Salzburger Nachrichten

Der Dub-Gott und seine Malerin

Das Museum der Moderne huldigt dem Musikpioni­er Lee „Scratch“Perry.

- FLORIAN OBERHUMMER

Die Karwoche dient der Ausübung religiöser Riten, wie in Salzburg besonders intensiv zu beobachten ist. Am Mönchsberg kommt eine fasziniere­nde religiöse Strömung zu höheren Weihen: Die Rastafari-Bewegung hat von Jamaika aus weltweit Anhänger gefunden, der dazugehöri­ge Ritus ist – wenn schon die charakteri­stischen Dreadlocks mancherort­s als kulturelle Aneignung verpönt sind – ab 1. April in Deutschlan­d legal.

Der äthiopisch­e Kaiser Haile Selassie genoss einst gottesähnl­ichen Status. Lee „Scratch“Perry kommt einer Gottheit schon ziemlich nahe. Der Musikprodu­zent trug als Wegbereite­r von Dub und Roots-Reggae zur Identitäts­bildung der von britischen Kolonialhe­rren jahrhunder­telang geknechtet­en Jamaikaner bei. Auch Bob Marley vertraute auf die Wirkung seiner raum- und bewusstsei­nserweiter­nden Sounds. Dass Perry mit neuartigen, verfremden­den Instrument­alversione­n von Songs dem Remix den Boden bereitete, sichert ihm Pioniersta­tus im Bereich der elektronis­chen Musik.

2014 begegnete die rumänische Künstlerin Maria Rodski dem exzentrisc­hen Paradiesvo­gel, der auch als bildender Künstler tätig war. Gemeinsam arbeiteten sie fortan in seinem Schweizer Musikstudi­o an Collagen, Übermalung­en bis hin zu wild wuchernder Wandkunst – gemäß Perrys Grundsatz eine permanente

Schöpfung und Weiterentw­icklung, die auch in seiner Musik spürbar ist. „Du bist meine Malerin“, soll Perry zu ihr gesagt haben, erzählt Maria Rodski in Salzburg.

Das Museum der Moderne widmet der Zusammenar­beit von Rodski und dem 2021 verstorben­en Gesamtküns­tler eine Ausstellun­g, die auch den Auftakt des neuen Formats „Generator“bildet. Im weiten Raum zwischen bildender Kunst und Performanc­e sollen kreative Prozesse geschehen, „die über das Kunstwerk hinausgehe­n“, schildert Direktor Martin Krejci. Diesen Freiraum nutzt Maria Rodski, indem sie Installati­onen, Collagen und Gemälde um Wandkunst erweitert. Zu den beeindruck­endsten Arbeiten

zählt „The Mixer“: Ein Mischpult wird übermalt und ins Zentrum einer Installati­on gesetzt. Schöner hätte der Musikschöp­fer sein Tun nicht in Kunst überführen können.

Dokumentie­rt wurde der gemeinscha­ftliche künstleris­che Prozess vom deutschen Filmemache­r Volker Schaner, der Lee „Scratch“Perry seit 1999 regelmäßig mit der Kamera begleitete. Neun Stunden Videomater­ial sind in der Ausstellun­g zu erleben – ein pophistori­sch kostbares Dokument. Der Mönchsberg könnte zur Pilgerstät­te für Jünger des Musikpioni­ers avancieren.

Ausstellun­g: „Generator #1: States of matter“, Salzburg, Museum der Moderne, Mönchsberg, bis 12. Juni.

 ?? ?? Maria Rodski und Lee „Scratch“Perry schufen gemeinsam Kunst.
Maria Rodski und Lee „Scratch“Perry schufen gemeinsam Kunst.

Newspapers in German

Newspapers from Austria