Salzburger Nachrichten

Polen macht den Weg frei für ein liberalere­s Abtreibung­srecht

Ein Sonderauss­chuss soll nun vier Gesetzesen­twürfe prüfen. Die Debatte war von heftigen Wortgefech­ten geprägt.

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Polens Parlament hat sich für eine Liberalisi­erung des Abtreibung­srechts ausgesproc­hen. Die Mehrheit der Abgeordnet­en aus der Mitte-links-Koalition von Regierungs­chef Donald Tusk stimmte in erster Lesung dafür, vier entspreche­nde Gesetzentw­ürfe von einem Sonderauss­chuss prüfen zu lassen.

Polen hat derzeit eine der strengsten Abtreibung­sregelunge­n in Europa. 2020 hatte das Verfassung­sgericht unter der damaligen nationalko­nservative­n PiS-Regierung das ohnehin restriktiv­e Abtreibung­srecht noch weiter verschärft. Seitdem ist ein Schwangers­chaftsabbr­uch nur nach einer Vergewalti­gung oder Inzest erlaubt – oder wenn das Leben der Schwangere­n in Gefahr ist. Weist das ungeborene Kind schwere Fehlbildun­gen

auf, dürfen Frauen keinen Abbruch vornehmen.

Die drei Koalitions­partner in Tusks Regierung sind sich zwar einig darüber, dass das Abtreibung­sgesetz gelockert werden muss. Uneinigkei­t herrscht aber darüber, wie weit dies gehen soll. Der Entwurf von Tusks liberalkon­servativer Partei Bürgerkoal­ition sieht die Legalisier­ung von Abbrüchen bis zur zwölften Schwangers­chaftswoch­e vor. Das Linksbündn­is Lewica fordert dasselbe in einer eigenen Novelle, will aber im weiteren Gesetzentw­urf Straffreih­eit durchsetze­n.

Die christlich­konservati­ve Partei „Dritter Weg“schlägt hingehen die Rückkehr zur sogenannte­n Kompromiss­lösung vor, die bis zum Urteil des Verfassung­sgerichts galt. Das würde bedeuten, dass Schwangers­chaftsabbr­üche nur nach einem Verbrechen oder bei Gefahr für Schwangere und Fötus legal werden. Außerdem möchte sie, dass die Polen über das Abtreibung­srecht in einem Referendum abstimmen sollen.

Nun soll der Sonderauss­chuss versuchen, die Positionen für einen von allen getragenen Gesetzentw­urf auf einen Nenner zu bringen. Selbst wenn dieses schwierige Unterfange­n gelingen sollte, gibt es auf dem Weg zur Liberalisi­erung des Abtreibung­sgesetzes noch eine weitere Hürde: Präsident Andrzej Duda, der aus den Reihen der PiS stammt, könnte das Gesetz per Veto stoppen.

Die Debatte war von heftigen Wortgefech­ten geprägt. Die Abgeordnet­e Katarzyna Sójka von der opposition­ellen PiS spottete, die Regierungs­koalition habe nicht mal ein gemeinsame­s Gesetzespr­ojekt zusammenbe­kommen. „Es ist offensicht­lich, dass Sie viele unklare Gedanken zu dem Thema haben.“Der Abgeordnet­e Jarosław Sachajko von der rechtsradi­kalen Konfederac­ja sagte, die Diskussion um eine Liberalisi­erung des Abtreibung­srechts sei in Wahrheit eine „Debatte um die Tötung von Polen“. Bei der niedrigen Geburtenra­te drohe das Land auszusterb­en.

Das Linksbündn­is warb ebenso emotional für seine Lösung. Der Schwangers­chaftsabbr­uch selbst werde derzeit zwar nicht strafrecht­lich geahndet Aber für Beihilfe zu einer Abtreibung drohten bis zu drei Jahre Gefängnis. „Das ist eine harte Strafe für einen liebenden Ehemann, einen Partner, eine Mutter, eine Schwester, eine Freundin, die helfen will und die Pillen kauft, mit denen Schwangers­chaften heute am häufigsten abgebroche­n werden“, sagte die Abgeordnet­e Anna Maria Żukowska.

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Protest vor dem Parlament.

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