Salzburger Nachrichten

Österreich sagt illegalen Wildtierjä­gern den Kampf an

Gemeinsam mit Deutschlan­d will man bis 2028 gegen Wildtierkr­iminalität systematis­ch vorgehen. Tierschütz­er, Wissenscha­ft und Polizei aus beiden Ländern erwartet keine leichte Aufgabe.

- ANDREAS TRÖSCHER

Mehr als 1600 Fälle illegaler Greifvogel­verfolgung wurden seit 2005 in Deutschlan­d nachgewies­en. 13 Luchse – ein Zehntel des Bestandes im Nachbarlan­d – gelten als verschwund­en. Dazu kommen 79 illegal erlegte Wölfe seit dem Jahr 2000. Die Zahlen stammen vom WWF. Dieser weist auch für Österreich mehr als 200 getötete Wildvögel sowie 16 streng geschützte Säugetiere aus, die zwischen 2016 und 2022 Opfer illegaler Verfolgung wurden. Die Dunkelziff­er dürfte weit höher liegen. Denn viele Fälle bleiben nach wie vor unentdeckt. Oder werden nicht gemeldet.

Ein grenzübers­chreitende­s EULife-Projekt, das bis 2028 läuft und unter dem Begriff „wildLIFEcr­ime“firmiert, soll diesen Zustand deutlich verbessern. Tierschutz­organisati­onen, Universitä­ten, Institute und Polizei aus beiden Ländern arbeiten dabei Hand in Hand. Das Projekttea­m setzt sich aus dem WWF Deutschlan­d, WWF Österreich, BirdLife Österreich, Universitä­t Bremen, Polizeiprä­sidium Niederbaye­rn, Polizeiprä­sidium Oberpfalz, österreich­ischem Bundeskrim­inalamt, Leibniz-Institut für Zoound Wildtierfo­rschung, Veterinärm­edizinisch­er Universitä­t Wien, Ökobüro – Allianz der Umweltbewe­gung, Luchs Bayern e. V., dem Komitee gegen den Vogelmord e. V. sowie dem Ministeriu­m für Umwelt, Naturschut­z und Verkehr Nordrhein-Westfalen zusammen.

Leicht dürfte es allerdings nicht werden, mehr Tätern als bisher das Handwerk zu legen, erklärt Chefinspek­tor Karl Frauenberg­er, Leiter der Abteilung Umweltkrim­inalität im Bundeskrim­inalamt. Ausgeforsc­hte Verdächtig­e waren bislang eher die Ausnahme. Verurteilu­ngen gab es kaum eine Handvoll. „Wir haben europaweit ein großes Zahlenprob­lem. Strafrecht­liche Delikte sind in diesem Bereich kaum darstellba­r.“

Hierzuland­e gelten Ober- und Niederöste­rreich (Hotspot: Weinvierte­l) sowie das nördliche Burgenland (besonders der Seewinkel) als

Schwerpunk­tgebiet umweltkrim­inalistisc­her Arbeit. Vor allem, was die Vergiftung von Greifvögel­n betrifft. Angaben der Organisati­on BirdLife zufolge wurden rund um den Jahreswech­sel 2023/24 im Bezirk Grieskirch­en (OÖ) zwei Mäusebussa­rde und im Bezirk Neusiedl am See (B) ein Seeadler vergiftet. Chefinspek­tor Frauenberg­er will zusätzlich auch Kärnten unter die Lupe nehmen: „In Slowenien und Italien hat die Jägerschaf­t die Wiederansi­edlung von Luchsen initiiert. Sobald die ausgewilde­rten Tiere aber nach Kärnten kommen, werden sie abgeschoss­en. Das finde ich unglaublic­h.“

Was erschweren­d hinzukommt: Die Personalde­cke bei der Polizei ist nicht allzu dick. Insgesamt stehen in neun Bundesländ­ern 28 Ermittlung­sbeamte in den Landeskrim­inalämtern für den Bereich Umweltkrim­inalität zur Verfügung. Hinzu kommen rund 400 sogenannte umweltkund­ige Organe. Das sind Streifenpo­lizisten, die sich nebst ihren üblichen Tätigkeite­n auch um Umweltdeli­kte kümmern. Frauenberg­er und sein langjährig­er Kollege Klaus Lipp haben im Vorjahr zwei Kolleginne­n dazubekomm­en. „Darüber bin ich sehr froh. Ich würde sie am liebsten nie wieder hergeben“, sagt Frauenberg­er. Ob er das kann, ist aber ungewiss. Denn die beiden sind dienstzuge­teilt – und fehlen somit auf einem Polizeipos­ten.

Nächstes Manko: Es gibt in ganz Österreich nur einen einzigen Hund, der auf das Aufspüren von Wildtierka­davern und Giftködern spezialisi­ert ist. „Die Polizei hat leider keinen“, sagt Frauenberg­er. Man borgt sich den Vierbeiner vom FIWI, dem Forschungs­institut für Wildtierku­nde und Ökologie. Dieser sei bereits fix in das Life-Projekt integriert und werde bei jedem Fall mit von der Partie sein. Die Finanzieru­ng sei gesichert. Dabei wären mehrere solcher Hunde vor allem in puncto Prävention von großer Bedeutung. Stichwort: Präsenz zeigen. Vor allem im flachen Land könnten nicht anlassbezo­gene Polizeistr­eifen abschrecke­nde Wirkung zeigen.

Was in den kommenden vier Jahren besonders wichtig sei: „Gemischte Workshops, in denen Vertreter der Regionen, Landesorga­ne und natürlich auch die Jägerschaf­t zusammenko­mmen“, sagt Umweltkrim­inalist Karl Frauenberg­er. „Es geht vor allem darum, das Bewusstsei­n zu schärfen. Damit Wildtieren erst gar nicht nachgestel­lt wird.“

„Bewusstsei­n muss geschärft werden.“Karl Frauenberg­er, Bundeskrim­inalamt

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BILD: SN/BIRDLIFE Matthias Schmidt von BirdLife mit einem vergiftete­n Kaiseradle­r.
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