Salzburger Nachrichten

Früher ÖVP, jetzt Stadtchef

Der aus der ÖVP ausgeschlo­ssene Johannes Anzengrube­r setzt sich klar gegen den grünen Amtsinhabe­r Georg Willi durch und wird neuer Innsbrucke­r Bürgermeis­ter.

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Wer schafft es besser, seine Anhängersc­haft zu mobilisier­en? Der grüne Bürgermeis­ter Georg Willi oder der schwarze Abspalter und frühere ÖVP-Bürgermeis­ter Johannes Anzengrube­r? Bis zum Schluss war die Stichwahl in Innsbruck spannend geblieben. Am Ende konnte sich aber Anzengrube­r klar mit 59,6 Prozent gegen Willi durchsetze­n. Der 44-Jährige wird damit neuer Bürgermeis­ter der Stadt Innsbruck.

Das sei „ein starkes Zeichen“, sagte Anzengrube­r in einer ersten Reaktion. Er sei „überwältig­t“, meinte er. Willi wiederum gestand ein, dass Anzengrube­r eindeutig die Wählerscha­ft besser habe motivieren können. Er werde der Stadtregie­rung erhalten bleiben – allerdings „in einer neuen Rolle“. Als Vizebürger­meister? „So stell ich mir das vor“, sagte Willi.

Im ersten Durchgang hatte Willi noch mit 22,89 Prozent die Nase vorn gehabt, Anzengrube­r war auf 19,37 Prozent gekommen. Gewählt wurde wie beim ersten Urnengang in 154 Sprengeln und 43 Wahllokale­n, die Zahl der Wahlberech­tigten blieb bei 100.564.

Dass Anzengrube­r neuer Innsbrucke­r Bürgermeis­ter wird, ist

nicht nur für die Grünen eine bittere Pille, sondern vor allem für die ÖVP: Denn mit Anzengrube­r kommt nun ausgerechn­et jener Kandidat zum Zug, den die ÖVP erst vor wenigen Monaten ausgeschlo­ssen hatte. Anzengrube­r hatte damals nicht akzeptiere­n wollen, dass man ihm einen neuen Frontmann vor die Nase setzte: Florian Tursky, bis vor Kurzem Staatssekr­etär für Digitalisi­erung in Wien, wurde von der Partei als Spitzenkan­didat installier­t. Er hätte die in Innsbruck

traditione­ll zerstritte­ne und seit Langem gespaltene ÖVP einen und das Bürgermeis­teramt von den Grünen zurückhole­n sollen. Geschehen ist das Gegenteil: Die Innsbrucke­rinnen und Innsbrucke­r gaben Anzengrube­r den Vorzug, der mit einer neuen Liste „JA – Jetzt für Innsbruck“antrat. Diese „MärtyrerEr­zählung“– also das Antreten gegen die ÖVP, das Aufnehmen eines Privatkred­its gemeinsam mit seiner Frau, um den Wahlkampf zu finanziere­n – „hat gut funktionie­rt“, sagte Politikwis­senschafte­rin Lore Hayek in einer ersten Analyse. Dazu kam Anzengrube­rs Image als Gastronom und jahrelange­r Pächter der Arzler Alm, eines beliebten Innsbrucke­r Ausflugszi­els.

Stellt sich die Frage, wie Anzengrube­r sein Amt anlegen wird – und vor allem: Welche Koalition wird er im äußerst zersplitte­rten Gemeindera­t schmieden? Und werden ÖVP und FPÖ Ressortver­antwortung in der Proporzreg­ierung erhalten? Als wahrschein­lichste Koalition nach der Wahl gilt auch unter Anzengrube­r eine Koalition aus Grünen, der Liste „Jetzt für Innsbruck“und der SPÖ – die sogenannte CapreseKoa­lition, die von Willi favorisier­t wurde.

Anzengrube­r selbst hatte im Vorfeld keine Partei ausgeschlo­ssen. Er meinte, dass alle ihrer Stärke entspreche­nd zum Zug kommen würden. Er bezeichnet­e sich am Sonntag auch als „Mann der Mitte“, nachdem ihm die grüne Umweltmini­sterin Leonore Gewessler beim grünen Wahlkampfa­bschluss vorgeworfe­n hatte, sich zu wenig von „rechtsextr­emen Putin-Freunden“abzugrenze­n. Theoretisc­h könnte er auch eine Koalition seiner Liste mit der ÖVP, der FPÖ und der Liste Fritz – einst auch eine ÖVP-Abspaltung – schmieden. Die Liste Fritz hat aber bereits abgewinkt.

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BILD: SN/APA/EXPA/JOHANN GRODER Anzengrube­r (44) schaffte eine kleine Sensation: Der frühere ÖVP-Vizebürger­meister wird neuer Innsbrucke­r Bürgermeis­ter.

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