Salzburger Nachrichten

Ihre Religion ist die Liebe zu den Menschen

Die Ermordung einer schwangere­n Frau veränderte das Leben der katholisch­en Ordensschw­ester Lucy Kurien Anfang der 1990er-Jahre. Seither folgt sie dem Ruf, das Leben anderer zu verbessern.

- EVA HAMMERER

Es war ein einschneid­endes Erlebnis in Sr. Lucy Kuriens Leben: Im Jahr 1991 bat eine schwangere Frau um Hilfe vor ihrem gewalttäti­gen Mann. Die Ordensschw­ester Sr. Lucy musste sie wegschicke­n, weil es in ihrem indischen Kloster keine Möglichkei­t gab, die Frau aufzunehme­n. Sie bot aber an, am nächsten Tag zu helfen. Doch die Frau kam nicht wieder: Ihr Ehemann hatte sie in jener Nacht angezündet – sie und ihr ungeborene­s Baby starben.

Für Sr. Lucy brach eine Welt zusammen. Sie nahm sich vor, Frauen zu helfen, und wollte ein eigenes Projekt gründen, wusste aber nicht wie. „Ihr Tod hat mich aufgerütte­lt und gab mir die innere Stärke, etwas zu verändern“, erklärt Sr. Lucy im SN-Gespräch. „Ich wollte etwas tun, wusste aber nicht, wie ich das machen soll, woher bekomme ich das Geld?“In dieser Zeit stand ihr Pater Francis X. D’Sa zur Seite, hörte ihr zu und ermutigte sie, ihren Zielen zu folgen. Er brachte sie auch mit dem 2018 verstorben­en Eugendorfe­r

Bernhard Girardi in Kontakt, der ein großer Unterstütz­er ihrer Arbeit wurde. So gründete sie die Organisati­on „Maher“(dt. Haus der Mutter). Er sicherte ihr auch die finanziell­e Unterstütz­ung zu, das erste Grundstück zu kaufen und ein Schutzhaus für Frauen zu errichten. So wurde am 2. Februar 1997 das erste Maher-Haus eröffnet. „Noch in derselben Nacht zogen zwei misshandel­te Frauen als erste Bewohnerin­nen in das Haus ein“, heißt es in dem Buch „Maher – Aufbruch in ein neues Leben“.

Seither hat die römisch-katholisch­e Ordensfrau rund 70 Hilfs- und Entwicklun­gsinitiati­ven in sieben indischen Bundesstaa­ten ins Leben gerufen. Zu Beginn stand für die heute 67-Jährige die Hilfe für Frauen und deren Kinder, die von Gewalt betroffen waren, im Vordergrun­d. „Aber plötzlich sah ich so viele Kinder, die auf der Straße bettelten und schliefen, und nahm sie auf“, sagt Sr. Lucy. Und auch Männer finden inzwischen Schutz in den Maher-Häusern: „Und dann habe ich bemerkt, dass auch viele Männer auf der Straße leben. Und ich habe begonnen, ihnen Unterkunft zu geben. Ich hatte Sorge, ob das zu bewerkstel­ligen ist, fand aber heraus, dass es viel einfacher war, als ich gedacht hatte.“Heute hilft sie allen Menschen, die in Not geraten sind – unabhängig von Herkunft, Religion, Hautfarbe oder Kastenzuge­hörigkeit. Viele haben auch psychische Probleme. „Ich arbeite im Dienste der Menschheit.“Sr. Lucy und ihr Team setzen dabei auf das Prinzip der Hilfe zur Selbsthilf­e. Die Menschen können so lange in den Heimen bleiben, bis sie unabhängig leben können. Frauen erhalten eine handwerkli­che Ausbildung und lernen, wie korrekte Buchhaltun­g aussieht. Ihre Kinder können in die Schule gehen.

„Die Menschen kommen zu uns mit hängenden Köpfen. Wenn sie einige Zeit bei uns waren, sind sie nicht mehr schüchtern, sie können sagen, was ihnen passiert ist, und ihr eigenes Leben leben. Frauen wird immer erklärt, sie seien von einem Mann abhängig und könnten nie frei sein. Aber nach der Zeit bei Maher verdienen sie ihr eigenes Geld – und sind damit auch ein Vorbild für andere“, erklärt Sr. Lucy. Auch einige Frauen und inzwischen erwachsene Kinder, die bei Maher Unterschlu­pf fanden, arbeiten heute für die Organisati­on.

Ihre schier endlose Kraft und Lebensfreu­de schöpft Sr. Lucy aus ihrem Glauben an Gott. „Und wenn ich die Veränderun­g bei den Menschen sehe, sie wieder eigenständ­ig leben können – das gibt mir sehr viel Motivation und Energie zurück. Beispielsw­eise ein Kind, das einst gebettelt hat und jetzt ein Offizier in der Armee ist. Wir brauchen nicht mehr als das.“

„Es gibt mir Energie, wenn ich die Veränderun­g bei den Menschen sehe.“Sr. Lucy Kurien, Maher-Gründerin

SN-Info: Sr. Lucy Kurien ist am Montag, dem 22. April, um 19 Uhr im Bondeko im Missionsha­us Liefering, Schönleite­nstraße 1, in der Stadt Salzburg zu einem Gesprächsa­bend zu Gast.

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BILD: SN/ MAHER/AMOL TRIBHUVAN Lebensfroh: Sr. Lucy Kurien hilft Frauen, Kindern und auch Männern.

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