehmensführung nichts anderes übrig, als die Flüge vorsorglich abzusagen. Das ist nicht zuletzt auch im Interesse der Fluggäste, die dann immerhin eine alternative Möglichkeit haben, an ihr Ziel zu gelangen.
In diesem Fall sei schon die Ankündigung des Streiks die gewerkschaftliche Maßnahme – zumal diese ernst zu nehmen sei.
2. Ist eine Lösung am Verhandlungstisch möglich?
Es wird früher oder später wohl kein Weg daran vorbeiführen, auch wenn eine konstruktive Verhandlungslösung im Augenblick kaum vorstellbar scheint. Während sich im Idealfall im Laufe von Verhandlungen beide Seiten bewegen und irgendwo in der Mitte zusammenfinden, scheint das im konkreten Fall kaum vorstellbar – selbst nach bisher 17 Verhandlungsrunden gab es kaum eine greifbare Annäherung.
Aber „sie müssen sich wieder zusammensetzen“, ist Luftfahrtexperte Kurt Hofmann überzeugt.
3. Plant die Lufthansa eine Schrumpfkur für die AUA?
AUA-Vorstandschefin Annette Mann hat diese Variante am Dienstagabend deutlich angesprochen. Würden die Forderungen der Gewerkschaft eins zu eins umgesetzt, würde die AUA auf 60 Prozent ihrer Strecken Verluste schreiben, sagte sie. Dann müsse man „die AUA neu denken“.
Das hieße, dass manche bisherigen AUA-Strecken von Billig-Airlines im Konzern bedient werden müssten.
Den konkreten Anreiz, der AUA die Flügel zu stutzen und sie zu einer Billiggesellschaft zu machen, hält der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt für gering. „Das macht wenig Sinn.“
Genauso sieht das der langjährige Luftfahrtjournalist Cord Schellenberg. „Wer einen Vollservice-Anbieter zu einer Billigfluggesellschaft umbauen will, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn ich einen LowCost-Carrier haben will, muss ich einen neuen gründen.“Aus seiner Sicht sei es nicht möglich, aus der AUA einen Diskonter zu machen, „das geht mit dem Streckennetz nicht, auch mit den Menschen nicht“.
4. Was heißt der AUA-Konflikt für weitere Lohngespräche?
Der Arbeitskonflikt bei der AUA sei ein Beispiel dafür, dass Verteilungskonflikte zuletzt anders ausgetragen werden als früher, sagt Ökonomin Christine Mayrhuber, die am Wirtschaftsforschungsinstitut zu Arbeitsmarktökonomie und Einkommen forscht. So eine Verschärfung der Gangart im Ringen um Löhne und Gehälter war bereits bei den KV-Verhandlungen der Metallindustrie im Herbst zu beobachten – und zuletzt auch bei der deutschen AUA-Mutter Lufthansa und der Deutschen Bahn. Das seien keine Einzelfälle, das sei symptomatisch, meint Mayrhuber. „Verteilungskonflikte werden heute härter und offensichtlicher ausgetragen.“Dazu kommen Sonderfaktoren wie die hohe Inflation und der Umstand, dass die Luftfahrt in der Pandemie komplett am Boden war und dann überraschend schnell wieder Dynamik gewonnen hat. Und keine Branche ist internationaler unterwegs als die weltweite Luftfahrt.
5. Sind die Forderungen der Arbeitnehmer überzogen?
Aus Sicht des Lufthansa-Konzerns ja, auch Experte Kurt Hofmann sieht das so. Die AUA hat sich zuletzt aus dem Verlustbereich deutlich in die Gewinnzone hinaufgearbeitet und ist heute im Konzern sehr effizient unterwegs – nicht zuletzt dank im Vergleich moderater Personalkosten. Gerade an dieser Schraube zu drehen würde die günstige Position der AUA innerhalb des Konzerns deutlich verschlechtern, damit wäre der Kostenvorteil weg.