„S-Link ist der Knackpunkt der Regierung“
Anna Schiester will mehr Platz für Busse und Radwege schaffen. Der Rotkreuz-Parkplatz soll in fünf Jahren Geschichte sein.
SALZBURG-STADT. Bei der Gemeinderatswahl in der Stadt Salzburg ist die Bürgerliste mit einem blauen Auge davongekommen. Mit 12,7 Prozent der Stimmen hielt sich das Minus mit 2,5 Prozentpunkten im Vergleich zu 2019 in Grenzen. Anna Schiester muss das Bauressort zwar abgeben, ist dafür künftig für Stadtentwicklung, Verkehr und Umwelt zuständig.
SN: Frau Schiester, wann sperren Sie nun das Neutor?
Anna Schiester: Ich werde das Neutor gar nicht sperren. Für Busse, Lieferverkehr, Anrainer wird es weiterhin offen sein. Eine Verkehrsberuhigung wird sich automatisch mit der Sanierung der Festspielhäuser ergeben. Wir stehen für eine Verkehrsberuhigung in der Innenstadt, davon sind wir nicht abgewichen. Was das konkret heißt, muss man schauen. In den nächsten fünf Jahren muss das umgesetzt sein:
eine Verkehrsberuhigung in der Innenstadt und eine Neugestaltung der Plätze dort.
SN: Also lassen auch Sie das Problem von den Salzburger Festspielen lösen – warum warten?
Von uns aus jederzeit gerne, aber dafür braucht es Mehrheiten, die sehe ich noch nicht. Man könnte das schrittweise andenken, mit einer Durchfahrtssperre vom Rotkreuz-Parkplatz bis zur Staatsbrücke. Das ließe sich ohne bauliche Maßnahmen umsetzen. Den Rotkreuz-Parkplatz auflassen und dort einen Park anzulegen – dafür sehe ich eine Mehrheit.
SN: Also den Rotkreuz-Parkplatz soll es in fünf Jahren nicht mehr geben?
Davon gehe ich fix aus.
SN: Wo sind neue Busspuren in der Stadt geplant?
In den vergangenen Jahren sind keine neuen Busspuren dazugekommen. Mit dem Bus steht man
im Stau, das ist unattraktiv. Da muss sich unbedingt etwas tun, das wird eine der ersten Maßnahmen sein, wo genau, muss ich mir erst ansehen. Eine Bevorzugung der Öffis soll es mit uns auf jeden Fall geben. Das heißt aber immer, man muss den Platz umverteilen – auch für die Radwege. Die Diskussion, wem wir mehr Platz geben, werden wir führen müssen.
SN: Wird an dem Nahverkehrsplan, den die ÖVP im Herbst 2023 vorgelegt hat, festgehalten?
Ich werde sicher nicht aus ideologischen Gründen alles über Bord werfen. Wir werden alles auf Herz und Nieren prüfen. Wo es etwas zu verbessern gibt, werden wir das machen.
SN: Gibt es schon konkrete Vorschläge?
Ja, die weißen Flecken auf der Landkarte, wo der öffentliche Verkehr noch nicht funktioniert. Zum Beispiel in Schallmoos oder in der Rennbahnsiedlung (in Aigen,
Anm.). Die Forderung besteht dort seit Jahren. Da gibt es von uns das klare Versprechen, dass wir hier etwas tun werden.
SN: Wird es den S-Link mit Ihnen als Verkehrsstadträtin geben?
Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Darüber wird man verhandeln müssen. Ich werde mir den aktuellen Projektstand genau ansehen. Der künftige Bürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) hat gesagt, mit ihm wird es keinen S-Link geben. Seine Wahlkampagne hat darauf gefußt, dass er als Einziger gegen den S-Link ist, daher kann ich mir schwer vorstellen, dass er seine Meinung ändert. Das wird sicher ein Knackpunkt in der Regierung.
SN: Soll der S-Link dann ins Parteienübereinkommen?
Eine Vereinbarung ohne S-Link wird es nicht geben, das wäre unehrlich. Das ist eines der zentralen Verkehrsprojekte in Salzburg. Da wird es ein Bekenntnis – zu
mindest wie man mit der Bürgerbefragung umgeht – geben. Ich finde die Idee gut, dass man eine Broschüre herausgibt – von Stadt oder Land – mit Vor- und Nachteilen zum Projekt, damit sich Bürgerinnen und Bürger objektiv informieren können.
Wenn der S-Link an der Befragung scheitert, was ist für Sie die Alternative – lassen Sie dann oberirdische Varianten prüfen?
SN:
Oberirdische Varianten wurden bereits geprüft, deshalb hat man sich ja auf die unterirdische geeinigt – auch die SPÖ. Mir fehlt momentan die Fantasie, wie es ohne dieses Projekt gehen sollte.
SN: Mehr Einigkeit gibt es dafür beim Radbudget.
Ja, das ist für uns eine Bedingung. Es muss mindestens eine Verdopplung des Budgets von zwei auf vier Millionen geben, zusätzliche Planstellen in der Verwaltung und eine Taskforce zwischen Planung, Straßen- und Brückenamt. Im Wahlkampf haben sich alle dafür ausgesprochen, ich gehe also fix davon aus, dass das kommen wird.
SN: Wo soll der erste Radweg von Ihnen geplant werden?
Es gibt viele Möglichkeiten. Als Erstes fällt mir die Paris-LodronStraße ein. Da müsste man baulich nicht viel machen und es würde die Linzer Gasse entlasten, wo es oftmals zu gefährlichen Situationen zwischen Fußgängern und Radfahrern kommt. Die Idee wäre, eine Spur für den Radverkehr frei zu machen.
SN: Sie haben in der Vergangenheit immer wieder den Stillstand im Planungsressort kritisiert. Was werden Sie anders machen?
Ich und die Bürgerliste brennen für dieses Ressort, wir bringen da viel Erfahrung mit. Und ich scheue mich nicht davor, mit den anderen Fraktionen zusammenzuarbeiten, anstatt im stillen Kämmerchen das eigene Süppchen zu kochen. Über Bauen und Stadtentwicklung muss man viel öffentlicher diskutieren, nicht jede Idee von anderen sofort ablehnen. Ich kenne die Herausforderung im Bauressort und da braucht es eben die Planung. Da arbeite ich gerne mit dem künftigen Baustadtrat Kay-Michael Dankl (KPÖ plus) zusammen.
SN: Also keine Blockadehaltung für KPÖ-Projekte?
Ganz im Gegenteil. Ich werde so viele Planungen für neue Radwege vorlegen, dass er gar nicht mit dem Bauen hinterherkommt (lacht). Aber ich spüre wirklich in dieser neuen personellen Konstellation einen Willen zur Zusammenarbeit. Für das neue Räumliche Entwicklungskonzept (REK) schwebt mir eine fraktionsübergreifende Steuerungsgruppe vor, wo alle eingebunden sind. Das müssen wir auf den Boden bringen, das ist die Grundlage für die Entwicklung dieser Stadt.
SN: Wie soll die Stadt Salzburg noch wachsen?
Salzburg soll zumindest die Möglichkeit haben zu wachsen, das soll sich auch im REK widerspiegeln, alles andere wäre ein Armutszeugnis. Was die Anzahl der neuen Wohnungen betrifft, muss man sich die Daten noch einmal ansehen, aber mindestens 10.000 sollten es schon sein.
SN: Soll der Denkmalschutz zugunsten des Umweltschutzes eingeschränkt werden?
Ich werde den Denkmalschutz sicher nicht einschränken. Das soll nicht gegeneinander ausgespielt werden, im Jahr 2024 hat beides Platz. Denkmalschutz hat viel mit Klimaschutz zu tun. Aber wenn es um Begrünung geht, wird es eine Abstimmung brauchen. Photovoltaikanlagen kann ich mir gut in der Altstadtschutzzone zwei vorstellen. Da sollte man in den kommenden Monaten ins
Gespräch kommen und in Folge ein Pilotprojekt starten.
SN: Wie will sich die Bürgerliste von der KPÖ plus und der SPÖ abgrenzen?
Wir haben ein klares Profil mit viel Erfahrung in der Stadtplanung und wir setzen uns stark für den Klimaschutz und die Grünlanddeklaration ein. Aber es ist auch gut, wenn wir gerade in Sozialthemen auch Überschneidungen mit den anderen Regierungsparteien haben.
Nein, ich bin sicher nicht der neue Johann Padutsch. Anna Schiester, des. Stadträtin für Stadtentwicklung und Verkehr
SN: Braucht es künftig weniger Aktivismus?
Aktivistisch finde ich das falsche Wort. Wir waren – obwohl wir durch den Proporz in der Regierung waren – in viele Entscheidungen nicht eingebunden. Das hat uns in die Oppositionsrolle gezwungen. Da kann sich jetzt einiges ändern.
SN: Sind Sie der neue Johann Padutsch (ehemaliger Vizebürgermeister)?
Nein, ich bin sicher nicht der neue Johann Padutsch. Er hat über Jahre die Bürgerliste geprägt, aber die Partei hat sich seither gewandelt und ich habe meine eigene Handschrift. Man kann von Padutsch vieles lernen, aber auch damals sind Fehler passiert.
SN: Welchen Fehler wollen Sie nicht begehen?
Padutsch ist am Ende beim Verkehr müde geworden – weil viele Vorschläge nicht mitgetragen wurden vom Regierungspartner. Ich hoffe, dass hier in den kommenden Jahren viel weitergeht. Aber das geht nicht allein.
Zur Person
Anna Schiester (35) sitzt seit 2019 im Gemeinderat der Stadt Salzburg. Die gebürtige Kuchlerin übernahm im Herbst 2022 das Bauressort von Martina Berthold.