Spionagefall erschüttert das EU-Parlament
Deutsche Behörden nahmen einen Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten fest. Es ist nicht der einzige Verdachtsfall.
Zuerst Katar und Marokko, dann Russland, nun China: Die Liste von Drittstaaten, die versucht haben sollen, Einfluss auf Entscheidungen des EU-Parlaments zu nehmen bzw. dort Informationen abzugreifen, ist am Dienstag um einen Fall länger geworden. Ein Mitarbeiter des AfDAbgeordneten Maximilian Krah ist in Dresden festgenommen worden, weil er verdächtigt wird, für einen chinesischen Geheimdienst gearbeitet zu haben. Die Parlamentsverwaltung suspendierte den Mann.
Krah, der bei der Plenarsitzung des Parlaments in Straßburg weilte, gab an, von der Festnahme seines Mitarbeiters durch Medienberichte erfahren zu haben. Die Vorwürfe, seien „eine schwerwiegende Anschuldigung“, sagte Krah. Er kündigte an, das Dienstverhältnis zu beenden, sollte sich der Verdacht erhärten. Krah ist nicht irgendeiner der neun Abgeordneten, die für die
Alternative für Deutschland im Europäischen Parlament sitzen. Er soll als Spitzenkandidat der Rechtsaußen-Partei in die EU-Wahl Anfang Juni gehen. Ob es dabei bleibt, war am Dienstag offen – Krah wurde zu einem Gespräch mit den Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla nach Berlin zitiert.
Der Vorsitzende des Außenausschusses des Parlaments, David McAllister (CDU), sprach von einem „ungeheuerlichen, sehr schwerwiegenden Vorgang“. Die europäischen Grünen forderten Aufklärung. Auch die FPÖ musste Fragen zu der Affäre beantworten – sie gehört wie die AfD der rechts-nationalistischen Fraktion „Identität und Freiheit“an. Die Vorwürfe „muss man sich anschauen“, meinte Delegationsleiter Harald Vilimsky am Rande der Plenarsitzung. Er ordnete den Fall ein als eine der „Geschichten, die immer wenige Wochen vor der Wahl hochkommen und sich
nachher dann im Regelfall auflösen“. Stattdessen solle der Fokus auf „große Sümpfe, die trockengelegt werden müssen“, gerichtet werden. Vilimsky verwies unter anderem auf den Skandal um die Ex-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili, die verdächtigt wird, Geld aus Katar und Marokko angenommen zu haben, um im Sinne beider Länder zu lobbyieren. Gegen die Griechin und mehrere weitere Beschuldigte laufen seit knapp eineinhalb Jahren Ermittlungen der belgischen Behörden. Währenddessen übt Kaili weiterhin ihr Mandat aus.
Nicht nur der Mitarbeiter des AfD-Abgeordneten ist nun mit Vorwürfen rund um ausländische Einflussnahme konfrontiert: Gegen Krah selbst wurden kürzlich Anschuldigungen rund um das russische Propagandanetzwerk „Voice of Europe“erhoben, das mit Mitteln aus Moskau finanziert wurde. Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala machte den Fall Ende März publik, nachdem der Geheimdienst die Aktivitäten aufgedeckt hatte. Auf der Internetseite, die seither nicht mehr abrufbar ist, sollen Erklärungen von Politikern veröffentlicht worden sein, die die EU aufgefordert haben sollen, die Ukraine nicht länger zu unterstützen. Dafür sollen Politiker aus Belgien,
Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Ungarn Geld erhalten haben, zum Teil auch um Wahlkampfkosten abzudecken. Auch Krah gab „Voice of Europe“zwei Interviews, stritt aber ab, dafür bezahlt worden zu sein – mit dieser „angeblich russischen Einmischung im Parlament“im Vorfeld der EU-Wahl setzt sich das Plenum am Mittwoch und am Donnerstag bei der Plenarsitzung in Straßburg auseinander.
Es soll weitere Verbindungen von EU-Abgeordneten zu Russland geben. Lettlands Sicherheitsbehörden ermitteln wegen mutmaßlicher Kontakte zu einem Geheimdienst seit Februar gegen die fraktionslose Mandatarin Tatjana Ždanoka. Auch das EU-Parlament untersucht die Vorwürfe. Ždanoka sitzt dort seit 2004 und verließ die Fraktion der Grünen, weil sie den Angriff Russlands auf die Ukraine nicht verurteilen wollte.