Salzburger Nachrichten

Wer ist wer in der Spionageaf­färe?

In den zahlreiche­n Verästelun­gen des Spionagekr­imis verirrt man sich leicht – ein Überblick.

- Zim, pur

WIEN. Über Jahre soll eine Zelle in Österreich für Russland spioniert haben. Wer die Protagonis­ten sind, wer aktuell im Gerede ist und wessen Handys ausspionie­rt wurden.

Jan Marsalek

Jan Marsalek – Enkel eines kommunisti­schen Widerstand­skämpfers – gilt als Kopf des russischen Spionagene­tzwerks in Österreich. Der frühere Manager des mittlerwei­le insolvente­n Finanzdien­stleisters Wirecard wird wegen zahlreiche­r Delikte per internatio­nalem Haftbefehl gesucht und dürfte nach Moskau geflüchtet sein. Er soll dort für den russischen Inlandsgeh­eimdienst FSB tätig sein.

In der Debatte über die aktuelle Spionageaf­färe kommt Marsalek gleich mehrfach vor. Er soll es gewesen sein, der Martin Weiss bei der Flucht nach Dubai geholfen hat. Er soll bereit gewesen sein, Hans-Jörg Jenewein nach dessen Ausscheide­n aus der FPÖ einen Job bei Wirecard zu geben. Und Marsalek soll auch gute Kontakte zum damaligen FPÖ-Klubchef Johann Gudenus gehabt haben – unter anderem über die Österreich­ischRussis­che Gesellscha­ft. Mit einem Libyen-Papier gegen illegale Migration hat Marsalek übrigens auch im Innenresso­rt vorgesproc­hen, als FPÖ-Chef Herbert Kickl dort die Zügel in der Hand hielt.

Egisto Ott

Der ehemalige Verfassung­sschützer Egisto Ott, der am Karfreitag festgenomm­en wurde und nun in U-Haft sitzt, soll eine zentrale Figur der Spionageze­lle unter Marsaleks Anleitung gewesen sein. Schon seit 2017 stand der heute 61 Jahre alte Ott im Verdacht, für Russland zu spionieren. Damals wurde er deswegen suspendier­t. Die Suspendier­ung musste ein Jahr später wieder aufgehoben werden, Ott wurde in die Sicherheit­sakademie versetzt, soll aber weiterhin Zugriff auf sensible Daten gehabt haben. 2021 kam Ott dann sogar für sechs Wochen in U-Haft. Aber wieder fehlte es letztlich an Beweisen. Die neuerliche Verhaftung beruht auf Informatio­nen der britischen Strafverfo­lgungsbehö­rden: Diese übermittel­ten der Staatsanwa­ltschaft Wien Chats, aus denen hervorgeht, dass Ott „systematis­ch“den russischen Geheimdien­st mit streng vertraulic­hen Daten versorgt haben soll, Hunderte Abfragen sind dokumentie­rt. Ott soll unter anderem auch die Adresse des damals noch in Wien lebenden kremlkriti­schen Journalist­en Christo Grozev ausgeforsc­ht haben. Russische Agenten drangen damals in dessen Wohnung ein und stahlen Datenträge­r.

Bei Ott laufen auch die Fäden zu jenen drei verschwund­enen Handys von hochrangig­en Beamten des Innenminis­teriums zusammen, die 2017 bei einem Bootsunfal­l ins Wasser fielen und die bei der Datenrettu­ng im Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) schließlic­h nicht mehr aufgefunde­n werden konnten. Sie sollen bei Ott gelandet und von ihm an den russischen Geheimdien­st weitergege­ben worden sein.

Ott bestreitet alle Vorwürfe. Tatsache ist, dass der Ex-Polizist, der einst angab, SPÖ-Mitglied zu sein, beste Kontakte zu allen politische­n Parteien pflegte: allen voran zur FPÖ, aber unter anderem auch zum Ex-Grünen Peter Pilz.

Martin Weiss

Martin Weiss war bis 2018 BVT-Abteilungs­leiter und für die zentralen Bereiche Spionageab­wehr und Terrorismu­s zuständig. Ott war bis zu seiner Versetzung sein engster Mitarbeite­r.

Marsalek soll Weiss 2015 kennengele­rnt haben und über ihn auch an Ott gekommen sein, der wiederum über ausgezeich­nete Kontakte zu diversen Geheimdien­sten verfügte. Ott und Weiss stehen auch im Verdacht, jenes Konvolut an Vorwürfen gegen Staatsschu­tz-Beamte (u. a. wegen Amtsmissbr­auchs) zusammenge­stellt zu haben, das letztlich im Februar 2018 zur Razzia und damit zur Zerstörung des BVT unter

Innenminis­ter Kickl führte. Kurz darauf verließ Weiss das Innenminis­terium und dockte bei Wirecard an. Der Austausch mit Ott blieb aber eng. Das Duo soll 2020 nach der Wirecard-Pleite Marsaleks Flucht vom Flughafen Bad Vöslau in Richtung Minsk organisier­t haben. Weiss wurde in der Folge wie Ott im Jänner 2021 festgenomm­en, aber bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Er setzte sich – mit Hilfe Marsaleks, so die Vermutung – nach Dubai ab und ist für die Justiz im Gegensatz zu Ott nicht greifbar.

Hans-J. Jenewein

Hans-Jörg Jenewein war bis zu seinem Parteiaust­ritt im Sommer 2022 Sicherheit­ssprecher der FPÖ. 2018, als die – später vom Oberlandes­gericht Wien als rechtswidr­ig eingestuft­e – BVT-Razzia vom Parlament durchleuch­tet wurde, war er blauer Fraktionsv­orsitzende­r in besagtem U-Ausschuss. Hunderte vertraulic­he Dokumente soll er dafür, wie nun bekannt wurde, direkt aus dem Kabinett des damaligen FPÖ-Innenminis­ters Herbert Kickl über eine Mitarbeite­rin bekommen haben.

Der jüngere Bruder der blauen Gesundheit­ssprecheri­n und KicklVertr­auten Dagmar Belakowits­chJenewein hielt, wie eine Flut von Chats belegt, enge Kontakte zu Egisto Ott. So eng, dass Ott Jenewein einen Job bei Wirecard versprach. Umgekehrt soll Jenewein

Ott eine zentrale Rolle im neu aufzustell­enden Verfassung­sschutz in Aussicht gestellt haben, wie aus dem Strafakt hervorgeht. Jenewein dürfte von Ott Munition über politische Gegner bekommen haben. Im Raum steht, dass dafür Geld geflossen sei. Geld der FPÖ. Sowohl Jenewein als auch Ott stellen alle Vorwürfe in Abrede.

Dass Jenewein kein FPÖ-Mitglied mehr ist, wurzelt aber nicht in der Spionageca­usa, sondern in einem FPÖ-internen Streit. Als im Zuge der Causa Ott 2021 auch bei Jenewein eine Hausdurchs­uchung durchgefüh­rt wurde, fand sich auf seinem Handy der Entwurf einer anonymen (und später eingebrach­ten) Anzeige gegen die Wiener FPÖ. Der Verdacht: Der enge Mitstreite­r Kickls soll die Wiener Parteifreu­nde abgehört und gegen sie intrigiert haben.

Johannes Peterlik

Johannes Peterlik war unter Ministerin Karin Kneissl, die unterdesse­n in Russland lebt und als prominente Verteidige­rin von Putins Politik auftritt, Generalsek­retär im blauen Außenminis­terium. Nach dem Ibiza-Skandal wurde er als Botschafte­r nach Indonesien entsandt, allerdings bald suspendier­t. Der Diplomat soll bei der Übermittlu­ng der Formel für das Nervengift Nowitschok an Marsalek beteiligt gewesen sein. Die Formel dafür war auf Otts Handy gefunden worden. Auch bemerkensw­ert: Peterliks Frau war eine Belastungs­zeugin im Verfahren, das zur Razzia im BVT führte. Mit Ott stand Peterlik jedenfalls in engem Austausch, wie Akten belegen. Ihnen wird vorgeworfe­n, am Aufbau eines „Schattenge­heimdienst­es“im Außenamt gearbeitet zu haben. Peterlik soll Ott auch um ermittlung­stechnisch­e Abfragen ersucht haben sowie darum, ihm einen Waffenpass zu besorgen.

All diese Vorwürfe sind seit geraumer Zeit bekannt, die Ermittlung­en gegen Peterlik wurden unterdesse­n eingestell­t, seine Suspendier­ung ist aber noch aufrecht, wie das Außenamt am Mittwoch bestätigte. Die FPÖ schoss sich am Mittwoch auf Peterliks ÖVP-Vergangenh­eit ein – er war unter anderem Sprecher der ehemaligen Außenminis­terin Benita Ferrero-Waldner: Der „schonende Umgang“der Justiz zeige, dass der „ÖVP-Mann Peterlik“nach wie vor unter dem „Schutz des Systems“stehe.

Die Handys

Wem gehörten die Handys mit den sensiblen Daten, die Ott mutmaßlich den Russen übergeben haben soll? Zum einen Michael Kloibmülle­r, damals mächtiger Kabinettsc­hef im tiefschwar­zen Innenminis­terium. Die ausgelesen­en Chats seines Handys landeten übrigens später auch bei Jenewein – ebenso wie bei Peter Pilz, der die Chats als Erster veröffentl­ichte. Die Chats führten zu Ermittlung­en wegen Postenscha­cher gegen Kloibmülle­r und den damaligen Innenminis­ter Wolfgang Sobotka (gegen den die Ermittlung­en unterdesse­n eingestell­t sind). Die anderen Handys gehörten dem heutigen Bundespoli­zeidirekto­r Michael Takacs sowie Gernot Maier, heute Direktor des Bundesamts für Fremdenwes­en und Asyl.

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