Lidové noviny

30. Ein Jahr später: Immer noch an Bord

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Alex und ich sitzen auf einem Boot auf der Moldau und trinken Wein. Es ist spät am Abend und wir sind die letzten Gäste an Bord. Wir genießen unsere den mäßigen, warmen Wind und die nicht mehr zu heiße Sonne des Altweibers­ommers. Heute ist es ein Jahr her, dass wir am gleichen Ort gesessen haben und

wie unser Leben in Tschechien aussehen wird. Damals haben wir uns zugleich gefürchtet und gefreut.

Im vergangene­n Jahr habe ich mit den Tschechen eine Menge Erfahrunge­n gemacht. „Wäre ich nur nicht hierher gezogen!“habe ich mir hundertmal gesagt. Denn vieles, was ich hier erlebt habe, war ziemlich negativ. Ich habe mich über die rücksichts­losen Autofahrer geärgert, musste mehrmals wegen der verschwitz­ten Männer aus der

Zweisamkei­t,

Straßenbah­n aussteigen, mich den verdrießli­chen Gesichtern

habe trotz guter Vorsätze zugenommen, weil ich der hiesigen deftigen Küche nicht immer widerstehe­n konnte, war auf den tschechisc­hen Ämtern oft genervt und habe wegen der fremdenfei­ndlichen Bemerkunge­n der Tschechen ein paarmal fast

Ich mag es nicht, wie sich die Leute hier dauernd beschweren und verliere die Nerven, wenn ich mit den tschechisc­hen Handwerker­n über ihre mangelhaft­e Arbeit diskutiere­n muss. All das sind genug Gründe, um nach Deutschlan­d zurückzuzi­ehen. So war auch unser Plan: Wir bleiben ein Jahr und dann kehren wir zurück.

Trotzdem sitze ich hier und ruhig sauren Ich habe hier nämlich ein Gefühl, das viel wichtiger ist als alle negativen Erfahrunge­n zusammen. Ich fühle mich hier zu Hause. Und deshalb ist ein Jahr Tschechien nicht genug. Je länger ich hier lebe, desto mehr möchte ich kennenlern­en.

Wir heben unsere Gläser, lächeln einander verschwöre­risch an und

das nächste schöne Jahr, das wir in Tschechien verbringen, Zum Wohl!

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