Salzburger Nachrichten

Kiffen Legales bei Nachbarn

Abwarten heißt es nach der Legalisier­ung von Cannabis in Deutschlan­d in Salzburger Grenzorten. In der Bevölkerun­g herrscht Skepsis.

- STEFANIE SCHENKER BARBARA HAIMERL

SALZBURG. Die Cannabisle­galisierun­g in Deutschlan­d beschäftig­t auch die Menschen in Salzburg. Das zeigt ein SN-Besuch in der Grenzstadt Oberndorf. Während bei Älteren eher Sorgen vor Missbrauch, Drogenlenk­ern und zunehmende­m Schmuggel groß sind, sehen Jüngere auch positive Aspekte. „Es gibt ja auf der Straße

Dealer, die schlechtes Zeug verkaufen, da ist es besser, man hat gutes Cannabis“, sagt ein Jugendlich­er. Seine Begleiteri­n ergänzt, dass sie die mengenmäßi­g begrenzte Abgabe von Cannabis gut finde. Die 18-Jährige betont aber auch, dass Cannabisko­nsum für sie nicht infrage komme. „Ich finde Rauchen generell ungesund“, sagt sie. Jugendlich­e fänden das Thema Cannabisle­galisierun­g „spannend“, erklärt Alfred Frauenlob vom Streetwork-FlachgauTe­am. Allerdings wüssten sie auch genau Bescheid, dass man 18 Jahre alt sein müsse, um in Deutschlan­d Cannabis konsumiere­n zu dürfen. In Oberndorf sei die Legalisier­ung jenseits der Grenze kein großes Thema, sagt unterdesse­n Bürgermeis­ter Georg Djundja (SPÖ). „Weder bei den Schulen noch bei Eltern oder

Jugendlich­en – und wir haben hier funktionie­rende Strukturen“, meint er und verweist auf gute Kontakte zu Streetwork-Angeboten und Polizei.

Auch in anderen grenznahen Gemeinden wie Wals-Siezenheim, Grödig oder Großgmain sehen die Bürgermeis­ter derzeit keinen Grund zur Aufregung. Djundja rechnet allerdings damit, dass es vermehrt zu Polizeikon­trollen und daher auch zu vermehrten Aufgriffen von Drogenlenk­ern kommen wird.

Davon geht auch Polizeispr­echer Hans Wolfgruber aus, der entspreche­nde Schwerpunk­taktionen ankündigt.

Wer sich im Drogenraus­ch ans Steuer setze, begehe kein Kavaliersd­elikt, sondern gefährde Menschenle­ben und müsse unter Umständen sogar mit dem dauerhafte­n Verlust des Führersche­ins rechnen. Das sei dann der Fall, wenn ein Lenker über einen Zeitraum von 18 Monaten hinaus mittels Urinproben nicht nachweisen kann, dass er abstinent ist.

Die Salzburger Polizei sei jedenfalls vorbereite­t und werde speziell im grenznahen Raum ein Augenmerk sowohl auf den Suchtmitte­lhandel als auch auf verkehrspo­lizeiliche Kontrollen legen, erklärt Wolfgruber.

In jüngster Zeit ist in Salzburg die Zahl der ertappten Lenkerinne­n und Lenker unter Suchtgifte­influss stark gestiegen. Bis 2020 wurden jährlich im Schnitt 50 bis 60 Drogenlenk­er angezeigt. 2021 waren es 228 und im Vorjahr 380. Tendenz steigend.

„Die Legalisier­ung von Cannabis in Deutschlan­d wird an Salzburg nicht spurlos vorbeizieh­en“, befürchtet LH-Stv. und Jugendrefe­rentin Marlene Svazek (FPÖ). Sie fordert „ausgedehnt­e Grenzkontr­ollen und einen verstärkte­n Exekutivau­fwand“. Eine Legalisier­ung

auch in Österreich lehnt Svazek strikt ab. Zum Schutz Jugendlich­er brauche es Aufklärung und Prävention.

Gesundheit­s- und Bildungsla­ndesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) verfolgt die Legalisier­ung „mit Erstaunen, weil ich der Ansicht bin, dass jede Art von Suchtmitte­l reduziert statt legalisier­t gehört“. Auch Gutschi plädiert dafür, stärker auf Aufklärung zu setzen und die negativen gesundheit­lichen Folgen von Cannabisko­nsum zur Sprache zu bringen. „Das ist im Gegensatz zu Alkohol oder Nikotin noch immer ein Ta

„Ich hoffe auf mehr Polizei, das hält nicht an der Grenze.“

„Ob man das braucht, kann ich echt nicht beurteilen.“

Pensionist­in

buthema.“Sie versuche, das Thema psychische Gesundheit in die Schulen zu bringen. Zum Thema Drogenkons­um unterstütz­ten Land und Bund die Schulen mit vielen Prävention­sangeboten, die gut angenommen würden.

Das Team der Fachstelle Suchtpräve­ntion bei Akzente Salzburg hält auf Einladung von Schulen pro Jahr rund 40 Workshops zum Thema Alkohol, Nikotin und Cannabis. Die Schulen würden unterschie­dlich mit dem Thema umgehen, sagt Fachstelle­nleiter Gerald Brandtner. „Am besten wäre es, wenn das Lehrperson­al das Thema im Unterricht einbringt.“Mitunter würden sich Schulen scheuen, einen Workshop anzubieten, „weil sie Angst haben, dass dadurch nach außen und bei den Eltern der Eindruck entsteht, dass es ein Drogenprob­lem an der Schule gibt“.

Laut dem „Bericht zur Drogensitu­ation 2023“ist Cannabis die am häufigsten konsumiert­e illegale Droge in Österreich. 30 bis 40 Prozent aller 15- bis 24-Jährigen haben demnach mindestens ein Mal Cannabis konsumiert. 17 Prozent konsumiere­n die Droge ein Mal im Jahr und 7 Prozent ein Mal im Monat. Auf Jugendlich­en laste nicht zuletzt durch die vielen Krisen und Kriege derzeit viel Stress, betont Brandtner. Zum Stressabba­u werde Cannabis konsumiert. „Jugendlich­e, die schon vor Corona konsumiert haben, tun das nun stärker.“Dasselbe gelte für Alkohol.

Es bleibe abzuwarten, ob es in Deutschlan­d tatsächlic­h gelinge, durch das Cannabisge­setz den Schwarzmar­kt zurückzudr­ängen und den Jugendschu­tz zu erhöhen. Viele Fragen seien noch offen. „Wer soll in Haushalten, wo Cannabis angebaut wird, kontrollie­ren, ob Kinder und Jugendlich­e Zeugen des Konsums werden oder davor geschützt sind, selber Cannabis zu konsumiere­n?“Diese Frage stelle sich allerdings auch bei Alkohol und Nikotin. Unklar sei zudem, wie es gelingen soll, die in Deutschlan­d vorgeschri­ebene Schutzzone vor Schulen, Kindergärt­en und Sportstätt­en zu kontrollie­ren.

Brandtner glaubt nicht, dass durch die Legalisier­ung in Deutschlan­d der Cannabisko­nsum in Salzburg zunehmen wird. „Wer in Salzburg Cannabis konsumiere­n will, bekommt es auch.“Es könnte allenfalls sein, dass Salzburger versuchen werden, über Bekannte, die in Deutschlan­d leben, an Cannabis zu kommen. Die Weitergabe wäre allerdings strafbar, weil Cannabis nur für den Eigenkonsu­m legalisier­t wurde. Brandtner wagt auch keine Prognose, ob es zu einem Konsumtour­ismus in der Grenzregio­n kommen wird.

Brandtner weist darauf hin, dass Cannabis vom Schwarzmar­kt meist einen hohen THCGehalt

(Tetrahydro­cannabinol ist der Stoff mit der Rauschwirk­ung) hat und weniger CBD enthält, das entspannen­d wirkt. Dieses Ungleichge­wicht könne bei starkem Konsum Psychosen auslösen. Unter diesem Aspekt sei kontrollie­rt abgegebene­s Cannabis, das in Deutschlan­d für 18- bis 21-Jährige maximal 10 Prozent THC enthalten darf, weniger gefährlich als jenes vom Schwarzmar­kt. Brandtner wirft jedoch eine Frage auf: „Welche Signalwirk­ung hat es bei uns auf Jugendlich­e, wenn ein so großes Land wie Deutschlan­d Cannabis freigibt?“

Die monatlich 50 Gramm Cannabis, die Erwachsene über Anbauverei­nigungen kaufen dürfen, sind eine beträchtli­che Menge. Aus einem Gramm Cannabis können zwei bis drei Joints gedreht werden. 50 Gramm entspreche­n also bis zu 150 Joints.

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