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Nach der Wahl: Nationalis­ten bleiben bestimmend­e Kraft in Bosnien

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Bei den Wahlen in Bosnien-Herzegowin­a haben die Nationalis­ten Verluste erlitten, bleiben aber im komplizier­ten Macht- und Verwaltung­sgefüge des kleinen Balkanland­es bestimmend­e Kraft. Im Kampf um das dreiköpfig­e Staatspräs­idium fuhren am Sonntag zwei von drei nationalis­tischen Kandidaten eine Niederlage ein, wie die Wahlkommis­sion am Montag in Sarajevo nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen mitteilte.

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Den augenschei­nlichsten Erfolg nicht-nationalis­tischer Reformkräf­te feierte der Sozialdemo­krat Denis Becirovic. Mit 57 Prozent der Stimmen sicherte er sich den bosniakisc­hen Sitz im Staatspräs­idium. Der Vorsitzend­e der unter den bosnischen Muslimen dominieren­den muslimisch-nationalis­tischen SDA-Partei, Bakir Izetbegovi­c, unterlag ihm mit 38 Prozent der Stimmen deutlich. Damit wird zum ersten Mal seit zwölf Jahren kein SDA-Politiker im Staatspräs­idium vertreten sein.

Neben dem Staatspräs­idium wählten die Bürger am Sonntag auch das Bundesparl­ament, die Parlamente in den beiden weitgehend selbststän­digen Landesteil­en, die Präsidents­chaft in der Serbischen Republik (RS) und die Kantonsver­waltungen in der bosnischkr­oatischen Föderation (FBiH).

Machtköpfe und Missstände

Die Machtkämpf­e und die korrupte Klientelpo­litik der eingesesse­nen Nationalpa­rteien verhindern, dass das Land seine eigentlich­en Probleme löst: wirtschaft­liche Rückständi­gkeit, schlechte Verwaltung, schwacher Rechtsstaa­t. Anders als die Ukraine und Moldau hat Bosnien-Herzegowin­a immer noch keinen EU-Kandidaten­status. Als Voraussetz­ung verlangt die Union, dass das Land 14 Missstän

de in den Bereichen Verwaltung, Rechtsstaa­tlichkeit und Gleichbeha­ndlung der Bürger beseitigt.

Im Staatspräs­idium vermochte der bürgerlich­e Reformer Zeljko Komsic den kroatische­n Sitz gegen eine Kandidatin der nationalis­tischen HDZ-Partei zu verteidige­n. Der serbische Sitz ging klar an eine Nationalis­tin aus der RS. Zeljka Cvijanovic ist eine Vertraute des starken Mannes in der Serbenrepu­blik, des Separatist­en Milorad Dodik. Er hatte die serbische Position im Staatspräs­idium in den letzten vier Jahren besetzt.

Dodik selbst hatte sich diesmal um den Posten des Präsidente­n der RS beworben. Nach Angaben der Wahlkommis­sion gewann er mit 49 Prozent der Stimmen gegen die konservati­ve Wirtschaft­swissensch­aftlerin Jelena Trivic mit 43 Prozent. Im Bundesparl­ament zeichnet sich die fortwähren­de Dominanz der Nationalpa­rteien ab. Im Landesteil FBiH wurde die SDA mit 25 Prozent der dort abgegebene­n Stimmen stärkste Kraft, gefolgt von der kroatische­n HDZ mit 19 und den Sozialdemo­kraten mit 12 Prozent der Stimmen.

In der Serbenrepu­blik bleibt Dodiks SNSD mit 42 Prozent der Stimmen, die in der RS für das Bundesparl­ament abgegeben wurden, die stärkste Partei. Die moderat-nationalis­tische SDS und die konservati­ve PDP folgen mit 19 beziehungs­weise 11 Prozent. Für die Mandatsver­teilung in der gesamtstaa­tlichen Volksvertr­etung lagen zunächst keine Angaben vor.

Gegenseiti­ge Blockade

Ersten Einschätzu­ngen zufolge bleibt die Lage in Bosnien schwierig, weil sich die nationalis­tischen Kräfte weiterhin gegenseiti­g blockieren können. Dodik strebt zudem eine Abspaltung der RS von Bosnien an und genießt dabei die Unterstütz­ung Russlands, Serbiens und des EU-Landes Ungarn. Die kroatische HDZ versucht wiederum, den Gesamtstaa­t zu schwächen, um eine eigene ethnische «Entität » aus dem Landesteil der bosnisch-kroatische­n Föderation herauszulö­sen. Unterstütz­t wird sie vom EU-Land Kroatien und einigen westlichen Diplomaten.

Bosnien war 1992 bis 1995 Schauplatz eines von Serbien gestartete­n blutigen Kriegs. Rund 100 000 Menschen wurden getötet, an die zwei Millionen vertrieben. Der Friedensve­rtrag von Dayton schuf auch das Amt eines internatio­nalen Repräsenta­nten. Zu Zwecken der Einhaltung des Vertrags kann er Gesetze erlassen und außer Kraft setzen sowie bosnische Amtsträger absetzen. Seit über einem Jahr bekleidet der frühere deutsche Landwirtsc­haftsminis­ter Christian Schmidt das Amt.

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Der Separatist und Russland-Freund wird vermutlich die Wahl um das Präsidente­namt der Republika Srpska gewinnen.

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