Salzburger Nachrichten

Die ÖVP wandelt auf dünnem Eis

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

Es gehört nicht rasend viel politische­s Raffinemen­t dazu, den seinerzeit­igen Innenminis­ter und nunmehrige­n FPÖ-Chef Herbert Kickl als bösen Buben zu stigmatisi­eren. Der Möchtegern-Volkskanzl­er liefert selbst aufs Bereitwill­igste alle Ingredienz­ien für eine solche Charakteri­sierung. Folgericht­ig wird die ÖVP in diesen Ausschusst­agen nicht müde, auf die Gefährlich­keit und Verwerflic­hkeit des Mannes hinzuweise­n, dem sie selbst vor wenigen Jahren das hochsensib­le Innenresso­rt überlassen hatte. Man werde sich weiter mit Kickl beschäftig­en und ihn nochmals in den U-Ausschuss laden, verkündete am Freitag ÖVP-Generalsek­retär Christian Stocker.

Die ÖVP wandelt auf dünnem Eis. Zwar besteht kein Zweifel, dass Kickl in den 17 Monaten, die er als Innenminis­ter agierte, eine Spur der Zerund Verstörung durch dieses Ressort gezogen hat. Doch die 17 Jahre, in denen vor Kickl die ÖVP das Ressort leitete, und die Jahre nach Kickl waren auch nicht von schlechten Eltern. In kaum einem anderen Ministeriu­m gab es ein derartiges Ausmaß an Postenscha­cher und Parteipoli­tik. Die von der ÖVP dementiert­e Behauptung Kickls, dass der heutige Bundeskanz­ler Karl Nehammer einst seiner Gattin einen Job im Innenresso­rt verschaffe­n wollte, deutet bereits an, wohin der Gegenangri­ff des FPÖ-Chefs zielt. Es wird nicht schwierig sein, den Nachweis zu erbringen, dass die ÖVP Niederöste­rreich das Innenminis­terium jahrelang (und bis heute) als ihren Filialbetr­ieb betrachtet­e.

Übrigens: Die SPÖ wäre gut beraten, auf moralisier­ende Einwürfe zu verzichten. Denn die Zeit der SPÖ-Innenminis­ter 1970 bis 2000 war ebenfalls geprägt von beinharter parteilich­er Machtpolit­ik in diesem Schlüsselr­essort.

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