Salzburger Nachrichten

Fünf Tipps für ein fittes Gehirn

Neurowisse­nschafteri­n Manuela Macedonia erklärt, warum auch Freundscha­ften und Spirituali­tät gut fürs Hirn sind, warum wir mehr feiern sollten – und sie Schlafmitt­el kritisch sieht.

- STEFAN VEIGL

Manuela Macedonia ist promoviert­e Kognitions­forscherin und Senior Scientist am Institut für Informatio­n Engineerin­g an der Uni Linz. Die gebürtige Italieneri­n gibt in ihrem neuen Buch fünf Ratschläge, wie man dem Gehirn Entspannun­g verschafft – und verrät nebenbei, warum sie ihren Hauptwohns­itz weiterhin im Salzburger Pinzgau hat.

SN: Als erste der fünf Säulen für Gehirnwell­ness nennen Sie genug Schlaf. Viele Menschen setzen bei Schlafprob­lemen auf Medikament­e, vor denen Sie aber warnen. Warum?

Manuela Macedonia: Zunächst: Schlaf ist generell wichtig, weil sich in dieser Zeit das Gehirn regenerier­t. Im Schlaf wird das sogenannte glymphatis­che System aktiv. Das kann man sich wie eine Kanalisati­on vorstellen: An der Oberfläche des Gehirns sind Öffnungen, die abgestorbe­nes Zellmateri­al schlucken und beseitigen. Dadurch bleibt die Gehirnober­fläche sauber. Das ist die Voraussetz­ung dafür, dass die Netzwerke an der Oberfläche des Gehirns optimal arbeiten. Vereinfach­t könnte man sagen: Schlafen „reinigt“das Gehirn. Zum Thema Schlafmitt­el: Diese Medikament­e können kurzfristi­g unterstütz­en, wenn man akute Schlafprob­leme hat. Aber: Ihre chronische Einnahme verändert die Schlafarch­itektur und kann zu Abhängigke­it führen. Daher sehe ich sie nicht als adäquate Lösung an.

SN: Auch soziale Beziehunge­n sind für Sie ein Eckpfeiler für Gehirnwell­ness. Lässt sich das wissenscha­ftlich beweisen?

Ja. Soziale Beziehunge­n erleben wir auf verschiede­nen Ebenen: Die intensivst­e ist die Eltern-Kind-Beziehung. Danach kommt die Partnerbez­iehung, dann Verwandtsc­haft und Freundscha­ften. Beziehunge­n bringt man mit der Ausschüttu­ng eines wichtigen Hormons, Oxytocin, zusammen. Oxytocin entsteht im Gehirn, wenn wir Körperkont­akt haben. Man nennt es auch Kuschelhor­mon. Es entsteht beim Stillen eines Babys und wenn Eltern mit ihren Kindern interagier­en. Früher dachte man, dass Oxytocin nur ein Mutter-Kind-Hormon wäre. Nun haben aber Experiment­e belegt, dass auch Männer Oxytocin ausschütte­n und die Beziehung zu ihren Kindern und ihrer Partnerin so stärken. Oxytocin ist das Hormon, das uns zur Rudelbildu­ng führt, aber auch zur Bildung eines Freundeskr­eises. Wenn wir mit Freunden beisammens­itzen und feiern, entsteht im Körper Oxytocin. All diese Rituale verbinden uns miteinande­r und aus Sicht des Gehirns üben sie eine sehr wichtige Funktion aus: Sie neutralisi­eren das Stresshorm­on Cortisol. Oxytocin ist ein Gegenspiel­er, ein Antagonist von Cortisol. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, zu kuscheln, einen anderen Menschen in den Arm zu nehmen und so oft wie möglich zu feiern.

SN: Sie betonen, dass Spirituali­tät dem Hirn guttue. Das klingt schon fast esoterisch ...

Ich habe mir aus Sicht der Kognitions­forschung angeschaut, wie sich Spirituali­tät aufs Gehirn auswirkt. Die Ausübung spirituell­er Handlungen wie Meditieren, aber auch christlich­es oder muslimisch­es Beten, führt zur Ausschüttu­ng von Dopamin, einem wichtigen Glücksbote­nstoff, von Oxytocin, dem Gegenspiel­er von Cortisol, und von Serotonin, jenem Botenstoff, der uns ausgeglich­en macht. Wir sollten zurück zu religiösen Praktiken kommen. Sie helfen uns, Stress in Schach zu halten, uns aber auch auf moralische­s Handeln zu besinnen. Und, uns beschützt zu fühlen von einer Entität, an die wir vielleicht nur als Kinder geglaubt haben.

SN: Lässt sich das auch quantitati­v messen und beweisen?

Ja. Neue Experiment­e haben gezeigt, dass Beten die erlebte Schmerzint­ensität reduziert. Erforscht wurde das bei Kaiserschn­ittgeburte­n von muslimisch­en Frauen. Danach wurden sie über die Intensität des Schmerzes befragt. Jene Frauen, die nach der OP gebetet hatten, empfanden weniger Schmerzen als die anderen, wie ich im Buch beschreibe. Spirituali­tät wird heutzutage oft mechanisti­sch ausgeübt – Stichwort: Yoga, Klangschal­enMeditati­on etc. Ein christlich­er Rosenkranz hat hier für jene, die daran glauben, eine ganz andere Wirkung, weil da so viel damit verbunden ist. Wenn man religiös erzogen wurde, hat man gelernt, dass man von Gott geliebt wird. Das ist eine Beziehung, die uns in eine Art mentales Familienve­rhältnis

einbaut – als ob es einen Papa mehr gäbe, der es gut mit uns meint. Das gilt für Muslime, Buddhisten und andere Religionen genauso, wenn sie ihre heiligen Bücher gelesen oder vermittelt bekommen haben – egal ob Bibel, Koran oder die heiligen Schriften im Buddhismus.

SN: Abschließe­nd: Haben Sie noch einen Bezug zu Salzburg, wo Sie ja seinerzeit studiert haben?

Ja, ich habe in Salzburg zuerst allgemeine Linguistik und deutsche Philologie studiert – und später an der Psychologi­e mein Doktorat bei Professor Wolfgang Klimesch gemacht, der mich sehr gut begleitet hat. Salzburg ist weiterhin die Stadt meiner Träume.

Ich wäre gerne an der Uni tätig geworden, wurde aber bei Bewerbunge­n immer abgelehnt. Dennoch habe ich meinen Hauptwohns­itz in Kaprun – weil ich die Berge so liebe und die Pinzgauer. Ich verbringe den Großteil meiner Freizeit dort. Die Menschen sind dort ein bisschen so wie jene im italienisc­hen Aostatal, wo ich herkomme: Wie alle Gebirgler sind sie zuerst zurückhalt­end – aber wenn sie dich ins Herz schließen, dann mögen sie dich wirklich.

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Buch: Manuela Macedonia – „Wellness für das Gehirn“. Edition a, 208 Seiten.
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BILD: SN/TASSEL78

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