ÖVP-Rebell gewinnt Wahl in Innsbruck
Die Schwarzen wollten ihn nicht mehr haben und warfen ihn hinaus. Jetzt ist Johannes Anzengruber der neue Bürgermeister.
Der neue Innsbrucker Bürgermeister Johannes Anzengruber reiht sich ein in eine lange Liste von erfolgreichen „ehemaligen“Schwarzen in der Tiroler Landeshauptstadt. Der eindeutige Sieg des ÖVP-Rebellen in der Stichwahl bedeutet zunächst einmal eine herbe Schlappe für den bisherigen Bürgermeister Georg Willi. Es kommt selten vor, dass Amtsinhaber abgewählt werden. Der Grüne war kommunalpolitisch zu erratisch unterwegs, hatte Schwierigkeiten, seine bunte Regierungskoalition im Zaum zu halten. Selbst seine eigenen Gefolgsleute liefen ihm zum Teil davon. Und jetzt auch die Wählerinnen und Wähler.
Peinlich ist das Ergebnis aber vor allem für die ÖVP. Sie ließ den damaligen Vizebürgermeister Anzengruber fallen, hievte den in Innsbruck nicht verankerten früheren Staatssekretär Florian Tursky in den Sattel und scheiterte mit ihm fulminant. Eine totale Fehleinschätzung.
Inhaltlich wird sich an der Politik in Innsbruck durch den Bürgermeisterwechsel aber nicht allzu viel ändern. Der neue Chef im Rathaus wird die Grünen brauchen, um endlich etwas voranzubringen. Willi bleibt als angeschlagener Vizebürgermeister in der Stadtpolitik. Er hat in fünf Jahren keine Trendwende bei hohen Mieten oder dem Verkehrsproblem zustande gebracht. Die Themen bleiben also.
Insgesamt hat sich die Bürgermeisterwahl von Innsbruck wie auch die vorangegangene in der Stadt
Salzburg in mehrfacher Hinsicht von bisherigen Urnengängen unterschieden. Die wichtigsten Punkte: Es sind auch heute noch sachliche Wahlkämpfe ohne gegenseitige Hasstiraden und Verletzungen möglich. Protest gegen die Machthaber ist mittlerweile an beiden Rändern des politischen Spektrums möglich. Und selbst die attraktivsten Protestparteien schneiden nur bescheiden ab, wenn sie keine glaubwürdigen und charismatischen Persönlichkeiten an der Spitze haben.
Alle Parteien und deren Kandidaten stellten aber nicht nur auf die zweifellos bestehenden Probleme ab, wie dies in üblichen Wahlkämpfen der Fall war, sondern wollten auch Lösungsansätze aufzeigen.
Mit ein Grund für die Harmonie mag das immer wieder kritisierte Proporzsystem sein. Es zwingt alle Parteien je nach Stärke an den Regierungstisch. Man weiß also schon vor der Wahl, dass man nachher wieder zusammenarbeiten muss.
Besonders bösartige Angriffe, die oft nur für die soziale Medientribüne ausgeführt werden, sind unterblieben. Es gab das, was in der Politik selten vorkommt: Rücksicht auf mögliche Verluste. Innsbruck zeigte, wie Wahlen auch ablaufen können: sachlich, lösungsorientiert, kompromissbereit, realistisch, respektvoll. Und natürlich überraschend.