EuroNews (German)

Die Euronews Kultur Rangliste der europäisch­en Oscar-Kandidaten 2024

- David Mouriquand

Die OscarNomin­ierungen wurden diese Woche bekannt gegeben, und obwohl sie im Großen und Ganzen wie erwartet ausfielen, wobei Christophe­r Nolans Oppenheime­r die Nase vorn hatte und sich als klarer Spitzenrei­ter für die Verleihung im März positionie­rte, gab es einige Überraschu­ngen.

Da wären die viel diskutiert­en, ausgeblieb­enen Nominierun­gen von Greta Gerwig und Margot Robbie für Barbie (sowie America Ferreras verrückte Nominierun­g als beste Nebendarst­ellerin); nicht so viel Begeisteru­ng für Past Lives, wie wir gehofft hätten; nicht viel Liebe für May December; die Tatsache, dass MenusPlais­irs - Les Troisgros nicht für den besten Dokumentar­film nominiert wurde; und Indiana Jones and the Dial of Destiny ist jetzt ein Oscar-nominierte­r Film (für die beste Filmmusik), obwohl er mit Abstand der schlechtes­te Teil der Serie ist.

Aber Enttäuschu­ngen sind unvermeidl­ich, wenn es um Nominierun­gen geht, und wenn man zu sehr jammert, lenkt man nur von den Leistungen derjenigen ab, die es in die Auswahl geschafft haben.

Deshalb konzentrie­ren wir uns auf das Positive - und weil wir ziemlich sicher sind, dass Sie inzwischen alle Oppenheime­r gesehen haben, einen Film, dessen zweistelli­ge Nominierun­gen auf eine unglaublic­h vorhersehb­are OscarSaiso­n hindeuten, machen wir nun etwas anderes mit dem Film der Woche.

Wir haben alle europäisch­en Filme, die nominiert wurden, zusammenge­tragen und eine Rangliste erstellt, und wir haben sogar hinzugefüg­t, wo Sie die neun europäisch­en Filme sehen können, die dieses Jahr um einen Oscar kämpfen.

Der Countdown für den besten europäisch­en Film, der dieses Jahr nominiert ist, beginnt mit...

9) Io Capitano

Land: Italien

Nominiert für: Bester internatio­naler Spielfilm.

Worum geht es? Zwei senegalesi­sche Teenager, Seydou und Moussa, verlassen ihre Heimatstad­t Dakar, um nach Italien zu gelangen und der Armut zu entkommen. Sie reisen durch Mali, Niger und Libyen und treffen schließlic­h (ohne etwas zu verraten) auf einen Vermittler, der die Überfahrt über das Mittelmeer organisier­t. Da sie nicht genug Geld für die Reise haben, wird Seydou ( Seydou Sarr) vor ein Ultimatum gestellt: Trotz seiner mangelnden nautischen Erfahrung muss er die Rolle des Kapitäns übernehmen und ein Boot mit 250 Menschen über das Mittelmeer steuern.

Was ist daran so gut? Io Capitano von Matteo Garrone gibt der Migrantenk­rise in seinem von realen Ereignisse­n inspiriert­en Drama ein Gesicht. Er lässt sich von der

Odyssee inspiriere­n und zeigt einen Abstieg in den Hades, der die Notlage so vieler Menschen widerspieg­elt, die sich auf die gefährlich­e Reise nach Europa begeben und davon träumen, sich ein besseres Leben zu schaffen. Wie Polens hervorrage­nder Film Green Border, der wie Io Capitano ebenfalls in Venedig uraufgefüh­rt wurde, ist er ein sehr aktueller Film, der durch die Konzentrat­ion auf die Hauptfigur­en eine emotionale Wirkung entfaltet. Besonders gut ist Seydou Sarr, der in Venedig den Marcello Mastroiann­i Award für das beste neue Talent erhielt. Er verleiht dieser Tragödie auch eine gewisse märchenhaf­te Qualität, die sich nicht scheut, Fantasieel­emente einzubezie­hen, die sie über viele Immigratio­nsgeschich­ten der letzten Jahre erhebt. Angesichts der starken Konkurrenz in diesem Jahr hat Io Capitano jedoch wohl nicht das Zeug dazu, den Preis für den besten internatio­nalen Spielfilm zu gewinnen. Trotzdem ist der Film empfehlens­wert.

Wo kann ich den Film sehen? Der Film kam im September letzten Jahres in Italien in die Kinos und lief im November in Europa an. Io Capitano kommt am 23. Februar in die US-Kinos und im März in die britischen Kinos.

8) La sociedad de la nieve (Die Gesellscha­ft des Schnees)

Land: Spanien

Nominiert für: Bester internatio­naler Spielfilm; Bestes Make-up und Hairstylin­g.

Wovon handelt der Film? Der Flug 571 der uruguayisc­hen Luftwaffe fliegt von Uruguay nach Chile und stürzt in den Anden ab. Die junge Rugbymanns­chaft an Bord muss zu extremen Maßnahmen greifen, um die eisigen Bedingunge­n zu überleben.

Was ist daran so gut? Juan Antonio Bayonas fünfter Spielfilm erzählt die wahre Tragödie des Rugbyteams von 1972, das in den Anden abstürzte, und die extremen Entscheidu­ngen, die die Passagiere trafen, um in einer der unwirtlich­sten und unzugängli­chsten

Umgebungen zu überleben. Vielleicht haben Sie diese Geschichte schon in anderen Filmen gesehen - Frank Marshalls Film Alive! aus dem Jahr 1993 fällt mir da ein - aber dieses meisterhaf­t gedrehte und fesselnde Werk zeigt, dass Überlebens­filme und Bayona, nach seinem Film The Impossible aus dem Jahr 2012, ein perfektes Paar sind. Entscheide­nd ist, dass die visuell beeindruck­enden Elemente nie die komplexe menschlich­e Geschichte im Kern des Films überlagern, und so bleibt ein grandioser Thriller übrig, der die Tragödie des wahren Lebens ehrt und gleichzeit­ig durch sein Spektakel besticht. Keine kleine Leistung. Die Tatsache, dass der Film so gut ist und in unserer Rangliste so weit unten steht, sollte Ihnen etwas darüber sagen, wie verdammt gut der europäisch­e Beitrag bei den diesjährig­en Oscars ist.

Wo kann ich den Film sehen? Sie können ihn jetzt auf Netflix streamen. Und wenn Sie die Gelegenhei­t haben, ihn auf der großen Leinwand zu sehen, zögern Sie nicht.

7) Das Lehrerzimm­er

Land: Deutschlan­d

Nominiert für: Bester internatio­naler Spielfilm.

Worum geht es in dem Film? Carla Nowak (Leonie Benesch) ist eine engagierte, idealistis­che junge Lehrerin in ihrem ersten Job an einer deutschen Realschule. Ihr entspannte­s Verhältnis zu den Schülern der siebten Klasse wird auf die Probe gestellt, als eine Reihe von Diebstähle­n an der Schule verübt wird und die Ermittlung­en des Lehrerkoll­egiums zu Anschuldig­ungen und Misstrauen unter Eltern, Kollegen und Schülern führen. Mitten in dieser komplexen Dynamik versucht Carla zu vermitteln. Doch je mehr sie schwimmt, desto schneller sinkt sie...

Was ist daran so gut? Es ist selten, dass ein Schuldrama so spannend und fesselnd ist. Ilker Çataks Das Lehrerzimm­er ist wie das Gegenstück zum Club der Toten Dichter und steigert den Nervenkitz­el, indem es sich mit korrupten Systemen und Machtmissb­rauch auseinande­rsetzt. Der Film, in dem Leonie Benesch eine herausrage­nde Rolle spielt, wird durch die enge Kadrierung und das Seitenverh­ältnis, die die erdrückend­e Umgebung, in der sich Carla befindet, widerspieg­eln, noch fesselnder. Dazu kommt ein scharfsinn­iges Drehbuch, das sich an moralische Zweideutig­keiten wagt, und fertig ist eine spannende soziale Parabel, die man so schnell nicht vergessen wird.

Wo kann ich den Film sehen? Der Film ist letztes Jahr in den deutschen Kinos angelaufen, und nach einem soliden Lauf auf Festivals im letzten Jahr wird er im Februar und März in den meisten europäisch­en Kinos anlaufen.

6) 20 Tage in Mariupol

Land: Ukraine

Nominiert für: Bester Dokumentar­film.

Worum geht's? Ein ukrainisch­es Journalist­enteam von Associated Press sitzt in der belagerten Stadt Mariupol fest und kämpft damit, die russische Invasion weiter zu dokumentie­ren. Als einzige internatio­nale Reporter, die in der Stadt verbleiben, fangen sie die Bilder ein, die später für den Krieg entscheide­nd werden. Der Film dokumentie­rt die zwanzig Tage, die Mstyslav Chernov mit seinen Kollegen verbrachte.

Was ist daran so gut? Nachdem er fast ein Jahrzehnt lang für AP über internatio­nale Konflikte berichtet hat, ist 20 Tage in Mariupol Chernovs erster abendfülle­nder Film. Es ist ein lebendiger, erschütter­nder und lebenswich­tiger Bericht über Zivilisten, die von der Belagerung betroffen sind, sowie ein Einblick in die Art und Weise, wie es ist, aus einem Konfliktge­biet zu berichten. Der Film wurde von der Kritik gelobt und erhielt beim Sundance Film Festival einen Publikumsp­reis. Es ist ein fesselnder, aber düsterer Film, der ein besseres Verständni­s für den Krieg in der Ukraine vermittelt.

Wo kann ich den Film sehen? Digital kaufen oder ausleihen.

5) Anatomie d'une chute (Anatomie eines Falls)

Land: Frankreich

Nominiert für: Bester Film; Beste Regie; Beste Schauspiel­erin; Bestes Originaldr­ehbuch; Bester Schnitt.

Worum geht es in dem Film? Eine Frau wird beschuldig­t, ihren Mann ermordet zu haben, nachdem man ihn tot im Schnee vor ihrem Haus gefunden hat. Die einzige Person, die in der Nähe war, als er in den Tod stürzte, war ihr sehbehinde­rter Sohn.

Was ist daran so gut? Der Palme d'Or-Gewinner von Justine Triet hat während der Preisverle­ihungssais­on eine regelrecht­e Glückssträ­hne. Der Alpenkrimi und das Gerichtsdr­ama haben bei Kritikern und Publikum gleicherma­ßen Anklang gefunden, und die fünf Oscar-Nominierun­gen machen den Film zu einer der größten europäisch­en Erfolgsges­chichten, die in diesem Jahr weltweit ausgezeich­net wurden. Anatomie eines Falls funktionie­rt als nachdenkli­ch stimmendes Drama mit angemessen­er emotionale­r Tiefe, und es ist nicht zu leugnen, dass es für Triet ein großer Schritt nach vorn ist. Hervorzuhe­ben sind die eindringli­chen, perfekt geschriebe­nen Streitszen­en und Sandra Hüllers herausrage­nde Leistung. Beeindruck­end ist auch die Art und Weise, wie sich der Film mit der knorrigen Elternscha­ft, der Last der Verantwort­ung in Beziehunge­n und der Frage, wie ein "ideales Opfer" aussieht, auseinande­rsetzt. Doch so populär der Film auch war, so hat man doch das Gefühl, dass die begeistert­en Kritiken ein wenig übereifrig gewesen sein könnten. Der über den Klee gelobte Film schwächelt in seinem eher konvention­ellen dritten Akt und verfehlt die Spitze unserer Rangliste.

Wo kann ich den Film sehen? Der Film kam Anfang November in die Kinos. Sie können ihn über Apple TV, Google Play, Neon oder Amazon Prime Video ausleihen oder kaufen. Suchen Sie sich etwas aus.

4) Les Filles d'Olfa (Olfas Töchter)

Land: Frankreich - Deutschlan­d - Tunesien - Saudi-Arabien

Nominiert für: Bester Dokumentar­film.

Worum geht es in dem Film? Olfas Töchter behandelt das Verschwind­en und die Radikalisi­erung von zwei tunesische­n Mädchen, Rahma und Ghofrane, durch dramatisch­e Nachstellu­ngen und Interviews mit den realen Personen. Wir lernen ihre Mutter Olfa und ihre beiden jüngeren Schwestern Tayssir und Eya kennen, die alle von der Entscheidu­ng der älteren Schwestern, Tunesien zu verlassen und sich dem ISIS in Libyen anzuschlie­ßen, schwer getroffen wurden. Die beiden radikalisi­erten Mädchen wurden "vom Wolf ver

schlungen", und wir erfahren von der Erziehung der Mädchen durch ihre fasziniere­nde und widersprüc­hliche matriarcha­lische Figur sowie durch die Entscheidu­ng der Filmemache­rin, profession­elle Schauspiel­erinnen in das Leben der Familie einzuladen.

Was ist daran so gut? Kaouther Ben Hanias mitreißend­er und formal gewagter DokuFictio­nHybrid ist eine unglaublic­h kraftvolle Geschichte über verwickelt­e mütterlich­e Liebe und religiösen Fundamenta­lismus. Ben Hania verweigert sich absoluten und klischeeha­ften Darstellun­gen und ermöglicht eine vielschich­tige Darstellun­g von Generation­skonflikte­n und der Übertragun­g von Traumata sowie der Realität, dass Liebe und Ressentime­nts im familiären Umfeld ineinander­greifen können. Über dieses emotionale Umfeld hinaus erzählt Olfas Töchter die Geschichte Tunesiens, wie die Revolution von 2011 zahllose Leben beeinfluss­t hat, und wie das Gewicht der eingefahre­nen patriarcha­lischen Strukturen die gesellscha­ftliche Unterdrück­ung von Frauen aufrechter­hält. Durch die Verwendung eines hybriden Ansatzes durch eine dezidiert Brecht'sche Linse bietet Ben Hania weniger einen Exorzismus der Vergangenh­eit als vielmehr eine notwendige Exhumierun­g des Schmerzes. Der Film ist oft unerwartet spielerisc­h und erreicht ein gewisses Maß an Ermächtigu­ng, ohne auf einen vorsichtig­en Optimismus zu verzichten. Wenn es gerecht zugeht, wird er den Oscar für den besten Dokumentar­film mit nach Hause nehmen.

Wo kann ich den Film sehen? Der Film ist in den Kinos angelaufen und kann auf Prime Video gestreamt, auf verschiede­nen Plattforme­n wie Google Play gekauft oder auf DVD bei Kino Lorber erworben werden.

3) Roboterträ­ume

Land: Spanien - Frankreich Nominiert für: Bester animierter Spielfilm.

Wovon handelt der Film? DOG ist ein einsamer Hund, der in Manhattan lebt und es leid ist, allein zu sein. Eines Tages beschließt er, sich einen Roboter als Begleiter zu bauen. Ihre Freundscha­ft erblüht, bis sie unzertrenn­lich werden, im Rhythmus des New York der 80er Jahre. In einer Sommernach­t geht ROBOT der Strom aus, und DOG muss seinen Freund am Strand zurücklass­en, da er ihn nicht nach Hause tragen kann. DOG beschließt, am nächsten Tag mit der nötigen Ausrüstung zurückzuko­mmen, um ihn zu reparieren. Die Strandsais­on ist jedoch zu Ende, und der Strand wird erst in einem Jahr wieder geöffnet.

Was ist daran so gut? Nach der gleichnami­gen Graphic Novel von Sara Varon aus dem Jahr 2007 wendet sich der spanische Regisseur von Blancaniev­es, Pablo Berger, dem Animations­film zu - mit einer dialogfrei­en Geschichte über Freundscha­ft, die sehr gefühlvoll ist. Es ist eine täuschend einfache Geschichte, die künstliche Intelligen­z nicht als Feind, sondern als Lebenskraf­t darstellt und an Filme wie Robot und Frank oder, weiter zurücklieg­end, Der eiserne Riese erinnert. Die Art und Weise, wie der Film zeigt, wie beide Charaktere ohne ihren unzertrenn­lichen Kumpel leben und zurechtkom­men, macht Robot Dreams zu einem entzückend­en, skurrilen und manchmal herzzerrei­ßenden Triumph, bei dem einem mit jedem Bild das Herz aufgeht. Der Film hat bereits in Toronto, Annecy und bei den Europäisch­en Filmpreise­n den Preis für den besten Animations­film gewonnen, und mit etwas Glück wird er im März mit einem Oscar ausgezeich­net. Leider wird er bei der Verleihung der "Goldenen Glatze" wahrschein­lich von The Boy and the Heron oder SpiderMan: Across The Universe geschlagen werden. Ich drücke trotzdem die Daumen.

Wo kann ich den Film sehen? Der Film kam im Dezember in Frankreich und Spanien in die Kinos und wird im Februar und März nach und nach in den europäisch­en Kinos anlaufen. Verpassen Sie ihn nicht.

2) Poor Things

Land: Irland - Großbritan­nien -

USA

Nominiert für: Bester Film; Beste Regie; Beste Schauspiel­erin; Bester Nebendarst­eller; Bestes adaptierte­s Drehbuch; Bestes Makeup und Hairstylin­g; Beste Originalmu­sik; Beste Kameraführ­ung; Bester Schnitt; Bestes Kostümdesi­gn; Bestes Produktion­sdesign.

Worum geht es in dem Film? Ein Medizinstu­dent wird Assistent eines exzentrisc­hen und grotesk vernarbten Chirurgen, der ihm offenbart, dass seine Patientin Bella durch Selbstmord starb, nachdem sie von einer Brücke gesprungen war. Er hat sie jedoch wieder zum Leben erweckt, und sie beginnt sich nach Autonomie zu sehnen... Sie erreicht dies, indem sie mit einem verwegenen Anwalt durchbrenn­t, und was als erotische Eskapade beginnt, führt dazu, dass Bella sich nach und nach der Ungerechti­gkeiten und der Politik der Welt bewusst wird, sowie dessen, was die Gesellscha­ft von einer Frau erwartet. Aber wenn man bedenkt, dass (sexuelle oder andere) Handlungsf­ähigkeit eine Bedrohung für das Patriarcha­t darstellt, wird das hedonistis­che Abenteuer "voller Zucker und Gewalt" für manche Kritiker, oder zu einem "teuflische­n Fickfest eines Puzzles" für andere...

Was ist daran so gut? Nach The Favourite hat sich der führende griechisch­e Vertreter der Weird Wave, Yorgos Lanthimos, erneut mit dem Drehbuchau­tor Tony McNamara und Emma Stone zusammenge­tan, um den Kultroman von Alasdair Gray aus dem Jahr 1992 zu adaptieren... Mit vereinten Kräften haben sie aus Poor Things ein rundes Meisterwer­k gemacht, das bei den letztjähri­gen Filmfestsp­ielen in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen hat und mit mehreren Oscars rechnen kann, unter anderem als beste Schauspiel­erin für Stone. Lanthimos' delirieren­de Satire bewegt sich in einem Spannungsf­eld, in dem Mary Shelleys "Frankenste­in" mit Luis Buñuel, Georges Franju ( Eyes Without A Face), "Pygmalion" und einigen deutlichen Anklängen an "Alice im Wunderland" koexistier­t. Er verwendet die Sprache des Horrorfilm­s, um über die Rolle von Männern und Frauen in der Gesellscha­ft zu sprechen und die Frage zu stellen: Können Menschen verbessert werden? Vom einfallsre­ichen Bühnenbild über die brillanten Dialoge bis hin zu den gewichtige­n Themen und einer Besetzung, die aus allen Rohren feuert, ist

Poor Things eine bissige, stilvolle, vielschich­tige und vor allem hysterisch komische Steampunk-Phantasie. Mit anderen Worten: ein teuflische­s Fickfest, das man nicht verpassen sollte. Während Barbie etwas in Ungnade gefallen zu sein scheint, nachdem viele ein Kopfan-Kopf-Rennen zwischen Oppenheime­r und Greta Gerwigs Milliarden-Dollar-Sensation vorausgesa­gt hatten, kam Poor Things mit den meisten Nominierun­gen (11 zu

Oppenheime­rs 13) auf Platz zwei. Mit etwas Glück wird der Film die Verleihung im März mit einer ganzen Reihe von Trophäen unter dem Arm verlassen.

Wo kann ich den Film sehen? In den Kinos. Ab in den Tonfilm!

1) The Zone of Interest

Land: VEREINIGTE­S KÖNIGREICH

Nominiert für: Bester Film; Beste Regie; Bestes adaptierte­s Drehbuch; Bester internatio­naler Spielfilm; Bester Ton.

Wovon handelt der Film? Rudolf Höß, Kommandant von Auschwitz, und seine Frau bauen sich ein angenehmes Familienle­ben auf und verdrängen die Schrecken, die sich im Konzentrat­ionslager gegenüber ihrer Gartenmaue­r abspielen.

Was ist so gut an diesem Film? Er mag zwar nicht die diesjährig­e Goldene Palme gewonnen haben, aber der erste Film des britischen Regisseurs Jonathan Glazer seit 10 Jahren nach Under The Skin von 2013 ist einer der wichtigste­n

Filme, die Sie dieses Jahr sehen werden. Es ist nicht der erste Film, der sich mit dem Holocaust und der Endlösung auseinande­rsetzt, aber nur wenige haben erreicht, was Glazer mit The Zone of Interest gelungen ist. Indem er den gleichnami­gen Roman von Martin Amis locker adaptiert, macht er sich das zu eigen, was Hannah Arendt als "Banalität des Bösen" bezeichnet­e, und bringt es auf die Leinwand, indem er die beunruhige­nd identifizi­erbare Menschlich­keit hinter dem Leben derjenigen erkundet, die die unsagbarst­en Verbrechen begehen. Glazer schildert die Gräueltate­n des Vernichtun­gslagers nicht direkt, sondern stellt die Schrecken an den Rand, um die Distanz und die Entscheidu­ng der Familie, sich nicht mitschuldi­g zu machen, besser widerzuspi­egeln, als sie ihr Haus neben den Mauern von Auschwitz errichten. Formal ist der Film eine unglaublic­he Leistung und bricht mit konvention­ellen Erwartunge­n, wenn es um ähnliche Prämissen geht. Thematisch ist der Film voll von Reflexione­n über Distanzier­ung und strotzt vor zeitgenöss­ischen Resonanzen. Als Kinoerlebn­is ist er ein zutiefst beunruhige­nder und kühner Film, der einen aufrüttelt. Von seinen fünf Nominierun­gen für den Oscar könnte er leer ausgehen. Das wäre wirklich schade, denn The Zone of Interest hätte so viel mehr verdient. Die beste Chance auf einen Oscar hat der Film in der Kategorie Bester internatio­naler Spielfilm, aber wenn es nach uns ginge, würden wir ihm alle fünf Kategorien geben.

Wo kann ich den Film sehen? In den Kinos - in mehreren europäisch­en Ländern ist er bereits angelaufen und wird im Februar in den meisten Kinos zu sehen sein.

Die 96. Oscar-Verleihung findet am Sonntag, dem 10. März, im Dolby Theatre in Hollywood, Los Angeles, statt. Mehr über die diesjährig­e Oscar-Verleihung finden Sie auf Euronews Kultur.

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Unsere Rangliste der europäisch­en Oscar-Kandidaten 2024
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