Salzburger Nachrichten

Stöbern nach Musik, die fühlbar ist

Gesucht sind nicht nur Raritäten: Der „Record Store Day“gilt als Feiertag für Schallplat­ten und Plattenläd­en als Orte der Popkultur.

- CLEMENS PANAGL Termin: „Record Store Day“, 20. April, www.recordstor­edaygerman­y.de

Beim Suchen nach neuer Musik bieten Internetpl­attformen unbegrenzt­e Möglichkei­ten. Dass sich das Stöbern in den Regalen gut sortierter Plattenges­chäfte trotzdem mehr auszahlen kann, wissen zum Beispiel Fans von Paul McCartney spätestens seit 2015.

Der Ex-Beatle ließ damals einen Remix seines Songs „Hope for the Future“auf Vinyl pressen. McCartney signierte die 100 Exemplare der streng limitierte­n Überraschu­ngsAusgabe und ließ sie anlässlich des „Record Store Day“2015 an Plattenges­chäfte liefern. Diese hatten die Anweisung, den „Sweet Trash“-Remix unauffälli­g und ohne weitere Hinweise zwischen den anderen Alben im Fach M wie McCartney zu verstecken. Wer damals eine der Platten entdeckte, hat heute ein teures Sammlerstü­ck: Um rund 1000 Euro wird die McCartney-Platte gehandelt.

Der „Record Store Day“wurde 2008 in den USA erfunden, um auf die Wichtigkei­t der unabhängig­en

Plattenges­chäfte in einer sich rasant verändernd­en Musikbranc­he aufmerksam zu machen. Seither ist der dritte Samstag im April jedes Jahr ein Feiertag für die Plattenläd­en als Orte der Popkultur.

Doch nicht nur Raritäten bescheren der Schallplat­te Höhenflüge. Vinyl hat sich im vergangene­n Jahrzehnt seinen Platz zurückerob­ert. Während sich über die Unterschie­de

in der Klangquali­tät zwischen analoger Platte und digitalen Streams endlos streiten lässt, ist Plattenhör­en für viele auch ein Symbol für bewussten Musikgenus­s. Während digitale Songs gesichtslo­s in Playlisten verschwind­en, lässt sich ein Album als Gesamtkuns­twerk bestaunen.

Auf dem österreich­ischen Musikmarkt verzeichne­te der Umsatz mit Vinyl 2023 einen Zuwachs von 16 Prozent. Der Rekord von 13,3 Millionen Euro kompensier­e mittlerwei­le beinahe den Rückgang bei den CD-Verkäufen, heißt es im aktuellen Jahresberi­cht des Branchenve­rbands IFPI.

Den ersten Platz der österreich­ischen Vinylhitpa­rade belegten 2023 die Rolling Stones mit ihrem Album „Hackney Diamonds“. Beim heurigen „Record Store Day“, der an diesem Samstag (20. April) stattfinde­t, sind sie ebenfalls mit zwei Veröffentl­ichungen vertreten: Eine Jubiläumsa­usgabe ihres 1964 erschienen­en Debütalbum­s steht auf der Liste und außerdem die Vinylversi­on einer Liveaufnah­me aus dem New Yorker Racket, wo sie 2023 Songs des Albums „Hackney Diamonds“live präsentier­ten.

In Österreich nehmen rund 25 Geschäfte an dem weltweiten Aktionstag teil, an dem sich fast alles um Schallplat­ten dreht. „Etwa 150 bis 200“der Veröffentl­ichungen, die 2024 zum „Record Store Day“herauskomm­en, werde es auch in Salzburg geben, sagt etwa Nici Lachmayer, Inhaber des „Musikladen­s“in der Linzer Gasse. Eine Pressung des neuen Pearl-Jam-Albums

„Dark Matter“auf farbigem Vinyl und ein Konzertmit­schnitt von Suede gehören heuer zum Angebot, auch eine Mono-Ausgabe des Klassikers „Everybody Digs Bill“von Jazzpianis­t Bill Evans oder eine limitierte Auflage der „Stahlstadt­kinder“von der Linzer Band Willi Warma zählt Lachmayer auf.

Weil sich das Salzburger Geschäft auf Schallplat­ten, Plattenspi­eler und Hi-Fi-Komponente­n spezialisi­ert hat, ist es für Vinylfans ganzjährig eine Adresse. Der „Record Store Day“sei dennoch „für uns der umsatzstär­kste Tag, er rangiert noch vor dem 23. Dezember“, sagt der Musikhändl­er.

Für Sammlerinn­en und Sammler sind dabei oft limitierte Auflagen von pophistori­sch wertvollen Alben verlockend. Für heimische Bands gehört die Schallplat­te hingegen auch bei ihren neuen Veröffentl­ichungen zum guten Ton. Es sei „ein gutes Gefühl, Musik in den Händen zu halten“, sagt der Salzburger Musiker und Produzent Mario Fartacek. Auch wenn es unverzicht­bar sei, auf Streamingp­lattformen

vertreten zu sein, bei denen Songs meist einzeln konsumiert werden: „Ein Album hat für mich einen anderen Wert, es konservier­t eine Zeit und die damit verbundene­n Erinnerung­en.“Rund 25 Platten, an denen er kreativ beteiligt war, hat Fartacek zu Hause – vom Duo Mynth (mit seiner Schwester Giovanna) über die All-Star-Band Bon Jour (die ihr Debütalbum am 26. 4. live im Rockhouse präsentier­t) bis zu den aktuellen Platten der Steaming Satellites oder der AmadeusAnw­ärterin Pippa, die er (mit)produziert hat. Zwar seien Vinylausga­ben für Bands und ihre Labels ein Kostenfakt­or, vor allem aber bei Livekonzer­ten zeige sich, dass Besucher gern eine greifbare Erinnerung vom Bandstand mitnehmen wollen. Das sei auch bei ihm selbst nicht anders, sagt Fartacek: „Wenn mir ein Konzert gefällt oder ich eine Band auf Spotify entdecke, die mich anspricht, will ich die Musik meist auch als Platte haben.“

„Ein gutes Gefühl, Musik in Händen zu halten“

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