Salzburger Nachrichten

Und wer kümmert sich um die Bürgerrech­te?

Wenn der Staat die Überwachun­g der Menschen verschärfe­n will, muss er sich an strenge Regeln halten.

- LEITARTIKE­L Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Wer „zum Nachteil der Republik Österreich“eine Spionagetä­tigkeit ausübt, macht sich strafbar. Wer dies böse Unterfange­n zum Nachteil beispielsw­eise Deutschlan­ds oder Italiens betreibt, bleibt straffrei. Diese wohl nicht absichtslo­s ins Strafgeset­zbuch geschriebe­ne Gesetzeslü­cke, die mit dazu beitrug, dass unser Land zu einem Dorado für Spione aller Art wurde, soll auf Veranlassu­ng der grünen Justizmini­sterin Alma Zadić geändert werden. Gut so.

Es ist verständli­ch, dass Innenminis­ter Gerhard Karner die Gelegenhei­t nutzen will, auch seine langjährig­e Forderung in der bevorstehe­nden Reform unterzubri­ngen. Die Forderung nämlich, neben dem Telefonund SMS-Verkehr auch verschlüss­elte Messengerd­ienste wie Signal oder WhatsApp überwachen zu können. Karners Argument, dass die Sicherheit­sbehörden in kommunikat­ionstechni­scher Hinsicht Waffenglei­chheit (man verzeihe das kriegerisc­he Wort) mit der organisier­ten Kriminalit­ät und mit Terroriste­n brauchen, ist nicht von der Hand zu weisen.

Nicht von der Hand zu weisen sind freilich auch die Argumente des Verfassung­sgerichtsh­ofs. Dieser hat den staatliche­n Einsatz jener Spitzelsof­tware, mit der die verschlüss­elten Nachrichte­n ausgelesen werden können („Bundestroj­aner“), vor mehr als vier Jahren ausdrückli­ch untersagt. Und zwar mit dem

Argument, dass es „unverhältn­ismäßig“sei, einen derartig „schwerwieg­enden Eingriff in die Privatsphä­re“zuzulassen. Denn der Bundestroj­aner könnte ja nicht nur die verschlüss­elte Kommunikat­ion auslesen, sondern auch alles, was sich an sonstigen Daten auf dem Handy befindet.

Man sollte davon ausgehen, dass – wie auch in anderen Ländern – eine Lösung möglich ist, die sowohl den Sicherheit­sinteresse­n des Landes als auch den Bedenken der Verfassung­srichter Rechnung trägt. Theoretisc­h. Praktisch ist auf die Tatsache hinzuweise­n, dass in diesem Land nichts geheim bleibt, auch das nicht, was geheim bleiben sollte; dass Handys immer noch viel zu leicht von den Ermittlung­sbehörden konfiszier­t und ausgewerte­t werden können (ganz ohne Bundestroj­aner); dass sich alles, was sich auf ausgelesen­en Handys findet, alsbald auch in der Öffentlich­keit wiederfind­en würde. Es ist ein schlechter Scherz, dass die ÖVP diesem Umstand mit einem strafrecht­lichen „Zitierverb­ot“für Journalist­en begegnen will. Wie wäre es mit staatliche­n Behörden, die den Schutz der Bürgerrech­te ernst nehmen?

Dann wäre gegen mehr Kompetenze­n für den Innenminis­ter nichts einzuwende­n.

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