„London-Connection“rüttelt am Machtgefüge von Red Bull
FUSCHL. „Dietrich Mateschitz ist bei Red Bull nicht zu ersetzen. Trotzdem muss es weitergehen.“Was Red-Bull-Berater Volker Viechtbauer im September 2023 den SN sagte, erscheint heute in neuem Licht. Speziell, dass er den „gelungenen Übergang“nach dem Ableben des Gründers mit dem Nebensatz versah, „dass Mateschitz selbst noch alles geregelt hat“.
Heute kann Mateschitz nichts mehr regeln und die Neuaufstellung steht nach eineinhalb Jahren vor einer harten Bewährungsprobe. Stand heute rüttelt eine „LondonConnection“, wie es ein mit Red Bull vertrauter Geschäftsmann ausdrückt, am Machtgefüge. In zentraler Rolle: Chalerm Yoovidhya, der Chef des thailändischen Mehrheitseigentümers, der in London einen Wohnsitz hat, und Christian Horner, der die in England ansässige Formel-1-Sparte führt.
„Da haben sich die Richtigen gefunden“, meint der Geschäftsmann, der beide kennt. Horner gilt als ehrgeizig und machtbewusst. Auch als Taktiker, der jovial und zugänglich auftrete, wie ein Formel-1-Insider sagt. „Sehr geschickt“habe Horner die Nähe von Yoovidhya gesucht. Wie vertraut die beiden heute sind, zeigen Fotos, die bei Formel-1-Rennen nun serienweise entstehen.
So war es Yoovidhya, der in einem für Red Bull beispiellosen Ränkespiel die von 49-Prozent-Teilhaber Mark Mateschitz und der Salzburger Konzernspitze forcierte Ablöse Horners – Stand heute – verhinderte. Die Thailänder besitzen seit jeher 51 Prozent an Red Bull, überließen Dietrich Mateschitz aber zeitlebens die Führung. Jetzt haben die Thais das Sagen, und geben ihre Zurückhaltung auf.
In der Rennsportszene kursiert schon länger, dass Horners wahre Ambitionen Richtung Konzernspitze zielen. Er könnte – als Vertrauter der Thailänder – über der Dreierspitze oder als Ersatz des für Beteiligungen zuständigen Oliver Mintzlaff installiert werden. „Die Thailänder hätten so mehr Kontrolle“, meint der Geschäftsmann. Die Dreierspitze bilden aktuell Gefolgsleute von Mateschitz, sie war sein letztes Vermächtnis, abgesegnet von Bangkok. Neben Mintzlaff sind das Franz Watzlawick (Dosengeschäft) und Alexander Kirchmayr (Finanzen). Ihre Verträge sind befristet, die optionale Verlängerung soll in absehbarer Zeit anstehen.
Längst wirkt die Eskalation in der Formel 1 wie ein Stellvertreterkonflikt. Kenner attestieren Horner Managementqualitäten.
Er habe den Rennstall mit Tausenden Beschäftigten auf Vordermann gebracht. „Das war früher ein Sauhaufen“, sagt einer. Ein Aufstieg in die Konzernspitze wäre aber „zwei Nummern zu groß“, meint ein anderer. Horners Machthunger, seine Eitelkeit provoziert auch breite Gegnerschaft – im Team selbst und in Salzburg. Jos Verstappen, der Vater von Superstar Max, tritt wortgewaltig gegen ihn auf. Horner wird vorgeworfen, das Autoritätsverhältnis zu einer Mitarbeiterin missbraucht zu haben. Eine interne Untersuchung hat ihn entlastet. „Strafrechtlich ist nichts dran“, meint ein Involvierter. Doch gerade in den USA wird solches Fehlverhalten seit MeToo scharf verurteilt. Im wichtigsten Red-Bull-Markt drohen Absatzrückgänge. Horner in die Zentrale zu berufen wäre vor diesem Hintergrund ein fatales Signal – und eine Schlappe für die Konzernzentrale. Salzburger Red-Bull-Kenner halten das für abwegig. Erst recht Informationen, die den SN seriöse inländische Quellen bestätigen. Die Thailänder überlegten, das Dosengeschäft global zu bündeln. Bisher wird geteilt: Bangkok verantwortet das Ur-Red-Bull „Krating Daeng“in Asien, Fuschl agiert im Rest der Welt. Da die Thailänder künftiges Wachstum speziell in Asien sehen, hieße das, dass Salzburg Kompetenzen verlieren könnte. Auch die Steuerlast soll Thema sein, zahlt Red Bull in Österreich doch über 500 Mill. Euro Ertragssteuer im Jahr – Lohnnebenkosten oder Kommunalsteuer nicht eingerechnet.
Gegen solche Szenarien, die die perfekt geölte Geldmaschine infrage stellen würden, spricht wirtschaftlicher Hausverstand. Auch sind die Markenrechte an Red Bull Teil des Erbes von Mark Mateschitz. Ein Faustpfand, das er nutzen kann.
Der Umsatz mit der Dose sprang 2023 erstmals über zehn Mrd. Euro, die Gewinne verharren jenseits von zwei Mrd. Euro. Das spricht für die Konzernspitze. Speziell der für das Dosengeschäft zuständige Franz Watzlawick gilt als bestens mit den Thailändern abgestimmt. Für Unruhe in Fuschl sorgt, dass die Dosenverkäufe in Österreich derzeit fünf Prozent unter Plan liegen. Die Umsätze seien zwar weiter „mörderisch hoch“, so ein Mitarbeiter. Unter Plan zu liegen, kann Red Bull aktuell aber nicht brauchen.
Im Zentrum des Orkans steht Oliver Mintzlaff. Er verantwortet alle Beteiligungen – vom Sport (Formel 1, Fußball) bis zu den Medien (ServusTV). Ein breites Feld, das an sich schon genug Konfliktstoff birgt. Mateschitz hatte all das trotz hoher Kosten forciert. Mintzlaff hat jetzt einen Sparauftrag, den er „trocken umsetzt“, wie der Geschäftsmann sagt. Jenen, die Mateschitz’ Markenethos hochhalten, missfällt das. Ebenso Mintzlaffs enge Verbundenheit zum Fußballklub RB Leipzig. Der als intelligent, knallhart und machtbewusst geltende Deutsche soll nun auch die Thailänder gegen sich aufgebracht haben. Als Mintzlaff Horners Abwahl durchbringen wollte, hätten sie ihn zurechtgestutzt, hört man aus dem Konzern.
Argwöhnisch beobachtet die Belegschaft, dass ein Abgesandter des thailändischen Konzerns seit Kurzem in der Salzburger Zentrale ist. Das bestätigen mehrere Mitarbeiter. Er habe Fuschl und Elsbethen besucht, sich unter anderem in der HR-Abteilung (Personal) aufgehalten und einen Überblick verschafft , sagt eine Beschäftigte.
Beinahe dröhnend wirkt das Schweigen der Konzernzentrale. Mark Mateschitz und die Geschäftsführer schotten sich ab. Interviewanfragen wurden zum wiederholten Mal abgelehnt. Es widerspreche „unserer Philosophie“, Internes zu kommentieren oder Einzelne ins Rampenlicht zu rücken, so eine Sprecherin. Ein alter Wegbegleiter erinnert daran, dass sich Mateschitz zwar rarmachte, das Handeln von Red Bull aber regelmäßig öffentlich erklärte. Für ein Aussitzen der Konflikte sei es zu spät. „Es braucht rasche Klärung.“Da schwingt viel Hoffnung mit, dass Ruhe einkehren und die „LondonConnection“das Konzernfundament doch nicht angreifen wird.