Ist Intervallfasten ungesund und ist Apfelessig ratsam?
Zeitlich begrenztes Fasten, das bisher als gesund galt, soll sich negativ auf Herz und Kreislauf auswirken. Ist da etwas dran? Und wer sollte dem Trend, in der Früh Apfelessig zu trinken, lieber nicht folgen?
Die Fastenzeit neigt sich dem Ende zu. Immer mehr Menschen wählen aber dauerhaft den Verzicht, etwa indem sie Frühstück oder Abendessen auslassen. Beim Intervallfasten, dem aktuell wohl stärksten Trend in der Ernährungsmedizin, werden – anders als bei längeren Fastenkuren – regelmäßig Essenspausen eingelegt. Besonders beliebt ist die 16:8-Methode, bei der man nur innerhalb von acht Stunden isst und anschließend 16 Stunden fastet. Das soll nicht nur beim Abnehmen helfen, sondern äußerst gesund sein. Es könne vor Krankheiten wie Herzinfarkt und Schlaganfall schützen und sogar Krebszellen abtöten, lautete bisher der Stand der Wissenschaft.
Eine neue Studie besagt jedoch: Menschen, die Intervallfasten, hätten ein höheres Sterberisiko. Forscher der Shanghai Jiao Tong University untersuchten die Essgewohnheiten von mehr als 20.000 US-Amerikanerinnen und -Amerikanern. Sie kamen zu dem Schluss, dass Menschen, die täglich nur innerhalb von acht Stunden oder weniger essen, ein um 91 Prozent höheres Risiko haben, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu versterben. Leiden Personen bereits an einer solchen Erkrankung und essen innerhalb von zehn Stunden pro Tag oder weniger, liege das Risiko bei 66 Prozent. Und: Das Risiko, an Krebs zu sterben, sei geringer, wenn der Zeitraum der Essensaufnahme mehr als 16 Stunden pro Tag betrage.
Ist beim Intervallfasten also Vorsicht angebracht – oder ist davor gar abzuraten? Expertinnen und Experten geben Entwarnung: Die Studie lasse keine echten Schlussfolgerungen über das Sterberisiko durch Intervallfasten zu. Etwa der Mediziner Andreas Michalsen, Professor für Naturheilkunde an der Charité Berlin und international anerkannter Experte zum Thema Fasten, sagt, er schätze epidemiologische
Studien in dem Kontext als „absolut unzuverlässig“ein. Er betont, der Aussagewert der Studie in Bezug auf intermittierendes, also zeitlich beschränktes, Fasten sei gering. Und: „Am meisten irritiert, dass bei der Studie eine Beobachtungsdauer von acht bis elf Jahren vorliegt.“Denn Intervallfasten werde erst seit rund drei bis fünf Jahren breiter praktiziert. Demnach sei davon auszugehen, dass die untersuchten Personen die Mahlzeiten aus anderen Gründen ausgelassen haben.
Auch Monika Bröder, Leitende
Diätologin am Uniklinikum Salzburg, sagt: „Es wurde nicht erhoben, warum nur innerhalb von acht Stunden gegessen wurde. Eine Rolle spielen könnten Zeitmangel oder Krankheit, was die erhöhte Sterblichkeit erklären könnte.“Auch Tilman Kühn, Professor für Public Health an der Uni Wien, sagt: „Die Studie beweist nicht, dass Intervallfasten das Mortalitätsrisiko erhöht.“Bröder sagt, es würden bisher zwar Langzeitstudien zu den Auswirkungen des Intervallfastens fehlen, „aus heutiger Sicht scheint es aber keine Nachteile zu haben“.
Doch wie funktioniert Intervallfasten überhaupt? Die Diätologin erläutert: „Durch den Nahrungsverzicht wird der Stoffwechsel angekurbelt und der Körper greift auf vorhandene Energiereserven zu.“Dabei werde unter anderem das Leberfett entleert. „Wird der Blutzuckerspiegel nicht ständig durch Essen erhöht, kommt es zu einer geringeren Ausschüttung von Insulin.“Essenspausen von mindestens vier bis fünf Stunden, also auch Intervallfasten, seien durchaus effektiv. Zudem führe das regelmäßige Unterbrechen der Nahrungsaufnahme zu einer Art Selbstreinigung der Zellen, der Autophagie. Dass dieser Effekt zur Lebensverlängerung und zum Schutz vor Tumoren beitragen kann, zeigen Versuche an Mäusen. Aus diesem Grund wird angenommen, dass (zeitlich begrenztes) Fasten beim Menschen lebensverlängernd wirken könnte. „Für den Menschen lässt sich das noch nicht beweisen, aber dazu wird gerade viel geforscht“, sagt Bröder. Dies würde auch die Vita so mancher Persönlichkeit, der ein langes Leben gewährt wurde, nahelegen: „Kardinal König, der nach 15 Uhr nichts mehr gegessen hat, wurde 98 Jahre alt.“
Es gibt verschiedene Methoden des Intervallfastens: Die erwähnte 16:8-Methode ist am weitesten verbreitet. Bei der 5/2-Methode wird an zwei Tagen pro Woche auf Essen verzichtet und an den anderen Tagen normal gegessen. „All diese Methoden haben gemeinsam, dass sie nicht mit Nachteilen und Gefahren verbunden sind“, sagt Bröder. Die Diätologin betont aber, dass Personen mit Vorerkrankungen
es ärztlich abklären sollten, bevor sie eine Diät, also auch Intervallfasten, beginnen. Das gelte etwa für insulinpflichtige Diabetiker. Vom Intervallfasten abraten würde sie aber auch Menschen mit schweren Nieren- oder Lebererkrankungen oder jenen mit zehrenden, chronischen Krankheiten. „Etwa sollten Menschen mit Tumorerkrankungen bewusst häufig essen, um ausreichend mit Nährstoffen und Energie versorgt zu sein.“Bei Patienten mit akuten Tumorerkrankungen gelte es, eine Gewichtsabnahme möglichst zu verhindern. Denn es habe sich gezeigt, dass mit einem höheren BMI auch eine höhere Überlebenschance einhergehe, erklärt Bröder.
Ebenfalls im Internet gehypt wird der Tipp, Apfelessig auf nüchternen Magen zu trinken. Menschen mit Magenbeschwerden wie Gastritis und Sodbrennen (Reflux) oder Entzündungen der Speiseröhre sei dies nicht zu empfehlen, warnt Bröder. Alle anderen könnten aber ein bis zwei Teelöffel Essig, verdünnt in einem Glas Wasser, trinken – das soll den Stoffwechsel ankurbeln und das Immunsystem stärken. „Wissenschaftlich erwiesen ist aber lediglich die entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung“, sagt Bröder. Da die Säure den Zahnschmelz angreift, sollte man den Essig mit Strohhalm trinken, anschließend 30 Minuten lang nicht Zähne putzen, sondern den Mund nur mit Wasser ausspülen.