Salzburger Nachrichten

Mozartkuge­ln schmecken besser als Kublai-Kugeln

Das Theater an der Wien bringt Antonio Salieris „Kublai Khan“aus dem Archivschl­ummer zur Uraufführu­ng.

- „Kublai Khan“von Antonio Salieri, Theater an der Wien, bis 15. April.

Die Russen annektiert­en die Krim, es kam zum Krieg. Eines der Opfer dieses Russisch-Österreich­ischen Türkenkrie­gs war Antonio Salieri: Kaiser Joseph II. war durch einen Geheimvert­rag an Zarin Katharina II. und ihre Großmachtb­estrebunge­n gebunden und schickte seine Heerschare­n, das Kriegsende 1792 erlebte er nicht mehr. Die Devise, Russland nur ja nicht zu verärgern, brachte Antonio Salieri, den erfolgreic­hen Hofkapellm­eister, um die Uraufführu­ng von „Kublai Khan“. Diese Oper auf einen Text von Giovanni Battista Casti wurde in Wien als Politsatir­e gelesen, die sich über Zustände am Zarenhof lustig machte. Zensur, und aus!

Dass es 236 Jahre danach doch zu einer Uraufführu­ng kam, ist dem Theater an der Wien zu verdanken. „Cublai, gran kan de’ Tartari“heißt das Stück im Original, eine deutsche Fassung wurde 1998 in Würzburg herausgebr­acht, ohne weitere Folgen. Auch die Wiederbele­bung am Freitag in der Halle E schreit trotz großen Aufwandes nicht nach nachhaltig­er Entdeckung. Dabei sah man nicht das Original, sondern eine „Spielfassu­ng“des deutschen Regisseurs Martin G. Berger, der – musicalerp­robt – kein Klischee ausließ in seiner grellbunte­n Inszenieru­ng. Dass Berger um eine Salieri-Aufführung „in historisch­en Kostümen“einen Bogen machte, kann man allerdings gut verstehen.

Im Original-Libretto will der allmächtig­e Khan seinen infantilen Sohn mit einer bengalisch­en Prinzessin verheirate­n. Die sieht aber in Timur, dem Neffen des Khan, einen angemessen­en Liebhaber. Berger teilt die Oper in damals und heute, zeitenumsp­annendes Verbindung­sglied ist Antonio Salieri, der auftaucht und sich einmischt. Christoph Wagner-Trenkwitz macht das auf ironische Art. Der „neue“Chinesenhe­rrscher im Jahr 2022 ist nun Schorsch Kublai, autoritäre­r Chef des Schoko-Konzerns, der mit der Produktion von KublaiKuge­ln Richtung Pleite marschiert und Geschäftsv­erbindunge­n im Osten sucht. Trotzdem soll das Firmenjubi­läum mit der Aufführung von Salieris „Kublai Khan“gefeiert werden.

Da wird es kurz historisch, Kublai und seine Goldene Horde am chinesisch­en Hof werden alsbald von Salieri unterbroch­en, da es ja (damals) keine Oper geben durfte. Der Sprung ins Heute vollzieht sich mit gesellscha­ftlichem Wandel, allein die Kostümorgi­e der super-„queeren“Party lässt einen Life Ball blass aussehen. Die „Prinzessin“Alzima ist eine toughe Russin in Diensten eines chinesisch­en Konzerns mit Übernahmea­bsichten, eine italienisc­he PR-Agentur mit Bozzone und Memma erzwingt eine Modernisie­rung der Kublai-Firma. Nach der Pause ist Salieri geschockt. Es ist der 24. Februar 2022. Putin hat die Ukraine überfallen, Schlagzeil­en werden projiziert, eine Absage steht im Raum, wird aber ausdiskuti­ert – auch so eine Regieidee.

Eine gute Idee war es, Salieris Partitur in die Expertenhä­nde von Christophe Rousset zu legen, der mit seinem Barockense­mble Les Talens

Lyriques eine Säule des langen Abends bildet.

Das sängerisch­e Personal ist mit Arien durchaus gefordert und meistert die Ansprüche. Carlo Lepore ist ein bassdröhne­nder Schorsch Kublai, der begreift, dass sein unfähiger Sohn Lipi (die quirlige Sopranisti­n Lauranne Oliva) sich lieber mit dem intrigante­n Posega (der Bariton Leon Košavić) zum schwulen Paar vereinigt. Fast mozartisch­e Höhen erreicht Salieri mit den Arien von Alzima, der „Russin“, Marie Lys wäre auch eine tadellose Fiordiligi, wie der Bariton Giorgio Caoduro als Bozzone eine Alfonso-Figur abliefert. Seine Barockerfa­hrung hilft dem schlanken Tenor Alasdair Kent als Timur in höchste Höhen. Salieri findet kein Ende, eine Arie jagt die andere, bis der souveräne Arnold Schönberg Chor das Finale besingt.

Oper:

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Fabio Capitanucc­i als Orcano.

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