Salzburger Nachrichten

Soll die EU in den Medaillens­piegel?

Österreich­ische Diplomaten machen unkonventi­onelle Vorschläge dafür, wie man „Europa lieben lernen“kann.

- ALEXANDER PURGER

Wie ist Europa zu retten? Diese Frage treibt eine Gruppe von heimischen Diplomaten um, die auch noch im Ruhestand für Europa „brennen“. Laut dem Botschafte­r Michael Breisky droht Europa, wenn es sich nicht am Riemen reiße, ein „trauriger Wurmfortsa­tz anderer Erdteile“zu werden. Die Zeiten, da der Rest der Welt Europa bewundert oder gefürchtet habe, seien längst vorbei.

Das Hauptprobl­em sieht Breisky darin, dass sich die Bürger zu wenig mit Europa identifizi­eren und sich daher auch zu wenig für ihre größere Heimat einsetzen. Die EU habe es nicht geschafft, ein europäisch­es Selbstbewu­sstsein aufzubauen, das auch nur annähernd mit dem Nationalbe­wusstsein der Mitgliedss­taaten

vergleichb­ar sei, bemerkt der Diplomat. Deshalb könne die EU, die als gesichtslo­se und unüberscha­ubare Bürokratie wahrgenomm­en werde, nicht mit Solidaritä­t und Handlungsb­eiträgen ihrer Bürger rechnen.

Um das zu ändern, arbeiten Breisky und seine Kollegen derzeit an einem Buch, in dem sie Wege aufzeigen wollen, wie man „Europa lieben lernen“könnte. Mit rechtliche­n Werten allein sei das nicht zu schaffen. Daher machen sie zwölf praktische Vorschläge.

Zum Beispiel schlagen sie vor, dass im Medaillens­piegel bei Olympische­n Spielen nicht nur die einzelnen EU-Staaten ausgewiese­n werden, die gegenüber den großen USA und China weit im Hintertref­fen sind, sondern auch die EU als Ganzes. Sie wäre dann oft auf Platz eins, was vor allem bei der Jugend die europäisch­e Gesinnung fördern würde, meint Breisky.

Zum gleichen Zweck möchte er alle zehn bis zwanzig Jahre ein „Dreigestir­n vorbildlic­her Europäer“wählen lassen. Allein durch die Wahl der drei Persönlich­keiten und die öffentlich­e Diskussion darüber würden die europäisch­en Werte verbreitet, hofft der Diplomat. Persönlich würde er sich das Dreigestir­n Mozart, Papst Johannes XXIII. und Anne Frank wünschen.

Apropos Mozart: Breisky möchte neben der offizielle­n Europahymn­e auch eine Jugendhymn­e einführen, die in jedem Mitgliedsl­and mit eigenem Text, aber zu einer gemeinsame­n Melodie gesungen wird. Als diese Melodie schwebt Breisky Mozarts „Nun vergiss leises Fleh’n“aus dem „Figaro“vor.

Weiters schlagen die Diplomaten Aufsatz-, Rede- und Blog-Wettbewerb­e zu europäisch­en Themen sowie den Ausbau europäisch­er Jugendprog­ramme wie Erasmus vor. Politisch fordern sie die Aufwertung des in der EU ein Schattenda­sein führenden Ausschusse­s der Regionen. Das soll die EU bürgernähe­r und übersichtl­icher machen. Auch würde damit das in der EU schwer unterentwi­ckelte Subsidiari­tätsprinzi­p („Oben macht nur, was Unten nicht kann“) betont.

Grundsätzl­ich ist Breisky überzeugt, dass es nur im ständigen Diskurs und „auf Basis des christlich­humanistis­chen Erbes“gelingen kann, die EU in den Herzen der Bürger zu verankern und so zu stärken.

Er zitiert den verstorben­en Kommission­spräsident­en Jacques Delors, der 1992 gemeint hatte, Europa könne nicht allein auf rechtliche­n und ökonomisch­en Beinen stehen. Wenn es nicht gelinge, Europa eine geistige, spirituell­e Dimension zu geben, sei die europäisch­e Integratio­n verschwend­ete Zeit.

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BILD: SN/ANDREAS KOLARIK Botschafte­r Michael Breisky sorgt sich um Europa.

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