Benkos Familienstiftung pleite
Eine Privatstiftung in Insolvenz: Im Fall René Benko passiert, was im Wirtschaftsleben sonst kaum vorkommt.
Die Reihe der Insolvenzen im Reich des Immobilienentwicklers René Benko reißt nicht ab: Nach dem Konkursverfahren über Benko als Einzelunternehmer hat am Gründonnerstag die Familie Benko Privatstiftung – die substanzielle Beteiligungen an der Signa Holding hält, an der die Signa-Kerngesellschaften Prime und Development hängen – beim Innsbrucker Landesgericht Insolvenz angemeldet. Zum Masseverwalter wurde der Innsbrucker Rechtsanwalt Herbert Matzunski bestellt, der bereits Großverfahren wie den Konkurs des FC Tirol abgewickelt hat.
Stiftungen werden selten insolvent. In Tirol sei ihm in 15 Jahren beim Kreditschutzverband KSV keine einzige bekannt, sagt Insolvenzexperte Klaus Schaller, überraschend sei es im Fall von Benkos Familienstiftung nicht. Auch Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbands Creditreform, kann sich namentlich an keine Fälle erinnern.
Dem Insolvenzantrag zufolge ist die – 2001 eingerichtete – Familie Benko Privatstiftung mehrfach überschuldet. Konkret werden die offenen Verbindlichkeiten (gegenüber 25 Gläubigern) mit 854 Mill. Euro angegeben. Ein Großteil dieser Verbindlichkeiten, nämlich knapp 700 Mill. Euro, sollen sich auf Verbindlichkeiten aus Optionsverträgen im Insolvenzfall beziehen. Laut KSV erwartet der Stiftungsvorstand, dass dieser Bereich deutlich geringer ausfallen werde. Bei den Verbindlichkeiten sei aber nicht berücksichtigt, dass die Privatstiftung Mitbeklagte in zwei Schiedsverfahren mit einem Streitwert von rund einer Mrd. Euro ist. Inkludiert seien in den Verbindlichkeiten knapp 50 Mill. Euro an Kreditverbindlichkeiten und etwas über 20 Mill. Euro an „Intercompany“-Verbindlichkeiten, also Schulden bei Signa-Gesellschaften.
An Aktiva sollen 21,5 Mill. Euro vorhanden sein, die jedoch fast zur
Gänze aus Forderungen innerhalb der Signa-Gruppe bestehen, deren Einbringlichkeit unklar ist. Der Stiftungsvorstand gehe von einem Liquidationswert von rund zwei Millionen Euro aus. Liegenschaften gibt es demnach keine, und die Beteiligung an der Signa Holding ist mit null bewertet.
Die Privatstiftung selbst erklärte: Man habe teils auch Finanzierungsaufgaben übernommen. Der Sanierungsplan für Signa Prime und Development schlage sich „jedoch nicht unmittelbar in einer substanziellen Werthaltigkeit“der Beteiligungen der Stiftung nieder. Das minimiere ihre Sanierungsaussichten. Außergerichtliche Sanierungsbemühungen seien „nicht in ausreichendem Maße erfolgreich“gewesen.
Die Gläubigerschutzverbände hoffen weiter auf eine Klärung der tatsächlichen Vermögenssituation des Gründers des bröckelnden Immobilienimperiums und zur Frage, ob es Vermögensbewegungen in Richtung Benkos Privatstiftungen – die Familienstiftung ist nur eine davon – gegeben haben könnte.
Im Konkurs über Benko als Unternehmer haben sich bis vergangene Woche laut KSV keine Gläubiger gemeldet, die Anmeldefrist läuft bis 10. April. Ob ein vollständiges Vermögensverzeichnis vorgelegt wurde, ist nicht bekannt. Die „Tiroler Tageszeitung“berichtete am Wochenende, Benko habe nur ein karges Vermögen angegeben. Er sei auf die Hilfe seiner Mutter angewiesen, gehe aus dem Bericht des Insolvenzverwalters hervor. Als Beschäftigter zweier seiner Firmen verdiene er monatlich 3700 Euro. Den Lebensunterhalt könne er „nur durch die Unterstützung seiner Familie (insbesondere seiner Mutter) bestreiten“. Bankkonten weisen Guthaben „in relativ geringer Höhe“auf.
Vor der Implosion der SignaGruppe verdiente Benko bis November 2023 monatlich 60.480 Euro brutto und bezog eine jährliche Prämie von 2,5 Prozent der Vorsteuer-Ergebnisse der Signa-Holding, die einst bis zu einer Milliarde Euro Gewinn schrieb und über Beraterverträge mit Signa-Firmen jährlich 200.000 bis 300.000 Euro an Honoraren. 2019 waren es 25 Mill. Euro.
Dass Immobilien viel an Wert verloren hätten, dass Beteiligungen infolge der Pleiten nichts mehr wert seien – all das ist für den Innsbrucker Wirtschaftsprofessor und Momentum-Mitbegründer Leonhard Dobusch nachvollziehbar. „Wo aber ist das ganze Geld, das in den vielen Jahren, als das Geschäft boomte und expandierte, an Dividenden und Erträgen ausgeschüttet wurde?“Das, so Dobusch, könne nicht verschwunden sein. Es brauche jetzt eine umfassende juristische Aufarbeitung, auch dem Verdacht „illegaler Karussellfinanzierung“müsse nachgegangen werden. Zuletzt hatten „News“und „Krone“berichtet, dass Benko noch im Sommer 2023 im Signa-Konglomerat 35 Mill. Euro verschoben und als frisches Kapital der Holding ausgewiesen hat, um die Miteigentümer zu einer dringend benötigten Kapitalspritze zu bewegen. Benko-Anwalt Norbert Wess nannte den Bericht „einseitig, verkürzt und aus dem Zusammenhang gerissen“.
Dobusch fragt sich, ob fragwürdige Transaktionen nur kurz vor der Zahlungsunfähigkeit oder schon vorher stattgefunden hätten. Dass teils Protokolle zu Sitzungen und Unterlagen im Zuge der Aufarbeitung nicht mehr auffindbar seien, nennt er hanebüchen. Ein Insider vermutet in den Insolvenzanträgen den Plan Benkos, Ansprüche von sich und seiner Familie möglichst fernzuhalten. Die Frage sei: „Wo ist der Tresor?“– sprich: In welcher Stiftung liegt noch Vermögen? Seit voriger Woche ermittelt die Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Sachen Signa. Es gilt die Unschuldsvermutung.