Wo jeder jeden kennt: Der Spitzenreiter bei der Wahlbeteiligung
Nur 30 von 450 Wahlberechtigten blieben in Forstau der Bürgermeisterstichwahl fern. Manche ließen sich entschuldigen.
FORSTAU. Es sind die letzten Tage der Skisaison in Forstau. Einige Urlauber fahren noch mit dem Zweiersessellift in das Skigebiet Fageralm, unten im Dorf ist vom Schnee keine Spur mehr. Gegenüber von Schule, Kindergarten und Wirtshaus gibt es seit einigen Jahren einen kleinen Dorfladen als Nahversorger für die 550 Einwohner der Gemeinde.
Hier verbringen drei Einheimische den Vormittag bei Verkäuferin Martina Buchsteiner. Es sei hier kein großes Thema, dass man seit dem vergangenen Wochenende einen neuen Bürgermeister habe, sagen sie. „Schreibts lieber über den Fritz Wepper“, sagt einer der Stammgäste. Wählen ist in dem Ort offenbar etwas, das man tut, aber worüber man nicht spricht.
Wenn gewählt wird, dann sind die Forstauerinnen und Forstauer fleißig. 94,7 Prozent der Wahlberechtigten gaben beim ersten Wahlgang einen Stimmzettel ab, bei der Stichwahl waren es 93,3 Prozent. Das war jeweils der Spitzenwert im Bundesland. Beim ersten Wahlgang blieben lediglich 24, beim zweiten Wahlgang nur 30 der 450 Wahlberechtigten zu Hause. Man kennt sich halt im Ort, sagen die Besucher im Dorfladen. Da sei es auch klar, dass man zur Wahl gehe.
Die Wahlbeteiligung ist in der Gemeinde traditionell hoch. Schon 2019 war Forstau mit 93,8 Prozent abgegebener Stimmen bei der Bürgermeisterwahl Spitzenreiter im Land. Damals hatte ÖVP-Kandidat Josef Kocher keinen zweiten Wahlgang gebraucht. Diesmal lagen eine Kandidatin und zwei Kandidaten fast gleichauf. Die Stichwahl brachte mit dem parteifreien Kandidaten Gregor Schwarz, der mit seiner eigenen Liste Forstau angetreten war, eine Überraschung: Er konnte sich gegen ÖVP-Kandidatin Martina Rettensteiner durchsetzen. Seit 1945 gab es in Forstau nur ÖVP-Bürgermeister.
Große inhaltliche Auseinandersetzungen habe es keine gegeben, sagen die Einheimischen. „Den Hochwasserschutz sollen sie halt jetzt angehen“, sagt ein
Besucher des Dorfladens. Gegenüber spielt eine Frau mit ihrem Enkerl auf dem Spielplatz bei der Schule. „Ich bin mir sicher, dass wir einen super Bürgermeister gewählt haben“, sagt sie. Er sei in der Baubranche tätig und deshalb auch bei vielen Themen vom Fach. „Er kommt gut an“, sagt sie. Jetzt solle er den Ausbau des Kindergartens und die Renovierung der Schule angehen. Auch sie sieht die geringe Größe der Gemeinde als Hauptgrund für die hohe Wahlbeteiligung. „Hier kennt jeder jeden.“
Das trifft auch auf den neuen Bürgermeister Gregor Schwarz zu – auch wenn er aus Niederösterreich stammt. Vor 16 Jahren zog er von der Buckligen Welt nach Forstau. „Der Liebe wegen“, sagt er: Seine Frau ist gebürtige Forstauerin. Er zog zu ihr und pendelt seither nach Niederösterreich. Beruflich ist er weiterhin als selbstständiger Projektentwickler in Niederösterreich tätig. Mit seiner neuen Aufgabe als Bürgermeister werde er einige Tätigkeiten an seinen Geschäftspartner übertragen. „Ich werde mich auf administrative Tätigkeiten konzentrieren, das kann man auch gut vom Homeoffice aus machen.“
Die hohe Wahlbeteiligung in dem Ort sei eigentlich logisch,
Ich kenne alle. Im Wahlkampf habe ich 90 Prozent der Haushalte besucht. Gregor Schwarz, designierter Bürgermeister
sagt Gregor Schwarz. Es gebe hier 550 Einwohner, davon 450 Wahlberechtigte. „Das sind 220 Familien. Ich kenne alle und alle kennen mich.“Im Wahlkampf gehöre es auch dazu, dass man alle Haushalte einmal besuche. „Dafür nimmt man sich die Zeit.“90 Prozent der Familien habe er selbst besucht, den Rest habe sein Team erledigt.
Auch die unterlegene ÖVPKandidatin Martina Rettensteiner war vor der Wahl zu allen Familien nach Hause gekommen. „Und unsere Hausbesuche sind richtige Hausbesuche. Da hängt man nicht nur ein Sackerl vor die Tür, sondern wir nehmen uns Zeit für die Leute.“Meistens gehe es bei den Besuchen erst auch gar nicht um Politik, weil man sich ja kenne und immer anderes zu besprechen habe. „Da ich selber
auch erst vergangenen
Herbst in die Politik eingestiegen bin, waren viele auch neugierig auf meine Beweggründe.“
Tatsächlich würden alle Bewohner wählen gehen wollen, sagt Rettensteiner, die auch Wahlbeisitzerin war. „Anhand der Wählerliste sieht man dann: Wenn einer nicht kommt, ist das jemand, der etwa außer Landes ist und mit der Wahlkarte nicht zurechtgekommen ist. Einer hat sich auch von seiner Frau entschuldigen lassen, weil er erkrankt war.“
Eine niedrige Einwohnerzahl ist der Schlüssel für eine hohe Wahlbeteiligung. So finden sich an der Spitze der Rangliste der Gemeinden mit hoher Beteiligung an der Gemeindevertretungswahl nur Orte mit niedriger Einwohnerzahl. Platz 2 belegt
Göriach mit 92,8 Prozent Wahlbeteiligung, Platz 3 Krispl mit 92,6 Prozent.
Genau umgekehrt verhält es sich mit den Städten und großen Gemeinden: Den Tiefpunkt bei der Wahlbeteiligung markierte die Landeshauptstadt mit 54,3 Prozent, in der Bürgermeisterstichwahl am Sonntag waren es gar nur mehr 46 Prozent.
Natürlich könne er den persönlichen Besuch bei den Wahlberechtigten auch den Kandidatinnen und Kandidaten in großen Gemeinden empfehlen, sagt Gregor Schwarz. „In Salzburg ist das bei über 100.000 Wahlberechtigten schwer zu schaffen.“
Für den Wahlerfolg sind aber ohnehin andere Gründe entscheidend. Schwarz hatte den Vorteil, das er von seinem Vorgänger Josef Kocher unterstützt wurde. Dieser wollte aus beruflichen
Gründen kein weiteres Mal mehr kandidieren. „Der amtierende Bürgermeister ist ein guter Freund von mir, auf den Sepp kann ich mich verlassen“, sagt Gregor Schwarz. Allerdings war Kocher für die ÖVP angetreten, Schwarz mit seiner eigenen Liste Forstau. Warum die eigene Liste? „Ich wollte nicht ÖVP-Parteimitglied werden. Ich will Gemeindepolitik machen und keine Parteipolitik.“So habe die ÖVP eine eigene Kandidatin gestellt, die ihm schließlich unterlag.
Inhaltlich wolle er sich um die bereits geplante Erweiterung des Kindergartens kümmern, auch die Sanierung des Schuldachs stehe an. Und statt des Sessellifts soll eine Gondelbahn ins Skigebiet führen. Auch die unterlegene Kandidatin Martina Rettensteiner könne mit dem Ergebnis gut leben, sagt sie. „Ich nehme es sportlich an. Ich habe jetzt fünf Jahre Zeit, in der Gemeindepolitik Fuß zu fassen.“