Soll die EU in den Medaillenspiegel?
Österreichische Diplomaten machen unkonventionelle Vorschläge dafür, wie man „Europa lieben lernen“kann.
Wie ist Europa zu retten? Diese Frage treibt eine Gruppe von heimischen Diplomaten um, die auch noch im Ruhestand für Europa „brennen“. Laut dem Botschafter Michael Breisky droht Europa, wenn es sich nicht am Riemen reiße, ein „trauriger Wurmfortsatz anderer Erdteile“zu werden. Die Zeiten, da der Rest der Welt Europa bewundert oder gefürchtet habe, seien längst vorbei.
Das Hauptproblem sieht Breisky darin, dass sich die Bürger zu wenig mit Europa identifizieren und sich daher auch zu wenig für ihre größere Heimat einsetzen. Die EU habe es nicht geschafft, ein europäisches Selbstbewusstsein aufzubauen, das auch nur annähernd mit dem Nationalbewusstsein der Mitgliedsstaaten
vergleichbar sei, bemerkt der Diplomat. Deshalb könne die EU, die als gesichtslose und unüberschaubare Bürokratie wahrgenommen werde, nicht mit Solidarität und Handlungsbeiträgen ihrer Bürger rechnen.
Um das zu ändern, arbeiten Breisky und seine Kollegen derzeit an einem Buch, in dem sie Wege aufzeigen wollen, wie man „Europa lieben lernen“könnte. Mit rechtlichen Werten allein sei das nicht zu schaffen. Daher machen sie zwölf praktische Vorschläge.
Zum Beispiel schlagen sie vor, dass im Medaillenspiegel bei Olympischen Spielen nicht nur die einzelnen EU-Staaten ausgewiesen werden, die gegenüber den großen USA und China weit im Hintertreffen sind, sondern auch die EU als Ganzes. Sie wäre dann oft auf Platz eins, was vor allem bei der Jugend die europäische Gesinnung fördern würde, meint Breisky.
Zum gleichen Zweck möchte er alle zehn bis zwanzig Jahre ein „Dreigestirn vorbildlicher Europäer“wählen lassen. Allein durch die Wahl der drei Persönlichkeiten und die öffentliche Diskussion darüber würden die europäischen Werte verbreitet, hofft der Diplomat. Persönlich würde er sich das Dreigestirn Mozart, Papst Johannes XXIII. und Anne Frank wünschen.
Apropos Mozart: Breisky möchte neben der offiziellen Europahymne auch eine Jugendhymne einführen, die in jedem Mitgliedsland mit eigenem Text, aber zu einer gemeinsamen Melodie gesungen wird. Als diese Melodie schwebt Breisky Mozarts „Nun vergiss leises Fleh’n“aus dem „Figaro“vor.
Weiters schlagen die Diplomaten Aufsatz-, Rede- und Blog-Wettbewerbe zu europäischen Themen sowie den Ausbau europäischer Jugendprogramme wie Erasmus vor. Politisch fordern sie die Aufwertung des in der EU ein Schattendasein führenden Ausschusses der Regionen. Das soll die EU bürgernäher und übersichtlicher machen. Auch würde damit das in der EU schwer unterentwickelte Subsidiaritätsprinzip („Oben macht nur, was Unten nicht kann“) betont.
Grundsätzlich ist Breisky überzeugt, dass es nur im ständigen Diskurs und „auf Basis des christlichhumanistischen Erbes“gelingen kann, die EU in den Herzen der Bürger zu verankern und so zu stärken.
Er zitiert den verstorbenen Kommissionspräsidenten Jacques Delors, der 1992 gemeint hatte, Europa könne nicht allein auf rechtlichen und ökonomischen Beinen stehen. Wenn es nicht gelinge, Europa eine geistige, spirituelle Dimension zu geben, sei die europäische Integration verschwendete Zeit.