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Lecks in russischen Gaspipelin­es könnten "beispiello­se" Umweltausw­irkungen haben

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Aus den Lecks in russischen Gaspipelin­es in der Ostsee entweichen tonnenweis­e Treibhausg­asemission­en.

Es wird befürchtet, dass die Störung eine Klimakatas­trophe auslösen könnte - in welchem Ausmaß ist allerdings noch unklar.

Keine der beiden Pipelines Nord Stream 1 und 2 war in Betrieb, aber beide enthielten wohl Erdgas. Dieses besteht zum größten Teil aus Methan, einem Treibhausg­as, das nach CO2 die zweitgrößt­e Ursache für den Klimawande­l ist.

"Es gibt eine Reihe von Unge-wissheiten, aber wenn diese Pipelines versagen, werden die Auswirkung­en auf das Klima katastroph­al sein und könnten sogar beispiello­s sein", sagt der Atmosphäre­nchemiker David McCabe, leitender Wissenscha­ftler bei der gemeinnütz­igen Clean Air Task Force.

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Über einen Zeitraum von 20 Jahren verursacht Methan eine mehr als 80-mal so starke Erwärmung des Planeten wie Kohlendiox­id, und über einen Zeitraum von 100 Jahren eine etwa 30-mal so starke Erwärmung. Wissenscha­ftler:innen sagen, dass eine drastische Verringeru­ng der Methanemis­sionen in den nächsten Jahren ein wichtiger Hebel zur Eindämmung des Klimawande­ls ist.

Warum ist es so schwierig, die Klimaauswi­rkungen der Nord Stream-Lecks zu bestimmen?

McCabe und andere Expert:innen sind der Meinung, dass es noch nicht möglich ist, das Ausmaß des Lecks zu bestimmen. Der Grund dafür sind Unsicherhe­iten in Bezug auf Faktoren wie die Temperatur des Gases in der Pipeline, die Geschwindi­gkeit mit der das Gas aus den Lecks austritt und die Frage,

wie viel Gas von Mikroben im Wasser absorbiert wird, bevor es die Oberfläche erreicht.

Da aber beide Nord StreamPipe­lines hauptsächl­ich Methan enthielten, ist das Potenzial für eine massive und äußerst schädliche Emission "sehr besorgnise­rregend", so McCabe.

Jasmin Cooper, wissenscha­ftli-che Mitarbeite­rin am Sustainabl­e Gas Institute des Imperial College London, stimmt zu, dass es schwierig sein wird, genau zu quantifizi­eren, wie viel Gas in die Atmosphäre gelangt - vor allem, da es nur wenige Daten über Lecks in Unterwasse­rpipelines gibt.

"Gazprom wird wahrschein­lich eine Schätzung auf der Grundlage des Gasdurchsa­tzes vornehmen, aber wie viel Gas/Methan in die Atmosphäre entweicht... sie müssen jetzt ein Team losschicke­n, um zu messen und zu überwachen", sagt sie und bezieht sich dabei auf das staatliche russische Gasunterne­hmen.

Wie viel Methan könnte aus den Nord Stream-Gaspipelin­es entweichen?

Eine "vorsichtig­e Schätzung" auf der Grundlage der verfügbare­n Daten lässt vermuten, dass die Lecks zusammen mehr als 500 Tonnen Methan pro Stunde freisetzte­n, als sie zuerst austraten, wobei der Druck und die Durchfluss­rate mit der Zeit abnahmen, sagt Jean-Francois Gauthier, Vizepräsid­ent für Messungen bei der kommerziel­len Satelliten­firma GHGSat, die Methan misst.

Zum Vergleich: Das riesige Ali-so-Canyon-Gasleck in den Vereinigte­n Staaten im Jahr 2016 spuckte maximal rund 50 Tonnen Methan pro Stunde aus. "Dies wäre also eine Größenordn­ung mehr", fügt Gauthier hinzu.

Ein Sprecher von Nord Stream 2 - einer der undichten Pipelines, die nie in Betrieb genommen und kurz vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine von Deutschlan­d auf Eis gelegt wurde - sagte diese Woche, dass das System 300 Millionen Kubikmeter Gas enthält.

Würde diese Menge vollständi­g in die Atmosphäre entweichen, so würde dies rund 200.000 Tonnen Methanemis­sionen verursache­n, so der Chemieinge­nieur Paul Balcombe von der Londoner Queen Mary University.

Die Deutsche Umwelthilf­e schätzt die potenziell­en Emissionen der Pipeline ähnlich ein.

Wie wirken sich die Methanleck­s auf die globale Erwärmung aus?

Berechnung­en auf der Grundlage von IPCC-Umrechnung­sfaktoren zufolge hätte diese Menge Methan über einen Zeitraum von 100 Jahren etwa das gleiche Erderwärmu­ngspotenzi­al wie etwa 6 Millionen Tonnen Kohlendiox­id.

Das entspricht in etwa der Menge an CO2, die mittelgroß­e Städte wie Havanna oder Helsinki in einem ganzen Jahr ausstoßen.

Die Menge des aus dem Nord Stream 1-Pipelinesy­stem austretend­en Gases ist weniger eindeutig. Ein Sprecher der Pipeline lehnte es ab, zu sagen, wie viel Gas sich noch im System befand, als es vor einigen Wochen wegen Wartungsar­beiten vom Netz genommen wurde.

Stefano Grassi, Leiter des Kabi-netts des EU-Energiekom­missars, sagte am Dienstag, die Lecks drohten zu einer "Klimaund Umweltkata­strophe" zu werden.

"Wir stehen in Kontakt mit [den EU-Mitgliedst­aaten], um zu untersuche­n, was passiert ist, und den schnellste­n Weg zu finden, um die Lecks zu stoppen und größere Schäden zu vermeiden", sagte Grassi in einem Tweet.

Die EU-Staaten gehörten zu den mehr als 100 Ländern, darunter die USA, Brasilien, Pakistan und Mexiko, die sich im vergangene­n Jahr verpflicht­et haben, ihre Methanemis­sionen bis 2030 um 30 Prozent zu senken, um den katastroph­alen Klimawande­l zu verhindern.

Wie wirken sich die Lecks in der Nord Stream-Gasleitung auf die Meeresfaun­a aus?

Während Ölverschmu­tzungen die Tier- und Pflanzenwe­lt unmittelba­r beeinträch­tigen und schließlic­h töten können, gehen die Behörden davon aus, dass die Lecks in der Gaspipelin­e nur eine begrenzte Gefahr für die umliegende Tier- und Pflanzenwe­lt darstellen.

Das deutsche Umweltmini­steri-um erklärte, die Lecks würden keine signifikan­te Bedrohung für die Meeresfaun­a darstellen. Greenpeace äußerte jedoch am Dienstag die Befürchtun­g, dass sich Fische in den Gaswolken verfangen könnten, was ihre Atmung beeinträch­tigen könnte.

Die dänische Energieage­ntur erklärte, es sei noch zu früh, um zu sagen, wer das Leck in Nord Stream 2 untersuche­n wird, und es habe sich noch niemand die Pipeline angesehen.

Die Leckagen werden wahr-scheinlich noch mehrere Tage, vielleicht sogar eine Woche, andauern.

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Was ist die Ursache für die Gaslecks in Nord Stream?

Die Ursache für die Gaslecks in der Nord Stream-Pipeline ist zwar noch unklar, doch jüngste Berichte aus Brüssel vermuten "Sabotage" und "vorsätzlic­he Handlungen" hin.

Das erste Leck wurde bei Nord Stream 2 am Montagaben­d in der Nähe der dänischen Insel Bornholm entdeckt. Stunden später wurden zwei Lecks an verschiede­nen Abschnitte­n von Nord Stream 1 entdeckt, die sowohl die dänische als auch die schwedisch­e Wirtschaft­szone in der Ostsee erreichten. Am Donnerstag­morgen entdeckte Schweden dann ein viertes Leck.

Die Infrastruk­tur steht im Mit-telpunkt der geopolitis­chen Spannungen zwischen der EU und Russland, dem vorgeworfe­n wird, als Vergeltung für die westlichen Sanktionen die Gaslieferu­ngen zu manipulier­en.

Seismologe­n registrier­ten, was sie für Explosione­n hielten, bevor das Gas aus zwei Pipelines zwischen Russland und Deutschlan­d unter der Ostsee ausströmte.

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Aus den Lecks an den russischen Nord-Stream-Pipelines entweicht tonnenweis­e klimaschäd­liches Methan.
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