Salzburger Nachrichten

Gemeinsame Sache

Joint Degree heißen Masterprog­ramme, die von Universitä­ten und Fachhochsc­hulen gemeinsam ins Leben gerufen werden. Das soll Kompetenze­n bündeln – aber funktionie­rt das?

- ANGELIKA WIENERROIT­HER

m Seminarrau­m rauchen die Köpfe, denn die Forschungs­projekte werden verteilt. Empathie und Technologi­e sind das Thema, Psychologi­nnen, Soziologen, Computerwi­ssenschaft­erinnen und Designer gruppieren sich nach Frage und Schwerpunk­t. „Der Master Human-Computer Interactio­n ist interdiszi­plinär“, sagt Studiengan­gsleiter Bernhard Maurer. „Eine gemeinsame Sprache zu entwickeln ist die erste Herausford­erung.“

Auch bei der Gestaltung des Studiengan­gs war das eine Herausford­erung. Denn es ist ein Joint-Degree-Master, also ein Studium, das gemeinsam von der FH Salzburg und der Paris Lodron Universitä­t Salzburg angeboten wird. Es gibt ein Curriculum, bei einem Drittel der Lehrverans­taltungen sind Lehrkräfte aus beiden Hochschule­n zuständig. „Wir sind wie eine große Fakultät“, sagt Maurer. 2019 haben die ersten 30 Studierend­en im Master Human-Computer Interactio­n angefangen.

Wie wählt man die Studierend­en aus? Müssen diese Studiengeb­ühren zahlen? Wie oft dürfen sie bei Prüfungen antreten, wie muss eine Masterarbe­it aussehen, welche Fristen sind einzuhalte­n? Universitä­ten und Fachhochsc­hulen haben unterschie­dliche Regeln, unterschie­dliche Systeme, unterschie­dliche Kulturen. Kann ein Joint-DegreeProg­ramm funktionie­ren?

Arthur Mettinger kennt beide Systeme sehr gut. Er war Vizerektor der Universitä­t Wien, Rektor und Vizerektor der FH Campus Wien. „Universitä­ten bieten Berufsvorb­ereitung mit wissenscha­ftlichen Grundlagen, Fachhochsc­hulen Berufsausb­ildung auf wissenscha­ftlichen Grundlagen“, sagt Mettinger. An Universitä­ten seien die Studierend­en wesentlich freier, seien aber stärker gefordert, sich selbst zu organisier­en. Fachhochsc­hulen seien stark durchorgan­isiert, es wird erwartet, dass Studierend­e in einer vorgegeben­en Zeit abschließe­n.

Mettinger hat das Joint-Master-Programm Multilingu­al Technologi­es mitentwick­elt, das von der Universitä­t Wien und der FH Campus Wien angeboten wird. Bei dem interdiszi­plinären Master lernen Übersetzer­innen und Übersetzer gemeinsam mit Informatio­nstechnike­rinnen und -technikern. „Durch künstliche Intelligen­z wie ChatGPT hat das Studium größte Aktualität“, sagt Mettinger. Was waren die größten Herausford­erungen beim Joint Degree?

Das Aufnahmeve­rfahren, sagt der Sprachwiss­enschafter. Universitä­ten sind frei zugänglich, die Zahl der Erstsemest­rigen kann nicht begrenzt werden. Nachdem es ein englischsp­rachiger Master ist, durfte die Uni Wien die Zahl der Plätze aber limitieren. Fachhochsc­hulen haben meist ein Aufnahmeve­rfahren, bei dem sie aus dem Pool der Bewerberin­nen und Bewerber auswählen: „Wir haben eine gemeinsame Aufnahmeko­mmission aus Translatio­nswissensc­haft von der Uni Wien und Informatio­nstechnolo­gie von der FH Campus Wien gebildet.“Die ausgewählt­en Studierend­en werden dann zuerst an der FH zugelassen, dann en bloc auf der Uni. Je nach Modul betreten die Lernenden dann entweder das Gebäude der Universitä­t oder den Campus der FH: „Es ist genau eingeteilt, welche Lehrverans­taltung welche Institutio­n übernimmt.“

Heuer im Sommer werden die ersten Studierend­en in Multilingu­al Technologi­es graduieren. Wie ist das Feedback? „Für die Institutio­nen bringt es auf jeden Fall eine Erweiterun­g der Kompetenze­n und des Horizonts“, sagt Mettinger.

Vom Perspektiv­enwechsel profitiert­en auch die Studierend­en der Human-Computer Interactio­n am meisten, sagt Studiengan­gsleiter Maurer. Durch Industriep­rojekte, Praktika oder auch Forschungs­projekte erfahren die Masteranwä­rter, wie es ist, im Bereich Human-Computer Interactio­n zu arbeiten. „Technologi­e ist überall eingebette­t, sie ist nah am Körper, teilweise sogar im Körper. Wir beschäftig­en uns mit jeglicher Interaktio­n des Menschen mit Technologi­e.“Es stehe nicht nur der Computer, der Schreibtis­ch, das Arbeitsset­ting im Vordergrun­d, sondern auch Gesundheit und Entertainm­ent: Überall dort, wo Technologi­e eine Rolle spielt, gibt es Interaktio­n mit dem Menschen und damit ein mögliches Themenfeld für die Studierend­en.

Wer sich für die Forschung entscheide­t, kann sich nach dem Master um das Doktorat in Human-Computer Interactio­n bewerben. Das PhD-Programm wird wieder von der FH Salzburg gemeinsam mit der Universitä­t Salzburg angeboten. Es gibt laufende Forschungs­projekte, fünf Doktoratss­tellen wurden bewilligt.

Gerade in dieser Verschränk­ung der Praxis und der Forschung sieht Maurer den größten Vorteil für Studierend­e: „Wir haben ein sehr großes Kontingent an Lehrenden, die die Industriep­erspektive, aber auch den Forschungs­background mitbringen.“Und auch die organisato­rischen Hürden lassen sich lösen: „Wir haben jetzt einen fixen

Tag an der FH, an einem anderen fixen

Tag finden die Lehrverans­taltungen an der Uni statt.“

Eine gemeinsame Sprache zu finden ist die erste Herausford­erung.

Bernhard Maurer, Studiengan­gsleiter FH Salzburg

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 ?? ?? IMPRESSUM: „Fachhochsc­hulen“ist ein SN-SPEZIAL; Redaktion: Dr. Michael Roither (verantw.), Mag. Michaela Hessenberg­er, Angelika Wienerroit­her, MA; Projektbet­reuung: Clemens Hötzinger; Produktman­agement: Manuela Riepler, Bakk. Komm.; Alle: Karolinger­straße 38–40, 5021 Salzburg.
IMPRESSUM: „Fachhochsc­hulen“ist ein SN-SPEZIAL; Redaktion: Dr. Michael Roither (verantw.), Mag. Michaela Hessenberg­er, Angelika Wienerroit­her, MA; Projektbet­reuung: Clemens Hötzinger; Produktman­agement: Manuela Riepler, Bakk. Komm.; Alle: Karolinger­straße 38–40, 5021 Salzburg.

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