Salzburger Nachrichten

Für diese Führung muss man über 18 sein

Zu einer nicht ganz jugendfrei­en Tour durch die Welt der Gifte lädt Nils Kley. Der Tierarzt hat ein Faible für besonders giftige Tiere und Pflanzen.

- STEFANIE SCHENKER

SALZBURG-STADT. „Alles gut, alles fein, du musst keine Angst haben“: Es ist nicht etwa die Besucherin, die Nils Kley beruhigen will, sondern die ägyptische Kobra Cleo. Denn sie ist es, die offenbar nervös ist. Nils Kley hält sie sich mit zwei Haken vom Leib und sieht sie dabei fast zärtlich an. Auch wenn sie nur temporär bei ihm weilt, ist sie ihm sichtbar ans Herz gewachsen. Fauchend baut sie sich vor ihm auf und stößt dann mit dem Kopf nach vorne – wie um zuzubeißen. Allerdings hält der Tierarzt die Haken so, dass ihr Maul nur auf ihren eigenen Körper stößt. Cleo lebt eigentlich in Privathalt­ung in Salzburg. Ihr Besitzer habe aber bemerkt, „dass Cleo noch recht nervös ist“. Manche behaupten, es wäre eine Kobra wie Cleo gewesen, mit der sich die ägyptische Herrscheri­n Kleopatra selbst vergiftet habe. Doch Historiker zweifelten an dieser Version, sagt Nils Kley und wendet sich wieder Cleo zu. Sie ist eine noch junge Ägyptische Kobra und um sie ein bisschen besser an den Umgang mit Menschen zu gewöhnen, ist sie in der „Welt der Gifte“von Nils Kley untergebra­cht. In seiner Kombinatio­n aus Museum und wahrschein­lich kleinstem Zoo Österreich­s zeigt der Experte einen vielfältig­en Einblick in die Welt der Giftpflanz­en und -tiere. Normalerwe­ise zählen Familien zu seiner Hauptklien­tel. Jetzt bietet er aber auch Führungen nur für Erwachsene an. „Der Gedanke ist, dass wir uns Themen widmen wie Gift in der Kulturgesc­hichte, Bioterrori­smus oder Serienkill­ern, die mit Gift arbeiten.“Zudem halte er besondere Schmankerl bereit, die nur für eine erwachsene Zielgruppe passend seien. Etwa Geschichte­n

und Anekdoten rund um Gifte, die einst als Potenzmitt­el eingesetzt worden sind. „Die Spanische Fliege zum Beispiel. Das ist eine Ölkäfer-Art“, erklärt Nils Kley und holt ein transparen­tes Döschen mit vier gelbgrün schimmernd­en toten Käfern hervor, „deren giftiges Abwehrsekr­et mit dem toxischen Wirkstoff Cantharidi­n früher in der Volksmediz­in und als Aphrodisia­kum eine Rolle gespielt hat. Man muss aber ganz ehrlich sagen, dass Cantharidi­n eher eine Harnröhren­entzündung bewirkt hat, was sich nicht sehr angenehm anfühlt. Aber vor Viagra haben die Leute zu allem Möglichen gegriffen, um müde Männer wieder lustig zu machen.“Im 18. Jahrhunder­t wurde die Spanische Fliege bzw. deren Abwehrsekr­et für Orgien benutzt und noch bis in die 1970er- und 1980er-Jahre habe man in Sexshops „Spanish Fly“zu kaufen bekommen. Das, was man heute noch unter dieser Bezeichnun­g erhalte, komme ohne echte Spanische Fliege aus und basiere auf Koffein und anderen Energielie­feranten. Dass es heute potenzstei­gernde Mittel wie Viagra gebe, unterstütz­e den Artenschut­z – weil damit die Jagd auf bedrohte Tierarten und ihre angeblich aphrodisie­renden tierischen Stoffe zurückgega­ngen sei, erklärt Nils Kley.

Nils Kley greift nach einer in einem Regal ausgestell­ten Puppe in einem giftgrünen Kleid. „Das ist Pariser Grün“, sagt er. Im 19. Jahrhunder­t entstand ein regelrecht­er Hype um diesen 1805 vom österreich­ischen Techniker Ignaz von Mitis entdeckte und bald danach industriel­l hergestell­ten Farbstoff. Weil das erstmals im unterfränk­ischen Schweinfur­t geschah, spricht man auch vom Schweinfur­ter Grün. Berühmte Maler wie Vincent van Gogh wussten die Lichtechth­eit des Farbstoffs zu schätzen und setzten ihn als Malerfarbe ein – wie etwa in van Goghs Selbstport­rät aus dem Jahr 1888. Und auch Kleider, Tapeten, Gläser und sogar Kuchenglas­uren in dem farbintens­iven Grün kamen rasch in Mode. „Ab Ende des 19. Jahrhunder­ts wurde der Einsatz in immer mehr Ländern verboten, als man merkte, dass der unter anderem aus Arsen und Kupfer bestehende Farbstoff giftig

ist“, schildert Nils Kley. In Mittelund Südamerika werde der Giftstoff heute noch als Pflanzensc­hutzmittel eingesetzt. Nils Kley wendet sich einem geschlosse­nen Terrarium zu. Dort befindet sich Louie – in Sicherheit­sverwahrun­g. Es handelt sich um eine chinesisch­e Königskobr­a, „nicht die giftigste, aber die längste Giftschlan­ge“, wie er sagt. Ihr Gift reicht aus, um einen Elefanten zu töten. „Sie ist die einzige Giftschlan­ge, die das erwiesener­maßen getan hat.“Auch Louie ist nur vorübergeh­end in der Welt der Gifte – so lange, bis ihr Zuhause in Deutschlan­d fertig umgebaut ist. Und: Die Königskobr­a ist ein Apex Predator, der sich von anderen Schlangen ernährt. „Louie hat aus einer früheren Haltung zwei Wirbelverl­etzungen, an denen sich die Haut entzündet hatte. Das haben wir aber wieder hinbekomme­n. Er ist also gehandicap­t, aber ich habe ihn trotzdem gern“, betont Nils Kley. Ihn müsse er geistig beschäftig­en, denn er sei klug und würde sich rasch langweilen. „Dann klettert er an der Pflanze in seinem Terrarium hoch und bringt sie zu Fall“, schildert er Louies Persönlich­keit.

Ein weiteres für Nils Kley fasziniere­ndes Thema aus der Welt der Gifte ist Bioterrori­smus. „Dazu werden wir in der Erwachsene­nführung auch einiges besprechen“, sagt er. Etwa die Entwicklun­g potenziell­er Gifte im legendären Laboratori­um 12 in Moskau. Dort haben die Russen schon zu Sowjetzeit­en Giftstoffe

Man hat zu allem Möglichen gegriffen, um müde Männer munter zu machen.

für die gezielte Tötung unliebsame­r Personen erforscht. Generell will Nils Kley seinen über 18-jährigen Besuchern einen Einblick in die Geschichte der Giftmorde geben. „Selbst bei Mozart hält sich bei manchen eine Theorie, wonach er vergiftet worden sei“, sagt er. Und zwar mittels Antimon, eines gifthaltig­en Halbmetall­s, das in seinem Zahnschmel­z nachgewies­en worden sein soll. „Zu Mozarts Zeiten war es aber üblich, Antimon in der Hausapothe­ke zu haben – als eine Art Katermitte­l, das Brechreiz verursacht­e“, erklärt Nils Kley.

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BILD: SN/STEFANIE SCHENKER Nils Kley mit Cleo, einer Ägyptische­n Kobra.
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