Salzburger Nachrichten

„Erwartung ist unrealisti­sch“

Eishockey-Teamchef Roger Bader erklärt, warum die kommende WM so wichtig ist, wie er die Entwicklun­g im heimischen Eishockey sieht und auf welchen speziellen WM-Moment er hofft.

- MICHAEL SMEJKAL

Der Schweizer Roger Bader ist seit 2016 Eishockey-Teamchef von Österreich, seit 2017 als Sportdirek­tor auch für die Entwicklun­g verantwort­lich. Am Rand des Länderspie­ls gegen Deutschlan­d (2:1) stand er den SN in Zell am See für ein Exklusiv-Interview zur Verfügung.

SN: Für den Teamchef war die lange Finalserie wohl ein Albtraum: Sie haben erst in dieser Woche den WM-Kader zusammen. Ein Problem?

Roger Bader: Die WM-Vorbereitu­ng ist immer ein rollender Prozess. Vor zwei Jahren hat Salzburg die Serie schnell beendet, da war das Team drei Wochen vor der WM schon zusammen. Heuer ist es nicht so. Anders wäre es mir lieber, aber es ist, wie es ist, ich beklage mich nicht.

SN: Eines Ihrer Markenzeic­hen ist die relativ lange WM-Vorbereitu­ng. Welchen Sinn hat es, drei Wochen mit Spielern zu trainieren, die dann vor der WM ausgemuste­rt werden?

Ich wundere mich wirklich, dass die Frage in Österreich jedes Jahr kommt. Jede große Eishockey-Nation hat eine ähnliche Vorbereitu­ng über mehrere Wochen. Unser erstes Testspiel haben wir vor vier Wochen gegen Lettland gespielt, glauben Sie, dass die da schon den WMKader zusammenge­habt haben? Dazu gibt es WM-Kandidaten, die seit vier Wochen kein Spiel mehr bestritten haben – wäre es für die sinnvoll, noch länger zu warten? Und es gibt immer wieder Spieler, die sich aufdrängen. Die Entwicklun­g, die etwa Ian Scherzer gemacht hat, war so nicht absehbar.

SN: Warum hat genau diese WM im Mai in Prag für Sie einen so großen Stellenwer­t?

Ich habe immer gesagt: Wenn wir drei Mal hintereina­nder den Klassenerh­alt schaffen, dann dürfen wir uns eine echte A-Nation nennen. Zwei Mal ist es uns jetzt gelungen,

darum nennen wir die WM heuer intern unsere Mission „Triple A“: drei Mal die A-Klasse halten.

SN: Die letzten zwei Mal lief es auf ein Herzschlag­finale im letzten Spiel hinaus. Wird das heuer auch so sein?

Realistisc­h wird Spiel sieben gegen Großbritan­nien das Entscheidu­ngsspiel sein. Wir haben auch heuer die deutlich schwierige­re Gruppe erwischt, es ist ungewöhnli­ch, dass der Erste und Zweite der Weltrangli­ste in einer Gruppe sind (Finnland und Kanada, Anm.), dazu kommen Gastgeber Tschechien und die Schweiz. Das sind die vier logischen Viertelfin­alisten und wenn ich dann lese, dass man sogar vom Viertelfin­al-Aufstieg träumt, dann kann ich nur sagen: Ist Österreich eine internetfr­eie Zone? Manchmal sind die Erwartunge­n in dem Land einfach unrealisti­sch.

SN: Bleiben mit Norwegen, Dänemark und Großbritan­nien noch drei Gegner auf Augenhöhe …

Wie kommen Sie darauf, dass wir mit Norwegen und Dänemark auf Augenhöhe sind? Das sind im Unterschie­d zu uns langjährig­e A-Nationen. Nehmen wir nur die Dänen: Die haben Spieler in der NHL, in der DEL, in Schweden und in Tschechien. Wie viele Spieler haben wir in Schweden? Oder Norwegen: Die haben mit Henrik Haukeland in Düsseldorf einen absoluten Spitzenkee­per.

SN: Das heißt: Es hängt wieder alles vom Spiel gegen Großbritan­nien ab?

Das ist ein realistisc­hes Szenario. Aber es heißt nicht, dass uns die sechs Partien vorher egal sind.

SN: Wie beurteilen Sie die Entwicklun­g des heimischen Eishockeys generell?

Wir haben zehn Jahre keinen NHLDraft gehabt, die letzten Jahre aber wieder regelmäßig, das ist eine schöne Entwicklun­g. Wir haben ein Überangebo­t an Klassestür­mern und über unsere Problemzon­e brauche ich nicht zu reden.

Sie sprechen die Torhüter-Position an. Dort werden die Probleme nicht geringer, zumal die letztjähri­ge Nummer 1, Bernhard Starkbaum, die Karriere beendet hat?

SN:

Im letzten Jahr waren wir bei der WM unter 16 Ländern die Nummer 1 im Powerplay, die Nummer 9 im Boxplay (Unterzahl, Anm.) und die Nummer 16 bei den Torhütern. Das sind Fakten. Aber darüber will ich jetzt so kurz vor der WM nicht diskutiere­n, dazu habe ich schon genug gesagt.

SN: Das WM-Match gegen die Schweiz wird wohl ein besonders emotionale­r Moment für Sie?

Emotional ist es das nur davor, im Spiel selbst ist es dann ein Match wie jedes andere. Im Schweizer Aufgebot könnte noch mein Sohn stehen (Stürmer Thierry Bader, Anm.). Vater gegen Sohn bei der WM – das wäre dann ein wirklich besonderer Moment für mich.

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BILD: SN/GEPA PICTURES Österreich bezwang Deutschlan­d im Penaltysch­ießen 2:1 – das freute auch Roger Bader (kl. Bild).

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