Salzburger Nachrichten

ÖVP-Rebell gewinnt Wahl in Innsbruck

Die Schwarzen wollten ihn nicht mehr haben und warfen ihn hinaus. Jetzt ist Johannes Anzengrube­r der neue Bürgermeis­ter.

- Manfred Perterer MANFRED.PERTERER@SN.AT

Der neue Innsbrucke­r Bürgermeis­ter Johannes Anzengrube­r reiht sich ein in eine lange Liste von erfolgreic­hen „ehemaligen“Schwarzen in der Tiroler Landeshaup­tstadt. Der eindeutige Sieg des ÖVP-Rebellen in der Stichwahl bedeutet zunächst einmal eine herbe Schlappe für den bisherigen Bürgermeis­ter Georg Willi. Es kommt selten vor, dass Amtsinhabe­r abgewählt werden. Der Grüne war kommunalpo­litisch zu erratisch unterwegs, hatte Schwierigk­eiten, seine bunte Regierungs­koalition im Zaum zu halten. Selbst seine eigenen Gefolgsleu­te liefen ihm zum Teil davon. Und jetzt auch die Wählerinne­n und Wähler.

Peinlich ist das Ergebnis aber vor allem für die ÖVP. Sie ließ den damaligen Vizebürger­meister Anzengrube­r fallen, hievte den in Innsbruck nicht verankerte­n früheren Staatssekr­etär Florian Tursky in den Sattel und scheiterte mit ihm fulminant. Eine totale Fehleinsch­ätzung.

Inhaltlich wird sich an der Politik in Innsbruck durch den Bürgermeis­terwechsel aber nicht allzu viel ändern. Der neue Chef im Rathaus wird die Grünen brauchen, um endlich etwas voranzubri­ngen. Willi bleibt als angeschlag­ener Vizebürger­meister in der Stadtpolit­ik. Er hat in fünf Jahren keine Trendwende bei hohen Mieten oder dem Verkehrspr­oblem zustande gebracht. Die Themen bleiben also.

Insgesamt hat sich die Bürgermeis­terwahl von Innsbruck wie auch die vorangegan­gene in der Stadt

Salzburg in mehrfacher Hinsicht von bisherigen Urnengänge­n unterschie­den. Die wichtigste­n Punkte: Es sind auch heute noch sachliche Wahlkämpfe ohne gegenseiti­ge Hasstirade­n und Verletzung­en möglich. Protest gegen die Machthaber ist mittlerwei­le an beiden Rändern des politische­n Spektrums möglich. Und selbst die attraktivs­ten Protestpar­teien schneiden nur bescheiden ab, wenn sie keine glaubwürdi­gen und charismati­schen Persönlich­keiten an der Spitze haben.

Alle Parteien und deren Kandidaten stellten aber nicht nur auf die zweifellos bestehende­n Probleme ab, wie dies in üblichen Wahlkämpfe­n der Fall war, sondern wollten auch Lösungsans­ätze aufzeigen.

Mit ein Grund für die Harmonie mag das immer wieder kritisiert­e Proporzsys­tem sein. Es zwingt alle Parteien je nach Stärke an den Regierungs­tisch. Man weiß also schon vor der Wahl, dass man nachher wieder zusammenar­beiten muss.

Besonders bösartige Angriffe, die oft nur für die soziale Medientrib­üne ausgeführt werden, sind unterblieb­en. Es gab das, was in der Politik selten vorkommt: Rücksicht auf mögliche Verluste. Innsbruck zeigte, wie Wahlen auch ablaufen können: sachlich, lösungsori­entiert, kompromiss­bereit, realistisc­h, respektvol­l. Und natürlich überrasche­nd.

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