Für diese Führung muss man über 18 sein
Zu einer nicht ganz jugendfreien Tour durch die Welt der Gifte lädt Nils Kley. Der Tierarzt hat ein Faible für besonders giftige Tiere und Pflanzen.
SALZBURG-STADT. „Alles gut, alles fein, du musst keine Angst haben“: Es ist nicht etwa die Besucherin, die Nils Kley beruhigen will, sondern die ägyptische Kobra Cleo. Denn sie ist es, die offenbar nervös ist. Nils Kley hält sie sich mit zwei Haken vom Leib und sieht sie dabei fast zärtlich an. Auch wenn sie nur temporär bei ihm weilt, ist sie ihm sichtbar ans Herz gewachsen. Fauchend baut sie sich vor ihm auf und stößt dann mit dem Kopf nach vorne – wie um zuzubeißen. Allerdings hält der Tierarzt die Haken so, dass ihr Maul nur auf ihren eigenen Körper stößt. Cleo lebt eigentlich in Privathaltung in Salzburg. Ihr Besitzer habe aber bemerkt, „dass Cleo noch recht nervös ist“. Manche behaupten, es wäre eine Kobra wie Cleo gewesen, mit der sich die ägyptische Herrscherin Kleopatra selbst vergiftet habe. Doch Historiker zweifelten an dieser Version, sagt Nils Kley und wendet sich wieder Cleo zu. Sie ist eine noch junge Ägyptische Kobra und um sie ein bisschen besser an den Umgang mit Menschen zu gewöhnen, ist sie in der „Welt der Gifte“von Nils Kley untergebracht. In seiner Kombination aus Museum und wahrscheinlich kleinstem Zoo Österreichs zeigt der Experte einen vielfältigen Einblick in die Welt der Giftpflanzen und -tiere. Normalerweise zählen Familien zu seiner Hauptklientel. Jetzt bietet er aber auch Führungen nur für Erwachsene an. „Der Gedanke ist, dass wir uns Themen widmen wie Gift in der Kulturgeschichte, Bioterrorismus oder Serienkillern, die mit Gift arbeiten.“Zudem halte er besondere Schmankerl bereit, die nur für eine erwachsene Zielgruppe passend seien. Etwa Geschichten
und Anekdoten rund um Gifte, die einst als Potenzmittel eingesetzt worden sind. „Die Spanische Fliege zum Beispiel. Das ist eine Ölkäfer-Art“, erklärt Nils Kley und holt ein transparentes Döschen mit vier gelbgrün schimmernden toten Käfern hervor, „deren giftiges Abwehrsekret mit dem toxischen Wirkstoff Cantharidin früher in der Volksmedizin und als Aphrodisiakum eine Rolle gespielt hat. Man muss aber ganz ehrlich sagen, dass Cantharidin eher eine Harnröhrenentzündung bewirkt hat, was sich nicht sehr angenehm anfühlt. Aber vor Viagra haben die Leute zu allem Möglichen gegriffen, um müde Männer wieder lustig zu machen.“Im 18. Jahrhundert wurde die Spanische Fliege bzw. deren Abwehrsekret für Orgien benutzt und noch bis in die 1970er- und 1980er-Jahre habe man in Sexshops „Spanish Fly“zu kaufen bekommen. Das, was man heute noch unter dieser Bezeichnung erhalte, komme ohne echte Spanische Fliege aus und basiere auf Koffein und anderen Energielieferanten. Dass es heute potenzsteigernde Mittel wie Viagra gebe, unterstütze den Artenschutz – weil damit die Jagd auf bedrohte Tierarten und ihre angeblich aphrodisierenden tierischen Stoffe zurückgegangen sei, erklärt Nils Kley.
Nils Kley greift nach einer in einem Regal ausgestellten Puppe in einem giftgrünen Kleid. „Das ist Pariser Grün“, sagt er. Im 19. Jahrhundert entstand ein regelrechter Hype um diesen 1805 vom österreichischen Techniker Ignaz von Mitis entdeckte und bald danach industriell hergestellten Farbstoff. Weil das erstmals im unterfränkischen Schweinfurt geschah, spricht man auch vom Schweinfurter Grün. Berühmte Maler wie Vincent van Gogh wussten die Lichtechtheit des Farbstoffs zu schätzen und setzten ihn als Malerfarbe ein – wie etwa in van Goghs Selbstporträt aus dem Jahr 1888. Und auch Kleider, Tapeten, Gläser und sogar Kuchenglasuren in dem farbintensiven Grün kamen rasch in Mode. „Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Einsatz in immer mehr Ländern verboten, als man merkte, dass der unter anderem aus Arsen und Kupfer bestehende Farbstoff giftig
ist“, schildert Nils Kley. In Mittelund Südamerika werde der Giftstoff heute noch als Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Nils Kley wendet sich einem geschlossenen Terrarium zu. Dort befindet sich Louie – in Sicherheitsverwahrung. Es handelt sich um eine chinesische Königskobra, „nicht die giftigste, aber die längste Giftschlange“, wie er sagt. Ihr Gift reicht aus, um einen Elefanten zu töten. „Sie ist die einzige Giftschlange, die das erwiesenermaßen getan hat.“Auch Louie ist nur vorübergehend in der Welt der Gifte – so lange, bis ihr Zuhause in Deutschland fertig umgebaut ist. Und: Die Königskobra ist ein Apex Predator, der sich von anderen Schlangen ernährt. „Louie hat aus einer früheren Haltung zwei Wirbelverletzungen, an denen sich die Haut entzündet hatte. Das haben wir aber wieder hinbekommen. Er ist also gehandicapt, aber ich habe ihn trotzdem gern“, betont Nils Kley. Ihn müsse er geistig beschäftigen, denn er sei klug und würde sich rasch langweilen. „Dann klettert er an der Pflanze in seinem Terrarium hoch und bringt sie zu Fall“, schildert er Louies Persönlichkeit.
Ein weiteres für Nils Kley faszinierendes Thema aus der Welt der Gifte ist Bioterrorismus. „Dazu werden wir in der Erwachsenenführung auch einiges besprechen“, sagt er. Etwa die Entwicklung potenzieller Gifte im legendären Laboratorium 12 in Moskau. Dort haben die Russen schon zu Sowjetzeiten Giftstoffe
Man hat zu allem Möglichen gegriffen, um müde Männer munter zu machen.
für die gezielte Tötung unliebsamer Personen erforscht. Generell will Nils Kley seinen über 18-jährigen Besuchern einen Einblick in die Geschichte der Giftmorde geben. „Selbst bei Mozart hält sich bei manchen eine Theorie, wonach er vergiftet worden sei“, sagt er. Und zwar mittels Antimon, eines gifthaltigen Halbmetalls, das in seinem Zahnschmelz nachgewiesen worden sein soll. „Zu Mozarts Zeiten war es aber üblich, Antimon in der Hausapotheke zu haben – als eine Art Katermittel, das Brechreiz verursachte“, erklärt Nils Kley.