Die ÖVP wandelt auf dünnem Eis
Es gehört nicht rasend viel politisches Raffinement dazu, den seinerzeitigen Innenminister und nunmehrigen FPÖ-Chef Herbert Kickl als bösen Buben zu stigmatisieren. Der Möchtegern-Volkskanzler liefert selbst aufs Bereitwilligste alle Ingredienzien für eine solche Charakterisierung. Folgerichtig wird die ÖVP in diesen Ausschusstagen nicht müde, auf die Gefährlichkeit und Verwerflichkeit des Mannes hinzuweisen, dem sie selbst vor wenigen Jahren das hochsensible Innenressort überlassen hatte. Man werde sich weiter mit Kickl beschäftigen und ihn nochmals in den U-Ausschuss laden, verkündete am Freitag ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker.
Die ÖVP wandelt auf dünnem Eis. Zwar besteht kein Zweifel, dass Kickl in den 17 Monaten, die er als Innenminister agierte, eine Spur der Zerund Verstörung durch dieses Ressort gezogen hat. Doch die 17 Jahre, in denen vor Kickl die ÖVP das Ressort leitete, und die Jahre nach Kickl waren auch nicht von schlechten Eltern. In kaum einem anderen Ministerium gab es ein derartiges Ausmaß an Postenschacher und Parteipolitik. Die von der ÖVP dementierte Behauptung Kickls, dass der heutige Bundeskanzler Karl Nehammer einst seiner Gattin einen Job im Innenressort verschaffen wollte, deutet bereits an, wohin der Gegenangriff des FPÖ-Chefs zielt. Es wird nicht schwierig sein, den Nachweis zu erbringen, dass die ÖVP Niederösterreich das Innenministerium jahrelang (und bis heute) als ihren Filialbetrieb betrachtete.
Übrigens: Die SPÖ wäre gut beraten, auf moralisierende Einwürfe zu verzichten. Denn die Zeit der SPÖ-Innenminister 1970 bis 2000 war ebenfalls geprägt von beinharter parteilicher Machtpolitik in diesem Schlüsselressort.