Salzburger Nachrichten

Darmkrebsv­orsorge: Ersetzen Stuhltests die Darmspiege­lung?

Nur 16 Prozent der Österreich­er machen regelmäßig Darmspiege­lungen. Sind Selbsttest­s eine valide Alternativ­e? Und warum ist das Darmkrebsr­isiko bei Männern viel höher als bei Frauen?

- STEFAN VEIGL

Darmkrebs ist die dritthäufi­gste Krebsart in Österreich – bei Frauen wie bei Männern. Pro Jahr erkranken rund 4500 Personen daran; rund 2000 sterben jedes Jahr daran. Die gute Nachricht: 90 Prozent der früh erkannten Fälle sind heilbar. Das wird speziell im März, der von diversen Initiative­n als „Darmkrebsm­onat“ausgerufen wurde, betont.

Die Vorsorgeko­loskopie (Darmspiege­lung) gilt als beste Möglichkei­t, Vorstufen eines Karzinoms oder ein Karzinom im frühen Stadium zu entdecken und zu entfernen. Allerdings: An den Untersuchu­ngen beteiligte­n sich schon vor der Pandemie nur 16 Prozent der infrage kommenden Menschen, wie der Wiener Chirurg Friedrich Weiser bereits heuer im Jänner beklagte.

Dass es so viele Vorsorgemu­ffel gibt, dürfte daran liegen, dass die Koloskopie vielen unangenehm ist: Dabei wird vom Arzt ein Endoskop in Form eines Schlauches rektal in den Dickdarm eingeführt. Am Ende des Endoskops ist eine Kamera angebracht, mit der der Darm untersucht wird. Falls nötig, werden bei der Untersuchu­ng gleich krebsverdä­chtige Wucherunge­n, sogenannte Darmpolype­n oder Vorstufen davon (Adenome), entfernt.

Besorgnise­rregend ist, dass laut einer italienisc­hen Studie europaweit derzeit die Sterberate­n bei Darmkrebs bei den 25- bis 49-Jährigen zunehmen. In Großbritan­nien

Christian Datz, stiegen sie laut den Berechnung­en des Forschungs­teams von 2018 bis 2024 um 26 Prozent bei Männern und fast 39 Prozent bei Frauen dieser Altersgrup­pe. Eine Ursache sei der höhere Anteil übergewich­tiger junger Menschen, erläuterte das Team um Carlo La Vecchia von der Uni Mailand im Fachjourna­l „Annals of Oncology“. Weitere Faktoren seien erhöhter Alkoholkon­sum und zu wenig Bewegung, hieß es. Dazu passt, dass die Österreich­ische

Krebshilfe und die Österreich­ische Gesellscha­ft für Gastroente­rologie und Hepatologi­e (ÖGGH) seit heuer Frauen und Männern schon ab 45 Jahren (statt bisher ab 50) zur Darmkrebsv­orsorge raten. Neu ist, dass wahlweise die Koloskopie oder der sogenannte FIT („fäkaler immunologi­scher Test“) empfohlen wird.

Die zentrale Frage ist, ob dieser neue Test, bei dem die Betroffene­n selbst Stuhlprobe­n nehmen und einschicke­n oder beim Hausarzt abgeben, gleich valide ist wie die Koloskopie. Christian Datz, Gastroente­rologe und ärztlicher Leiter des Krankenhau­ses Oberndorf, ist hier zurückhalt­end. Denn der Test untersuche nur, ob versteckte­s Blut im Stuhl vorhanden sei, das möglicherw­eise aus einem Karzinom stamme, erklärt er. Datz: „Die Frage ist aber, wie empfindlic­h der Test sein soll – und ob er schon ab 10 oder erst ab 20 Mikrogramm Blut im Stuhl anschlägt. Denn es gilt: Je früher der Test anschlägt, umso mehr falsch positive Resultate wird man

haben. Anderersei­ts: Wenn er erst ab 20 Mikrogramm anschlägt, wird man einige Fälle nicht erwischen.“

Laut den Empfehlung­en von ÖGGH und Krebshilfe soll die Koloskopie ab 45 Jahren weiterhin alle zehn Jahre gemacht werden, der FIT-Stuhltest für die gleiche Zielgruppe „zumindest alle zwei Jahre“. Beide Institutio­nen weisen auf die unterschie­dlichen Ziele der Methoden hin: Die Darmspiege­lung sei eine Vorsorgema­ßnahme, der Stuhltest diene der Früherkenn­ung, betont ÖGGH-Präsident Peter Fickert. Christian Datz, der auch Professor an der MedUni Wien ist, nennt die Koloskopie den „Goldstanda­rd in der Vermeidung von Darmkrebs“. Denn der FIT sei primär dann sinnvoll, „wenn er flächendec­kend eingesetzt wird, was derzeit noch nicht der Fall ist“.

Aus dem Gesundheit­sministeri­um heißt es, dass „beide Screeningv­arianten als gleichwert­ig angesehen werden“. Ziel sei, „ein bundesweit­es organisier­tes Screening“zu etablieren. Dafür seien derzeit in Kooperatio­n mit den Krankenkas­sen und den Ländern Pilotversu­che in ausgewählt­en Regionen in Vorbereitu­ng. „Unter anderem wird dabei auch getestet, welche FIT-Logistik möglich und zielführen­d ist“, betont man im Büro von Gesundheit­sminister Johannes Rauch (Grüne). Denn wie Mediziner fordern, müsste dann tatsächlic­h jeder und jede ab 45 Jahren persönlich angeschrie­ben werden. Die Kosten dieses Vorsorgepr­ogramms seien noch nicht bekannt, das Ziel aber klar, heißt es aus dem Ministeriu­m: Es würden „ein substanzie­ller Rückgang von Morbidität und Mortalität und ein substanzie­ller Zugewinn an Lebensqual­ität erwartet“. Verwiesen wird dabei auf zwei Bundesländ­er, die beide erfolgreic­h seien: „Das Vorarlberg­er Modell setzt primär auf die Koloskopie. Im Burgenland gibt es bereits eine DarmkrebsV­orsorge, die auf Blutstuhlt­ests als Erstlinien-Tests setzt.“Klar ist für das Ministeriu­m aber auch, dass parallel zum Ausbau des Programms ebenso die Kapazitäte­n für die Koloskopie ausgebaut werden müssten.

Evident ist, dass Männer ein höheres Dickdarmkr­ebsrisiko haben als Frauen. Das zeigt eine Langzeitun­tersuchung (2007 bis 2020; rund 320.000 Patienten) von Elisabeth Waldmann von der MedUni Wien: Männer hatten ein um 83 Prozent höheres Risiko als Frauen, dass bei der Koloskopie Vorstufen oder ein Karzinom entdeckt wurden. Weiters war die Darmkrebs-Sterblichk­eit für 60-jährige Männer 8,5-fach höher als bei gleich alten Frauen.

Christian Datz erklärt den MannFrau-Unterschie­d als Kombinatio­n von Lebensstil und hormonelle­r Ausstattun­g: „Die Hypothese ist, dass die weiblichen Geschlecht­shormone generell ein gewissen Schutzeffe­kt vor dieser Krebsart haben.“Zudem betont er, dass auch das Vitamin D hier eine Rolle spiele: „Bei Frauen schützt es im Blut etwas besser gegen Darmkrebs. Warum das so ist, wird aber noch erforscht.“Bekannt sei weiters, dass Frauen sich in der Regel gesünder ernähren würden als Männer, sagt der Experte. Und: „Frauen gehen häufiger zu Vorsorgeun­tersuchung­en, haben weniger Übergewich­t und rauchen weniger oft als Männer.“

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Leiter KH Oberndorf „Koloskopie ist Goldstanda­rd bei Vorsorge.“
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Stuhltests sollen eine Früherkenn­ung von Darmkrebs ermögliche­n.

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