Fünf Tipps für ein fittes Gehirn
Neurowissenschafterin Manuela Macedonia erklärt, warum auch Freundschaften und Spiritualität gut fürs Hirn sind, warum wir mehr feiern sollten – und sie Schlafmittel kritisch sieht.
Manuela Macedonia ist promovierte Kognitionsforscherin und Senior Scientist am Institut für Information Engineering an der Uni Linz. Die gebürtige Italienerin gibt in ihrem neuen Buch fünf Ratschläge, wie man dem Gehirn Entspannung verschafft – und verrät nebenbei, warum sie ihren Hauptwohnsitz weiterhin im Salzburger Pinzgau hat.
SN: Als erste der fünf Säulen für Gehirnwellness nennen Sie genug Schlaf. Viele Menschen setzen bei Schlafproblemen auf Medikamente, vor denen Sie aber warnen. Warum?
Manuela Macedonia: Zunächst: Schlaf ist generell wichtig, weil sich in dieser Zeit das Gehirn regeneriert. Im Schlaf wird das sogenannte glymphatische System aktiv. Das kann man sich wie eine Kanalisation vorstellen: An der Oberfläche des Gehirns sind Öffnungen, die abgestorbenes Zellmaterial schlucken und beseitigen. Dadurch bleibt die Gehirnoberfläche sauber. Das ist die Voraussetzung dafür, dass die Netzwerke an der Oberfläche des Gehirns optimal arbeiten. Vereinfacht könnte man sagen: Schlafen „reinigt“das Gehirn. Zum Thema Schlafmittel: Diese Medikamente können kurzfristig unterstützen, wenn man akute Schlafprobleme hat. Aber: Ihre chronische Einnahme verändert die Schlafarchitektur und kann zu Abhängigkeit führen. Daher sehe ich sie nicht als adäquate Lösung an.
SN: Auch soziale Beziehungen sind für Sie ein Eckpfeiler für Gehirnwellness. Lässt sich das wissenschaftlich beweisen?
Ja. Soziale Beziehungen erleben wir auf verschiedenen Ebenen: Die intensivste ist die Eltern-Kind-Beziehung. Danach kommt die Partnerbeziehung, dann Verwandtschaft und Freundschaften. Beziehungen bringt man mit der Ausschüttung eines wichtigen Hormons, Oxytocin, zusammen. Oxytocin entsteht im Gehirn, wenn wir Körperkontakt haben. Man nennt es auch Kuschelhormon. Es entsteht beim Stillen eines Babys und wenn Eltern mit ihren Kindern interagieren. Früher dachte man, dass Oxytocin nur ein Mutter-Kind-Hormon wäre. Nun haben aber Experimente belegt, dass auch Männer Oxytocin ausschütten und die Beziehung zu ihren Kindern und ihrer Partnerin so stärken. Oxytocin ist das Hormon, das uns zur Rudelbildung führt, aber auch zur Bildung eines Freundeskreises. Wenn wir mit Freunden beisammensitzen und feiern, entsteht im Körper Oxytocin. All diese Rituale verbinden uns miteinander und aus Sicht des Gehirns üben sie eine sehr wichtige Funktion aus: Sie neutralisieren das Stresshormon Cortisol. Oxytocin ist ein Gegenspieler, ein Antagonist von Cortisol. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, zu kuscheln, einen anderen Menschen in den Arm zu nehmen und so oft wie möglich zu feiern.
SN: Sie betonen, dass Spiritualität dem Hirn guttue. Das klingt schon fast esoterisch ...
Ich habe mir aus Sicht der Kognitionsforschung angeschaut, wie sich Spiritualität aufs Gehirn auswirkt. Die Ausübung spiritueller Handlungen wie Meditieren, aber auch christliches oder muslimisches Beten, führt zur Ausschüttung von Dopamin, einem wichtigen Glücksbotenstoff, von Oxytocin, dem Gegenspieler von Cortisol, und von Serotonin, jenem Botenstoff, der uns ausgeglichen macht. Wir sollten zurück zu religiösen Praktiken kommen. Sie helfen uns, Stress in Schach zu halten, uns aber auch auf moralisches Handeln zu besinnen. Und, uns beschützt zu fühlen von einer Entität, an die wir vielleicht nur als Kinder geglaubt haben.
SN: Lässt sich das auch quantitativ messen und beweisen?
Ja. Neue Experimente haben gezeigt, dass Beten die erlebte Schmerzintensität reduziert. Erforscht wurde das bei Kaiserschnittgeburten von muslimischen Frauen. Danach wurden sie über die Intensität des Schmerzes befragt. Jene Frauen, die nach der OP gebetet hatten, empfanden weniger Schmerzen als die anderen, wie ich im Buch beschreibe. Spiritualität wird heutzutage oft mechanistisch ausgeübt – Stichwort: Yoga, KlangschalenMeditation etc. Ein christlicher Rosenkranz hat hier für jene, die daran glauben, eine ganz andere Wirkung, weil da so viel damit verbunden ist. Wenn man religiös erzogen wurde, hat man gelernt, dass man von Gott geliebt wird. Das ist eine Beziehung, die uns in eine Art mentales Familienverhältnis
einbaut – als ob es einen Papa mehr gäbe, der es gut mit uns meint. Das gilt für Muslime, Buddhisten und andere Religionen genauso, wenn sie ihre heiligen Bücher gelesen oder vermittelt bekommen haben – egal ob Bibel, Koran oder die heiligen Schriften im Buddhismus.
SN: Abschließend: Haben Sie noch einen Bezug zu Salzburg, wo Sie ja seinerzeit studiert haben?
Ja, ich habe in Salzburg zuerst allgemeine Linguistik und deutsche Philologie studiert – und später an der Psychologie mein Doktorat bei Professor Wolfgang Klimesch gemacht, der mich sehr gut begleitet hat. Salzburg ist weiterhin die Stadt meiner Träume.
Ich wäre gerne an der Uni tätig geworden, wurde aber bei Bewerbungen immer abgelehnt. Dennoch habe ich meinen Hauptwohnsitz in Kaprun – weil ich die Berge so liebe und die Pinzgauer. Ich verbringe den Großteil meiner Freizeit dort. Die Menschen sind dort ein bisschen so wie jene im italienischen Aostatal, wo ich herkomme: Wie alle Gebirgler sind sie zuerst zurückhaltend – aber wenn sie dich ins Herz schließen, dann mögen sie dich wirklich.