Tiertransporten nach Algerien auf der Spur
Im Vorjahr wurden 457 trächtige Kalbinnen von Salzburg direkt in Staaten außerhalb der EU exportiert. Ein Flachgauer Landwirt schildert, warum er Tiere nach Algerien verkauft hat.
SALZBURG. 81 trächtige Kalbinnen sind 2023 aus Salzburg nach Algerien verkauft worden. Und das, obwohl nach dem Tiertransportegesetz Algerien nicht auf der Liste der genehmigten Zielländer steht. Das geht aus einer Beantwortung von Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) hervor. Die Grünen hatten die Anfrage eingebracht. 457 trächtige Kalbinnen gingen insgesamt in EUDrittstaaten. Nicht berücksichtigt sind dabei jene, die über Oberösterreich oder Tirol ins Ausland gingen.
Tobias Giesinger und sein Recherchenetzwerk The Marker haben Transporte von Ried im Innkreis bis nach Algerien begleitet. Vor Ort entspreche die Behandlung der Zuchttiere nicht den EU-Standards. Kalbinnen würden nach dem Ortswechsel nur schwer wieder trächtig werden. Schächtungen erfolgen ohne Betäubung. Bilder und Videos dokumentieren das. Giesinger konnte beispielhaft zwei Rinder anhand der Ohrmarken bis zu ihrem Herkunftshof im Flachgau zurückverfolgen. Eine der trächtigen Kalbinnen wurde im Februar 2023 in Ried versteigert. Die zweite wurde im April 2023 per Lkw an den südfranzösischen Hafen Sete und von dort aus nach Algerien verschifft.
Der Flachgauer Landwirt bestätigt den SN die Verkäufe über den Fleckviehzuchtverband, will aber anonym bleiben. „Die Transporte sind streng geregelt, da sehe ich keine Probleme.“Die Bilder, die aus Algerien gezeigt wurden, seien für ihn nicht schön, wie er sagt. „Wenn wirklich Schindluder vor Ort getrieben
„Jedes exportierte Tier ist eines zu viel.“Kimbie Humer-Vogl, Grüne (Bild: SN/RATZER)
wird, kann ich das als Bauer nicht gutheißen. Aber ich vertraue auf die Kontrollen des Verbands.“Warum er sich überhaupt dazu entscheide, Kalbinnen nach Algerien zu verschicken, habe folgenden Grund: „Wenn alle Kälber innerhalb der EU bleiben würden, hätten wir noch mehr Milch, das würde den Milchpreis weiter drücken. Das ist dann nicht mehr lukrativ.“In Algerien sei der Absatzmarkt gut, es gehe darum, dort eine Zucht aufzubauen und die Menschen zu ernähren.
Hermann Schwärz, Obmann der Fleckviehzüchter Salzburg, drückt es pathetischer aus: „Wir stillen den Hunger in anderen Ländern.“Er spricht von Unwahrheiten, die verbreitet würden: „Wir versuchen die Tiertransporte so transparent wie möglich abzuwickeln, besuchen Betriebe vor Ort – auch in Algerien. Ich habe ein gutes Gefühl bei
den Verkäufen, sonst würden wir das nicht machen.“Es würden auch Überlegungen angestellt, wie man das Kalbfleisch im Inland besser verwerten könnte. Man müsse aber Druck von den heimischen Bauern nehmen, dafür würden Herkunftsbezeichnungen bei Lebensmitteln auch in der Gastronomie helfen, sagt Schwärz.
In dieselbe Kerbe schlägt Thomas Edenhauser vom Zuchttierverband Salzburg: „Es wird so viel importiert nach Österreich, da fragt niemand nach der Haltung,
gleichzeitig gibt es immer mehr Auflagen für die heimischen Bauern. Eine Herkunftsbezeichnung in der Gastro würde die Landwirte entlasten.“Das wird von ÖVP und Wirtschaftskammer bisher nicht unterstützt.
Die grüne LAbg. Kimbie Humer-Vogl fordert neben der Kennzeichnungspflicht eine Nichtexport-Prämie für Landwirte. „Tierexporte in Staaten, in denen Tierwohl ein Fremdwort ist, gehören verboten.“
Landesrat Josef Schwaiger sei selbst überrascht gewesen von
der Anzahl an Kalbinnen, die aus Salzburg nach Algerien exportiert wurden. „Ich habe das nicht gewusst.“Es sei wichtig, zwischen Zucht- und Schlachttieren zu unterscheiden: „Es geht darum, dort Herden aufzubauen. Das wird in Algerien vom Staat stark gefördert. Die Haltungsfrist beträgt nach dem Gesetz fünf Jahre, bevor Tiere geschlachtet werden dürfen. Sonst müsste die Förderung zurückgezahlt werden.“Außerdem seien die 81 Tiere im Verhältnis zu sehen: „Wir haben 158.000 Rinder in 5600
Betrieben in Salzburg.“Jährlich werden 80.000 Kälber geboren, davon etwa 15.000 exportiert – der Großteil nach Italien, Polen und Spanien. Dennoch räumt Schwaiger ein strukturelles Problem ein: „Wir haben auch durch den hohen Grünlandanteil in der Landwirtschaft (97 Prozent zu 3 Prozent Acker) einen Überschuss an Rindern.“Es brauche ein strengeres Regulativ, engmaschigere Kontrollen – auch im Zielland. Forderungen nach Herkunftsbezeichnungen in der Gastronomie sieht Schwaiger kritisch: „Das ist ein enormer bürokratischer Aufwand für Wirte und Landwirte.“
Die Recherchen von The Marker ergaben, dass sich die Haltungspflicht von fünf Jahren in Algerien bei Landwirten kaum herumgesprochen habe. Der Herdenaufbau funktioniere nicht: Laut dem Statistikamt vor Ort sind die Herdenzahlen seit Jahren sogar rückläufig.