Darmkrebsvorsorge: Ersetzen Stuhltests die Darmspiegelung?
Nur 16 Prozent der Österreicher machen regelmäßig Darmspiegelungen. Sind Selbsttests eine valide Alternative? Und warum ist das Darmkrebsrisiko bei Männern viel höher als bei Frauen?
Darmkrebs ist die dritthäufigste Krebsart in Österreich – bei Frauen wie bei Männern. Pro Jahr erkranken rund 4500 Personen daran; rund 2000 sterben jedes Jahr daran. Die gute Nachricht: 90 Prozent der früh erkannten Fälle sind heilbar. Das wird speziell im März, der von diversen Initiativen als „Darmkrebsmonat“ausgerufen wurde, betont.
Die Vorsorgekoloskopie (Darmspiegelung) gilt als beste Möglichkeit, Vorstufen eines Karzinoms oder ein Karzinom im frühen Stadium zu entdecken und zu entfernen. Allerdings: An den Untersuchungen beteiligten sich schon vor der Pandemie nur 16 Prozent der infrage kommenden Menschen, wie der Wiener Chirurg Friedrich Weiser bereits heuer im Jänner beklagte.
Dass es so viele Vorsorgemuffel gibt, dürfte daran liegen, dass die Koloskopie vielen unangenehm ist: Dabei wird vom Arzt ein Endoskop in Form eines Schlauches rektal in den Dickdarm eingeführt. Am Ende des Endoskops ist eine Kamera angebracht, mit der der Darm untersucht wird. Falls nötig, werden bei der Untersuchung gleich krebsverdächtige Wucherungen, sogenannte Darmpolypen oder Vorstufen davon (Adenome), entfernt.
Besorgniserregend ist, dass laut einer italienischen Studie europaweit derzeit die Sterberaten bei Darmkrebs bei den 25- bis 49-Jährigen zunehmen. In Großbritannien
Christian Datz, stiegen sie laut den Berechnungen des Forschungsteams von 2018 bis 2024 um 26 Prozent bei Männern und fast 39 Prozent bei Frauen dieser Altersgruppe. Eine Ursache sei der höhere Anteil übergewichtiger junger Menschen, erläuterte das Team um Carlo La Vecchia von der Uni Mailand im Fachjournal „Annals of Oncology“. Weitere Faktoren seien erhöhter Alkoholkonsum und zu wenig Bewegung, hieß es. Dazu passt, dass die Österreichische
Krebshilfe und die Österreichische Gesellschaft für Gastroenterologie und Hepatologie (ÖGGH) seit heuer Frauen und Männern schon ab 45 Jahren (statt bisher ab 50) zur Darmkrebsvorsorge raten. Neu ist, dass wahlweise die Koloskopie oder der sogenannte FIT („fäkaler immunologischer Test“) empfohlen wird.
Die zentrale Frage ist, ob dieser neue Test, bei dem die Betroffenen selbst Stuhlproben nehmen und einschicken oder beim Hausarzt abgeben, gleich valide ist wie die Koloskopie. Christian Datz, Gastroenterologe und ärztlicher Leiter des Krankenhauses Oberndorf, ist hier zurückhaltend. Denn der Test untersuche nur, ob verstecktes Blut im Stuhl vorhanden sei, das möglicherweise aus einem Karzinom stamme, erklärt er. Datz: „Die Frage ist aber, wie empfindlich der Test sein soll – und ob er schon ab 10 oder erst ab 20 Mikrogramm Blut im Stuhl anschlägt. Denn es gilt: Je früher der Test anschlägt, umso mehr falsch positive Resultate wird man
haben. Andererseits: Wenn er erst ab 20 Mikrogramm anschlägt, wird man einige Fälle nicht erwischen.“
Laut den Empfehlungen von ÖGGH und Krebshilfe soll die Koloskopie ab 45 Jahren weiterhin alle zehn Jahre gemacht werden, der FIT-Stuhltest für die gleiche Zielgruppe „zumindest alle zwei Jahre“. Beide Institutionen weisen auf die unterschiedlichen Ziele der Methoden hin: Die Darmspiegelung sei eine Vorsorgemaßnahme, der Stuhltest diene der Früherkennung, betont ÖGGH-Präsident Peter Fickert. Christian Datz, der auch Professor an der MedUni Wien ist, nennt die Koloskopie den „Goldstandard in der Vermeidung von Darmkrebs“. Denn der FIT sei primär dann sinnvoll, „wenn er flächendeckend eingesetzt wird, was derzeit noch nicht der Fall ist“.
Aus dem Gesundheitsministerium heißt es, dass „beide Screeningvarianten als gleichwertig angesehen werden“. Ziel sei, „ein bundesweites organisiertes Screening“zu etablieren. Dafür seien derzeit in Kooperation mit den Krankenkassen und den Ländern Pilotversuche in ausgewählten Regionen in Vorbereitung. „Unter anderem wird dabei auch getestet, welche FIT-Logistik möglich und zielführend ist“, betont man im Büro von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). Denn wie Mediziner fordern, müsste dann tatsächlich jeder und jede ab 45 Jahren persönlich angeschrieben werden. Die Kosten dieses Vorsorgeprogramms seien noch nicht bekannt, das Ziel aber klar, heißt es aus dem Ministerium: Es würden „ein substanzieller Rückgang von Morbidität und Mortalität und ein substanzieller Zugewinn an Lebensqualität erwartet“. Verwiesen wird dabei auf zwei Bundesländer, die beide erfolgreich seien: „Das Vorarlberger Modell setzt primär auf die Koloskopie. Im Burgenland gibt es bereits eine DarmkrebsVorsorge, die auf Blutstuhltests als Erstlinien-Tests setzt.“Klar ist für das Ministerium aber auch, dass parallel zum Ausbau des Programms ebenso die Kapazitäten für die Koloskopie ausgebaut werden müssten.
Evident ist, dass Männer ein höheres Dickdarmkrebsrisiko haben als Frauen. Das zeigt eine Langzeituntersuchung (2007 bis 2020; rund 320.000 Patienten) von Elisabeth Waldmann von der MedUni Wien: Männer hatten ein um 83 Prozent höheres Risiko als Frauen, dass bei der Koloskopie Vorstufen oder ein Karzinom entdeckt wurden. Weiters war die Darmkrebs-Sterblichkeit für 60-jährige Männer 8,5-fach höher als bei gleich alten Frauen.
Christian Datz erklärt den MannFrau-Unterschied als Kombination von Lebensstil und hormoneller Ausstattung: „Die Hypothese ist, dass die weiblichen Geschlechtshormone generell ein gewissen Schutzeffekt vor dieser Krebsart haben.“Zudem betont er, dass auch das Vitamin D hier eine Rolle spiele: „Bei Frauen schützt es im Blut etwas besser gegen Darmkrebs. Warum das so ist, wird aber noch erforscht.“Bekannt sei weiters, dass Frauen sich in der Regel gesünder ernähren würden als Männer, sagt der Experte. Und: „Frauen gehen häufiger zu Vorsorgeuntersuchungen, haben weniger Übergewicht und rauchen weniger oft als Männer.“