Mozartkugeln schmecken besser als Kublai-Kugeln
Das Theater an der Wien bringt Antonio Salieris „Kublai Khan“aus dem Archivschlummer zur Uraufführung.
Die Russen annektierten die Krim, es kam zum Krieg. Eines der Opfer dieses Russisch-Österreichischen Türkenkriegs war Antonio Salieri: Kaiser Joseph II. war durch einen Geheimvertrag an Zarin Katharina II. und ihre Großmachtbestrebungen gebunden und schickte seine Heerscharen, das Kriegsende 1792 erlebte er nicht mehr. Die Devise, Russland nur ja nicht zu verärgern, brachte Antonio Salieri, den erfolgreichen Hofkapellmeister, um die Uraufführung von „Kublai Khan“. Diese Oper auf einen Text von Giovanni Battista Casti wurde in Wien als Politsatire gelesen, die sich über Zustände am Zarenhof lustig machte. Zensur, und aus!
Dass es 236 Jahre danach doch zu einer Uraufführung kam, ist dem Theater an der Wien zu verdanken. „Cublai, gran kan de’ Tartari“heißt das Stück im Original, eine deutsche Fassung wurde 1998 in Würzburg herausgebracht, ohne weitere Folgen. Auch die Wiederbelebung am Freitag in der Halle E schreit trotz großen Aufwandes nicht nach nachhaltiger Entdeckung. Dabei sah man nicht das Original, sondern eine „Spielfassung“des deutschen Regisseurs Martin G. Berger, der – musicalerprobt – kein Klischee ausließ in seiner grellbunten Inszenierung. Dass Berger um eine Salieri-Aufführung „in historischen Kostümen“einen Bogen machte, kann man allerdings gut verstehen.
Im Original-Libretto will der allmächtige Khan seinen infantilen Sohn mit einer bengalischen Prinzessin verheiraten. Die sieht aber in Timur, dem Neffen des Khan, einen angemessenen Liebhaber. Berger teilt die Oper in damals und heute, zeitenumspannendes Verbindungsglied ist Antonio Salieri, der auftaucht und sich einmischt. Christoph Wagner-Trenkwitz macht das auf ironische Art. Der „neue“Chinesenherrscher im Jahr 2022 ist nun Schorsch Kublai, autoritärer Chef des Schoko-Konzerns, der mit der Produktion von KublaiKugeln Richtung Pleite marschiert und Geschäftsverbindungen im Osten sucht. Trotzdem soll das Firmenjubiläum mit der Aufführung von Salieris „Kublai Khan“gefeiert werden.
Da wird es kurz historisch, Kublai und seine Goldene Horde am chinesischen Hof werden alsbald von Salieri unterbrochen, da es ja (damals) keine Oper geben durfte. Der Sprung ins Heute vollzieht sich mit gesellschaftlichem Wandel, allein die Kostümorgie der super-„queeren“Party lässt einen Life Ball blass aussehen. Die „Prinzessin“Alzima ist eine toughe Russin in Diensten eines chinesischen Konzerns mit Übernahmeabsichten, eine italienische PR-Agentur mit Bozzone und Memma erzwingt eine Modernisierung der Kublai-Firma. Nach der Pause ist Salieri geschockt. Es ist der 24. Februar 2022. Putin hat die Ukraine überfallen, Schlagzeilen werden projiziert, eine Absage steht im Raum, wird aber ausdiskutiert – auch so eine Regieidee.
Eine gute Idee war es, Salieris Partitur in die Expertenhände von Christophe Rousset zu legen, der mit seinem Barockensemble Les Talens
Lyriques eine Säule des langen Abends bildet.
Das sängerische Personal ist mit Arien durchaus gefordert und meistert die Ansprüche. Carlo Lepore ist ein bassdröhnender Schorsch Kublai, der begreift, dass sein unfähiger Sohn Lipi (die quirlige Sopranistin Lauranne Oliva) sich lieber mit dem intriganten Posega (der Bariton Leon Košavić) zum schwulen Paar vereinigt. Fast mozartische Höhen erreicht Salieri mit den Arien von Alzima, der „Russin“, Marie Lys wäre auch eine tadellose Fiordiligi, wie der Bariton Giorgio Caoduro als Bozzone eine Alfonso-Figur abliefert. Seine Barockerfahrung hilft dem schlanken Tenor Alasdair Kent als Timur in höchste Höhen. Salieri findet kein Ende, eine Arie jagt die andere, bis der souveräne Arnold Schönberg Chor das Finale besingt.
Oper: