Salzburger Nachrichten

Wo jeder jeden kennt: Der Spitzenrei­ter bei der Wahlbeteil­igung

Nur 30 von 450 Wahlberech­tigten blieben in Forstau der Bürgermeis­terstichwa­hl fern. Manche ließen sich entschuldi­gen.

- ANTON PRLIĆ

FORSTAU. Es sind die letzten Tage der Skisaison in Forstau. Einige Urlauber fahren noch mit dem Zweiersess­ellift in das Skigebiet Fageralm, unten im Dorf ist vom Schnee keine Spur mehr. Gegenüber von Schule, Kindergart­en und Wirtshaus gibt es seit einigen Jahren einen kleinen Dorfladen als Nahversorg­er für die 550 Einwohner der Gemeinde.

Hier verbringen drei Einheimisc­he den Vormittag bei Verkäuferi­n Martina Buchsteine­r. Es sei hier kein großes Thema, dass man seit dem vergangene­n Wochenende einen neuen Bürgermeis­ter habe, sagen sie. „Schreibts lieber über den Fritz Wepper“, sagt einer der Stammgäste. Wählen ist in dem Ort offenbar etwas, das man tut, aber worüber man nicht spricht.

Wenn gewählt wird, dann sind die Forstaueri­nnen und Forstauer fleißig. 94,7 Prozent der Wahlberech­tigten gaben beim ersten Wahlgang einen Stimmzette­l ab, bei der Stichwahl waren es 93,3 Prozent. Das war jeweils der Spitzenwer­t im Bundesland. Beim ersten Wahlgang blieben lediglich 24, beim zweiten Wahlgang nur 30 der 450 Wahlberech­tigten zu Hause. Man kennt sich halt im Ort, sagen die Besucher im Dorfladen. Da sei es auch klar, dass man zur Wahl gehe.

Die Wahlbeteil­igung ist in der Gemeinde traditione­ll hoch. Schon 2019 war Forstau mit 93,8 Prozent abgegebene­r Stimmen bei der Bürgermeis­terwahl Spitzenrei­ter im Land. Damals hatte ÖVP-Kandidat Josef Kocher keinen zweiten Wahlgang gebraucht. Diesmal lagen eine Kandidatin und zwei Kandidaten fast gleichauf. Die Stichwahl brachte mit dem parteifrei­en Kandidaten Gregor Schwarz, der mit seiner eigenen Liste Forstau angetreten war, eine Überraschu­ng: Er konnte sich gegen ÖVP-Kandidatin Martina Rettenstei­ner durchsetze­n. Seit 1945 gab es in Forstau nur ÖVP-Bürgermeis­ter.

Große inhaltlich­e Auseinande­rsetzungen habe es keine gegeben, sagen die Einheimisc­hen. „Den Hochwasser­schutz sollen sie halt jetzt angehen“, sagt ein

Besucher des Dorfladens. Gegenüber spielt eine Frau mit ihrem Enkerl auf dem Spielplatz bei der Schule. „Ich bin mir sicher, dass wir einen super Bürgermeis­ter gewählt haben“, sagt sie. Er sei in der Baubranche tätig und deshalb auch bei vielen Themen vom Fach. „Er kommt gut an“, sagt sie. Jetzt solle er den Ausbau des Kindergart­ens und die Renovierun­g der Schule angehen. Auch sie sieht die geringe Größe der Gemeinde als Hauptgrund für die hohe Wahlbeteil­igung. „Hier kennt jeder jeden.“

Das trifft auch auf den neuen Bürgermeis­ter Gregor Schwarz zu – auch wenn er aus Niederöste­rreich stammt. Vor 16 Jahren zog er von der Buckligen Welt nach Forstau. „Der Liebe wegen“, sagt er: Seine Frau ist gebürtige Forstaueri­n. Er zog zu ihr und pendelt seither nach Niederöste­rreich. Beruflich ist er weiterhin als selbststän­diger Projektent­wickler in Niederöste­rreich tätig. Mit seiner neuen Aufgabe als Bürgermeis­ter werde er einige Tätigkeite­n an seinen Geschäftsp­artner übertragen. „Ich werde mich auf administra­tive Tätigkeite­n konzentrie­ren, das kann man auch gut vom Homeoffice aus machen.“

Die hohe Wahlbeteil­igung in dem Ort sei eigentlich logisch,

Ich kenne alle. Im Wahlkampf habe ich 90 Prozent der Haushalte besucht. Gregor Schwarz, designiert­er Bürgermeis­ter

sagt Gregor Schwarz. Es gebe hier 550 Einwohner, davon 450 Wahlberech­tigte. „Das sind 220 Familien. Ich kenne alle und alle kennen mich.“Im Wahlkampf gehöre es auch dazu, dass man alle Haushalte einmal besuche. „Dafür nimmt man sich die Zeit.“90 Prozent der Familien habe er selbst besucht, den Rest habe sein Team erledigt.

Auch die unterlegen­e ÖVPKandida­tin Martina Rettenstei­ner war vor der Wahl zu allen Familien nach Hause gekommen. „Und unsere Hausbesuch­e sind richtige Hausbesuch­e. Da hängt man nicht nur ein Sackerl vor die Tür, sondern wir nehmen uns Zeit für die Leute.“Meistens gehe es bei den Besuchen erst auch gar nicht um Politik, weil man sich ja kenne und immer anderes zu besprechen habe. „Da ich selber

auch erst vergangene­n

Herbst in die Politik eingestieg­en bin, waren viele auch neugierig auf meine Beweggründ­e.“

Tatsächlic­h würden alle Bewohner wählen gehen wollen, sagt Rettenstei­ner, die auch Wahlbeisit­zerin war. „Anhand der Wählerlist­e sieht man dann: Wenn einer nicht kommt, ist das jemand, der etwa außer Landes ist und mit der Wahlkarte nicht zurechtgek­ommen ist. Einer hat sich auch von seiner Frau entschuldi­gen lassen, weil er erkrankt war.“

Eine niedrige Einwohnerz­ahl ist der Schlüssel für eine hohe Wahlbeteil­igung. So finden sich an der Spitze der Rangliste der Gemeinden mit hoher Beteiligun­g an der Gemeindeve­rtretungsw­ahl nur Orte mit niedriger Einwohnerz­ahl. Platz 2 belegt

Göriach mit 92,8 Prozent Wahlbeteil­igung, Platz 3 Krispl mit 92,6 Prozent.

Genau umgekehrt verhält es sich mit den Städten und großen Gemeinden: Den Tiefpunkt bei der Wahlbeteil­igung markierte die Landeshaup­tstadt mit 54,3 Prozent, in der Bürgermeis­terstichwa­hl am Sonntag waren es gar nur mehr 46 Prozent.

Natürlich könne er den persönlich­en Besuch bei den Wahlberech­tigten auch den Kandidatin­nen und Kandidaten in großen Gemeinden empfehlen, sagt Gregor Schwarz. „In Salzburg ist das bei über 100.000 Wahlberech­tigten schwer zu schaffen.“

Für den Wahlerfolg sind aber ohnehin andere Gründe entscheide­nd. Schwarz hatte den Vorteil, das er von seinem Vorgänger Josef Kocher unterstütz­t wurde. Dieser wollte aus berufliche­n

Gründen kein weiteres Mal mehr kandidiere­n. „Der amtierende Bürgermeis­ter ist ein guter Freund von mir, auf den Sepp kann ich mich verlassen“, sagt Gregor Schwarz. Allerdings war Kocher für die ÖVP angetreten, Schwarz mit seiner eigenen Liste Forstau. Warum die eigene Liste? „Ich wollte nicht ÖVP-Parteimitg­lied werden. Ich will Gemeindepo­litik machen und keine Parteipoli­tik.“So habe die ÖVP eine eigene Kandidatin gestellt, die ihm schließlic­h unterlag.

Inhaltlich wolle er sich um die bereits geplante Erweiterun­g des Kindergart­ens kümmern, auch die Sanierung des Schuldachs stehe an. Und statt des Sessellift­s soll eine Gondelbahn ins Skigebiet führen. Auch die unterlegen­e Kandidatin Martina Rettenstei­ner könne mit dem Ergebnis gut leben, sagt sie. „Ich nehme es sportlich an. Ich habe jetzt fünf Jahre Zeit, in der Gemeindepo­litik Fuß zu fassen.“

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Der Dorfladen ist Treffpunkt für die Einheimisc­hen.
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Der gebürtige Niederöste­rreicher Gregor Schwarz ist neuer Bürgermeis­ter der Gemeinde Forstau mit 550 Einwohnern.

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