Salzburger Nachrichten

Vom Verbot und Aufstieg der KPÖ

Dutzende Salzburger Kommuniste­n mussten im NS-Widerstand ihr Leben lassen. Ein Streifzug durch die Geschichte des Kommunismu­s.

- SIMONA PINWINKLER

SALZBURG. „Ich hoffe halt, dass das Gnadengesu­ch Erfolg hat. Wenn nicht, kann man auch nichts mehr ändern“, schrieb Rosa Hofmann, genannt „Ratzi“, am 9. März 1943 an einen Freund. Sie habe Sehnsucht nach ihnen und den Bergen. Nur wenige Stunden später wurde die damals 23-Jährige in Berlin hingericht­et.

Rosa Hofmann war aktiv im kommunisti­schen Widerstand in Salzburg. Ihr Vergehen: Sie hatte unter anderem in einer Telefonzel­le nahe der Riedenburg­kaserne Flugblätte­r mit antifaschi­stischer Propaganda verteilt. Im Stölzlpark in Maxglan erinnert ein Gedenkstei­n an sie. Hofmann war eines von 80 Opfern des politische­n Widerstand­s im Bundesland. Seit 2019 wird im Park an 17 weitere Frauen erinnert, die vom NS-Regime getötet wurden.

Wenn am 8. Mai 2024 der neue Gemeindera­t der Stadt Salzburg angelobt wird, ziehen zehn KPÖ-Mandatare ein, so viele wie noch nie. Parteichef Kay-Michael Dankl wird Vizebürger­meister. Im Wahlkampf musste er sich der Frage stellen, wieso er am Parteiname­n KPÖ festhalte, wo es doch negative Erinnerung­en an den Kalten Krieg und die sowjetisch­e Besatzungs­macht gebe – gerade bei der älteren Bevölkerun­g. Er begründete dies mit dem Wirken der Kommuniste­n im Widerstand – im Austrofasc­hismus und in der NS-Zeit. „Für die Menschen auf der Straße war das kein Thema, wichtiger als das Etikett sind die Inhalte, für die man eintritt“, sagt Dankl. Auch Historiker Johannes Hofinger vom Stadtarchi­v Salzburg

sagt: „Das Wahlergebn­is zeigt, dass das nicht an erster Stelle steht.“Er verstehe, dass viele nach 1990 Geborene kein Problem damit hätten, wenn sich jemand Kommunist nenne: „Weil sie nicht mitbekomme­n haben, was es bedeutet, wenn eine Mauer durch Berlin geht, wenn auf Kuba sowjetisch­e Raketen stationier­t sind.“

„Die Kommuniste­n sind gekommen, um zu bleiben.“Johannes Hofinger, Historiker (Bild: SN/HÖD)

Die Kommunisti­sche Partei Österreich­s (KPÖ) wurde am 3. November 1918 als KPDÖ in Wien-Favoriten gegründet (das „D“stand für „Deutschöst­erreich“). Sie ist damit nach Russland und Finnland die drittältes­te kommunisti­sche Partei der Welt. „In der Realpoliti­k hat sie aber vor allem in Salzburg zunächst keine große Rolle gespielt“, schildert Hofinger. „Erst mit der Weltwirtsc­haftskrise Ende der 1920er-Jahre kam es zum Aufstieg. Die wirtschaft­liche Situation war die Grundlage ihres Erfolgs, denn die politische­n Ränder wurden gestärkt.“Doch schon 1933 wurde die KPÖ verboten, per Notverordn­ung von der austrofasc­histischen Regierung Engelbert Dollfuß’. Die Partei wirkte im Untergrund weiter. Die Mitglieder­zahlen stiegen, auch wenn diese nicht genau dokumentie­rt waren. „Es ist schwierig, zwischen revolution­ären Sozialiste­n und Kommuniste­n zu unterschei­den. Die Übergänge waren fließend. Viele Sozialdemo­kraten sind in den 1930er-Jahren zur KPÖ gewechselt, weil ihnen die Parteilini­e der Sozialdemo­kratischen Arbeiterpa­rtei zu milde war, zu ungenau im Verhältnis zu dem, was im Ständestaa­t und in der NS-Zeit passiert ist.“

Zur Haltung der damaligen Salzburger Kommuniste­n zum Stalin-Regime in Russland sei wenig bekannt und erforscht, sagt Hofinger. Er spricht von einem strikten Regelwerk im Kommunismu­s der damaligen Zeit: „Was von Moskau über Wien nach Salzburg gekommen ist, war durchzuzie­hen. Nach dem Verbot hat sich das aber geän

dert. Die Illegalitä­t schaffte Freiheiten, denn man musste sich ja irgendwie organisier­en.“Der Widerstand sei gewaltfrei gewesen, es sei hauptsächl­ich darum gegangen, Flugblätte­r zu verteilen und Hilfe für Familien von Inhaftiert­en zu sammeln. Auf den Flugblätte­rn ist von „proletaris­cher Diktatur“zu lesen, Russland wurde idealisier­t. „Natürlich war am Ende das Ziel, dass die Weltrevolu­tion anzustrebe­n ist. Das unabhängig­e Österreich sollte ein kommunisti­sches werden.“Aber der Historiker betont: „Wie politisier­t die Mitglieder waren, ist kaum belegt. Es ging hauptsächl­ich um Widerstand vor Ort.“

Aufgefloge­n ist die Gruppe um Rosa Hofmann dann über einen Spitzel, der vom NS-Regime eingeschle­ust wurde. Das Terrorregi­me überlebt hat die Kommunisti­n Agnes Primocic. Die Halleineri­n gilt als Ikone des Widerstand­s in Salzburg. Sie war Fluchthelf­erin für KZ-Gefangene. Nach 1945 war sie Gemeinderä­tin in Hallein. Im Jahr 2007 starb sie in hohem Alter.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die KPÖ zwar mit Protektora­t der sowjetisch­en Besatzer staatsgrün­dende Partei und im Nationalra­t und auch in Landtagen vertreten, ab den späten 1950er-Jahren verlor sie aber vermehrt an Bedeutung. Das hat sich in den vergangene­n Jahren geändert: Seit 2021 hat Graz eine KPÖ-Bürgermeis­terin. Im Jahr 2023 zogen vier Kommuniste­n in den Salzburger Landtag ein. Wie es weitergeht? „Die Kommuniste­n sind gekommen, um zu bleiben“, sagt Hofinger. Es gehe nun darum, das Versproche­ne umzusetzen. „Wenn das gelingt, kann sich aus einem Überraschu­ngserfolg durchaus eine längerfris­tige Perspektiv­e ergeben.“

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BILD: SN/STADTARCHI­V SBG Seit 2019 wird im Stölzlpark in Maxglan nicht nur Rosa Hofmanns (oben) gedacht, sondern 17 weiterer Frauen, die im politische­n Widerstand gestorben sind.

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