Wie Musik Generationen verbindet
Zwischen Jung und Alt kann ein Generationenkonflikt herrschen: woher er kommt und wie Musik diesem entgegenwirken kann.
Die einen kennen keine Welt ohne Musik-Streamingdienste wie YouTube oder Spotify, die anderen erinnern sich noch an die Zeit, als sie ihre erste Audiokassette gekauft haben, um Musik zu hören. Von Babyboomern über die Gen X, Millennials, Gen Z bis hin zur Generation Alpha: Sie alle unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht.
Während die Jungen stark digital geprägt sind, haben die Älteren ihre Kindheit in einer analogen Welt erlebt. Das führt zu einem Verständnisverlust. Rüdiger Maas ist Generationenforscher und erklärt: „Es entstehen Ängste und Vorurteile, der Zusammenhalt schwindet.“Der Gen Z wird etwa zugeschrieben, sie sei arbeitsfaul. Den Babyboomern hingegen sagen die Jungen nach, sie seien spießig. In einem Spruch zusammengefasst: „Okay, Boomer.“Nur denke keiner daran, welche Welt wir den Älteren zumuteten,
wenn nur noch alles digital bestehen könne, sagt Maas. Und alle fühlten sich unverstanden. „Gehen die Generationen nicht aufeinander zu, bleiben sie in ihrer Altersgruppe und werden in ihren Aussagen bekräftigt. Das spiegelt aber nicht die Realität wider“, warnt Maas.
Eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, bietet die Musik. Auch
wenn sich die Generationen in der Wertbetrachtung unterschieden, stellten Noten und Instrumente eine verbindende Konstante dar, erklärt der Generationenforscher. „Für Ältere war es schwieriger, an Musik zu kommen, und daher sehr viel wert“, sagt er. Mittlerweile hat sich das Musikstreaming etabliert; auf verschiedenen Plattformen ist ein Song nur einen Klick entfernt. Das habe die Musik entwertet. Aber: „Mozart ist sowohl für Kinder als auch für Senioren alt“, sagt Maas.
Ein generationenverbindendes Musikprojekt leitet Heike Henning, Professorin für Instrumental- und Gesangspädagogik an der Universität Mozarteum. Sie sagt: „Musik ist geradezu prädestiniert, Kontakt zwischen Generationen herzustellen.“Daher ist das sogenannte intergenerative Musizieren ein Aspekt von ChoirAtHome, einem Onlinechor, in dem Jung und Alt virtuell miteinander singen. Die Altersstruktur des Chors sei gemischt und das Geschlechterverhältnis ausgewogener als üblich. Das Projekt soll künftig auch in Altenheimen umgesetzt werden, wo intergenerationeller Kontakt nicht selbstverständlich sei.
Fragt man Rebecca Voss, Professorin für Kindheitspädagogik an der International University in Erfurt, liegt die Herausforderung darin, eine Chorprobe so zu gestalten, dass die Musik für beide Generationen ansprechend ist. „Alle müssen respektvoll behandelt werden – und das beginnt bei der Liedauswahl“, sagt Voss. Neben dem musikalischen Tun seien vor allem die Austauschphasen wichtig. Dass Generationen gemeinsam musizierten, sei nichts Neues, betont Voss. „Neu ist, dass dieser Kontakt thematisiert wird.“
Projekte wie diese tragen dazu bei, dass die Generationen offener auf die Bedürfnisse der anderen eingehen. „Kinder wachsen als empathische Menschen auf und Senioren verstehen die Jungen besser“, sagt Voss. Besonders in Altenheimen werde dadurch die Scheu vor der Institution aufgebrochen und das Stigma abgebaut. Außerdem könnten Kinder sehen, dass es dort auch Berufe gebe, in denen sie arbeiten könnten. „Es öffnet das Interesse an dem Berufsfeld“, betont die Pädagogin.