Einmal Krieg und zurück
Warum die Salzburgerin Barbara Braunstein ihre Komfortzone verließ, um für die israelische Armee zu arbeiten.
Das gelbe Band zieht Barbara Braunstein durch ihre Finger. Es ist ein kleines, aber für sie bedeutendes Mitbringsel. Die Salzburgerin war in Tel Aviv, auf dem Platz vor dem Museum of Art herrscht seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober eine Art Mischung aus Gedenkstätte und Protestcamp. Dort stehen Angehörige der Geiseln, machen auf das Schicksal ihrer Liebsten aufmerksam. Dort ging auch Barbara Braunstein entlang, berührt, getroffen. Wie damals vor fünf Monaten.
„Ich habe Freunde in Israel, viele von ihnen kennen jemanden, der Opfer des Massakers wurde“, sagt die 50-Jährige. „Ein Freund von mir ging allein an einem Tag auf vier Beerdigungen.“Auch Tausende Kilometer weit entfernt, in Salzburg, war diese tiefe Trauer spürbar in dem Land, wo für sie „ihre halbe Seele lebt“. Gut zwei Wochen nach dem Massaker hatte sie geplant, nach Israel zu fliegen, gemeinsam mit ihrem Sohn, der dort seinen 13. Geburtstag feiern sollte. Der Flug wurde storniert. Und ließ die Salzburgerin auch mit einer Hilflosigkeit zurück, sie konnte nicht direkt für ihre Freunde vor Ort da sein.
Für Barbara Braunstein war schnell klar: „Ich will den ersten Flieger nehmen, der nach Israel geht.“Sie will helfen. Und entschied sich dafür, beim sogenannten Sar-El-Programm der israelischen Verteidigungskräfte teilzunehmen. Bereits seit 30 Jahren gibt es dieses Freiwilligen-Projekt, das die Armee logistisch unterstützt und Helfer aus dem Ausland nach Israel bringen soll. Doch die Entscheidung konnte sie nicht allein treffen. Ihr Sohn war besorgt, kurzfristig wischte sie den Gedanken beiseite. „Bis dann mein Sohn meinte: ,Mama, mach es, ich bin stolz auf dich.‘ Das war ein schönes Gefühl“, sagt sie und lächelt.
Anfang März ging der Flieger nach Tel Aviv. Bereits am Flughafen wurde die Gruppe aus rund 60 Freiwilligen aus aller Welt abgeholt. Und dann ging es in die Wüste, in die Nähe von Be’er Sheva zur Hatzerim Airbase.
Stockbett statt Doppelbett. Zelt statt Haus. Zwei Duschen für 30 Frauen statt eines Badezimmers für sich. „Natürlich muss man ein Stück seine Komfortzone verlassen.“Und kaum, dass die Freiwilligen auf der Militärbasis ankamen, hieß es: Ran an die Arbeit. „Frauen und Männer werden im Militär getrennt. Selbst Ehepaare, die gemeinsam angereist sind.“
Die Freiwilligen waren im Logistikzentrum tätig. Sie packten Essensrationen, Blutkonserven, Medikamente und jeden Freitag ein Schabbat-Paket mit einer Challa, einem traditionellen Hefezopf. Die Helferinnen hinterließen auf Hebräisch Grußworte an die Soldatinnen und Soldaten. „Für mich war es nicht wie Arbeit“, sagt sie. „Wir 30 Frauen hatten sehr viel Spaß. Und wir hatten alle die gleiche Motivation: zu helfen.“Die Salzburgerin war unter den Freiwilligen auf der Militärbasis die einzige Österreicherin. Eigentlich. „Unter den Freiwilligen war auch ein älterer Herr – ein Australier, der aber seine ersten zwei
Jahre in Österreich verbracht hatte und dessen Eltern vor den Neonazis flüchteten. Als er merkte, dass er mit mir deutsch sprechen konnte, ist er in Tränen ausgebrochen.“
Es waren die Treffen mit den Menschen vor Ort, die die Österreicherin tief berührten. An einem Abend sind die Freiwilligen auf einer Militärbasis in Ofakim zu einer Party eingeladen. „Das ist der Ort, von wo aus Soldaten direkt nach Gaza geschickt werden oder gerade zurückkommen.“Die Feier war zum Empfang von Soldaten, die gerade zurückkamen. Die Stimmung sei aufgeregt gewesen, ein berühmter israelischer Sänger gab ein Konzert, doch diese Nacht konnte die Salzburgerin nicht schlafen. „Ich hatte in die Gesichter der Soldaten gesehen, das waren noch Kinder. Und das Einzige, was ich dachte: Das könnte mein Sohn sein.“
Angst habe sie aber in der Zeit auf der Militärbasis nie gehabt. Obwohl sie nachts im Zelt die Kämpfe hören konnte. Als Barbara Braunstein nach 14 Tagen Freiwilligendienst auf ihrer Rückreise in Tel Aviv Stopp machte, schien ihr alles wie bei ihren früheren Besuchen. „Die Leute feiern, die Normalität ist zurückgekehrt. Aber das Massaker hat eine tiefe Wunde hinterlassen.“In jedem Café, Hotel, Museum werde gleich nach Eintritt erklärt, wo sich der Schutzraum befinde und wie lange man vom Start der Sirene bis zum potenziellen Einschlag dahin brauche.
Und als sie die letzten Nächte in Israel in ein Hotel eincheckte, fragte die Rezeptionistin, wieso sie sich in Israel aufgehalten habe. „Als ich ihr von der Freiwilligenarbeit erzählt habe, brach sie in Tränen aus und sagte nur: Danke, danke, danke.“
„Das Einzige, was ich dachte: Das könnte mein Sohn sein.“Barbara Braunstein, 50 Jahre