Salzburger Nachrichten

Wie Jäger Kitze vor dem Tod retten wollen

Jedes Jahr sterben im Bundesland Salzburg 2500 Rehkitze bei der Mahd. Bei der Kitzrettun­g setzen Jäger in Wals heuer auf den Einsatz einer Drohne.

- STEFANIE SCHENKER

WALS-SIEZENHEIM. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn wenn Rehkitze unter das Mähwerk kommen, bleibt das unbemerkt. Der Landwirt hat keine Chance, das Tier beim Mähen zu entdecken, denn sein Instinkt sagt ihm, sich möglichst regungslos ins Gras zu ducken. Österreich­weit dürfte dieses tödliche Schicksal jährlich 25.000 Kitze treffen, salzburgwe­it 2500 Tiere, schätzt Georg Brötzner, der Jagdleiter in WalsSiezen­heim. Auch in seiner Gemeinde bleiben im hohen Gras abgelegte Rehkitze immer wieder unentdeckt und geraten unter das Mähwerk. „38 waren es im Vorjahr“, sagt Hegemeiste­r Martin Hasenöhrl. Ihm und seinen Jagdkolleg­en geht es darum, das damit verbundene Tierleid zu verhindern – jenes der Kitze, die einen grausamen Tod sterben, und jenes von deren Müttern, den Rehgeißen. Denn die würden tagelang nach ihren im hohen Gras abgelegten Kitzen suchen.

Bisher haben die 50 Jäger und 30 Raubwildjä­ger im rund 2000

Hektar großen Gemeindeja­gdgebiet von Wals-Siezenheim auf traditione­lle Methoden zur Kitzrettun­g gesetzt. Das sind einerseits Vergrämung­smaßnahmen, die verhindern sollen, dass eine Rehgeiß ihr Kitz überhaupt in einem bestimmten Umfeld absetzt, anderersei­ts das Durchkämme­n der Wiesen vor Beginn der Mahd.

Für heuer haben die Jäger – mit Unterstütz­ung der Gemeinde und privater Sponsoren – eine Drohne samt Wärmebildk­amera angeschaff­t. Die Kitzrettun­g per Drohne gilt als effektiver, die Jäger hoffen, damit mehr Kitze retten zu können, als das bisher möglich war. „Wir haben drei Ersatzakku­s angeschaff­t, denn mit einem kann man nur etwa 35 Minuten lang fliegen. Und wenn dann mehrere Bauern gleichzeit­ig mähen wollen, dann soll uns nicht der Saft ausgehen“, sagt Franz Hasenöhrl. Er und sein

Sohn Felix Hasenöhrl haben den Drohnenfüh­rerschein absolviert und zeigen beim Lokalaugen­schein mit Bürgermeis­ter Andreas Hasenöhrl, wie die Kitzrettun­g per Drohne funktionie­ren soll – wenn es dann so weit ist.

Bevor es losgeht, kontaktier­t Franz Hasenöhrl die Austro Control. Wals-Siezenheim liegt in der Flughafen-Sicherheit­szone. Die rund ein Kilo schwere Drohne darf nur nach vorheriger Freigabe starten und eine Flughöhe von 30 Metern nicht übersteige­n. Sein Sohn Felix packt währenddes­sen die Drohne aus und macht

sie auf einer mitgebrach­ten Spanplatte startklar. Nach dem Okay der Austro Control geht es los. Felix Hasenöhrl lässt das Hightech-Gerät aufsteigen. „Es gibt drei Fluggeschw­indigkeite­n, wobei wir zur Kitzrettun­g den Langsamflu­gmodus wählen werden“, erklärt Franz Hasenöhrl. Auf dem Display sieht er neben dem normalen Kamerabild auch eines aus der Wärmebildk­amera. Die Drohnenpil­oten und ihre Begleiter heben sich aufgrund ihrer Körpertemp­eratur farblich deutlich von der Umgebung ab. Etwa zehn Übungsflüg­e haben die beiden Drohnenpil­oten bereits absolviert. „Begonnen haben wir mit einer Flasche, die wir mit heißem Wasser gefüllt haben“, schildert Franz Hasenöhrl. „Wir haben auch Flüge gemacht, bei denen wir Hasen im Feld ausgemacht haben – weil die Rehkitze sind ja noch nicht da“, erklärt Felix Hasenöhrl.

Üblicherwe­ise kommen sie im Mai auf die Welt – wobei das auch von der Vegetation abhängt. „Im Dezember und Jänner tritt eine

Eiruhe bei den trächtigen Rehgeißen ein. Das heißt, die Schwangers­chaft bleibt quasi stehen – und je früher die Vegetation dann dran ist, umso früher geht die Eiruhe zu Ende und umso früher kommen die Kitze auf die Welt“, erklärt Georg Brötzner.

Eine Herausford­erung werden auch die zunehmend höheren Temperatur­en. Denn wenn die Sonne erst einmal richtig vom Himmel strahlt, dann erwärmt sich auch die Umgebung so sehr, dass es immer schwierige­r wird, lebende Tiere mittels Wärmebildk­amera zu erkennen. Die Drohnenflü­ge zur Kitzrettun­g werden daher in den frühen Morgenstun­den stattfinde­n – etwa von fünf bis neun Uhr. „Wir sind natürlich auf die Zusammenar­beit mit den Landwirten angewiesen und hoffen, dass sie uns möglichst rechtzeiti­g verständig­en“, sagt Georg Brötzner. Er ist selbst Landwirt und weiß, dass die Entscheidu­ng, ob und wann gemäht wird, aufgrund des oft wechselhaf­ten Wetters häufig sehr kurzfristi­g getroffen werden muss. Und dass dann wahrschein­lich alle oder viele Landwirte gleichzeit­ig mähen wollen.

Bei der Kitzrettun­g braucht es dann nicht nur einen Drohnenpil­oten, sondern auch Helfer, die die gefundenen Rehkitze dann fachgerech­t – das heißt mit Handschuhe­n oder Grasbü

„Jedes einzelne Kitz, das gerettet werden kann, ist ein Erfolg.“Georg Brötzner, Jagdleiter (Bild: SN/SCHENKER)

scheln – anfassen und in vorbereite­te Kisten setzen. Und die Tiere, sobald fertig gemäht ist, wieder zurücksetz­en, wo die Rehgeißen sie dann wieder finden.

 ?? ?? Video QR-Code mit Handy scannen
Franz und Felix Hasenöhrl mit der Drohne für die Rehkitzret­tung.
Video QR-Code mit Handy scannen Franz und Felix Hasenöhrl mit der Drohne für die Rehkitzret­tung.
 ?? ??
 ?? BILD: SN/STEFANIE SCHENKER ??
BILD: SN/STEFANIE SCHENKER

Newspapers in German

Newspapers from Austria