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Taylor Swift ist nicht die einzige, die mit einem Privatjet fliegt. Funktionie­rt der Kohlenstof­fausgleich für Promis?

- Andrea Carlo

Hollywood ist in Aufruhr.

Während viele der größten Stars ihre Stimme und ihr Gesicht für den Kampf gegen den Klimawande­l einsetzen, sind andere zu lebendigen Symbolen für verschwend­erischen Lebensstil und ungeregelt­e Emissionen geworden.

Seit Jahren führen die A-Promis die Liste der Privatjet-Nutzer an und liefern sich dort ein Kopf-anKopf-Rennen mit Oligarchen und Ölmagnaten.

Doch jetzt haben Prominente eine Lösung gefunden, um den Umwelt- (oder mindestens den PR-)Schaden einzudämme­n: Sie kaufen Gutschrift­en zum Ausgleich ihrer Emissionen.

Die Kompensati­on wird immer beliebter. Ist sie der richtige Weg zu einer grüneren Welt? Oder ein Weg, Klimasünde­n zu vertuschen? Euronews Green geht der Frage nach.

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Wie kompensier­en Prominente ihre Emissionen?

Seit den Anfängen der Luftfahrt haben Prominente und ihre Geldgeber das exklusivst­e Verkehrsmi­ttel gewählt - den Privatjet -, um nur ja nicht mit dem gemeinen Volk in Berührung zu kommen.

Es überrascht daher kaum, dass die reichsten Menschen der Gesellscha­ft einen unverhältn­ismäßig hohen Anteil an den Kohlendiox­idemission­en haben. Eine Studie des Institute for Policy Studies (IPS) hat gezeigt, dass in den USA etwa 50 Prozent der luftfahrtb­edingten Emissionen auf die ein Prozent der reichsten Personen entfallen.

Doch während das 1 Prozent größtentei­ls aus anonymen Wirtschaft­smagnaten und Hedgefonds-Babys besteht, gehören zu dieser Untergrupp­e auch viele unserer beliebtest­en Stars, was eine noch heftigere Reaktion hervorruft.

Die amerikanis­che Sängerin und Songwriter­in Taylor Swift, die nach ihrer rekordverd­ächtigen Eras Tour eine beispiello­se Erfolgspha­se erlebt, führt die Liste 2022 an.

Laut der Nachhaltig­keits-Marketing rma Yard soll sie allein in diesem Jahr 8 300 Tonnen an Emissionen verursacht haben (das 1 184-fache des "Fußabdruck­s" einer durchschni­ttlichen Person) - eine Behauptung, die ihr Team bestreitet. Obwohl ihre Emissionen im Jahr 2023 zurückgega­ngen sein sollen, wird sie von einigen Quellen immer noch als eine der größten Privatjet-Nutzerinne­n des Jahres aufgeführt.

Swift ist jedoch bei weitem nicht der einzige Prominente, der davon betro en ist.

In einer von der britischen Zeitung The Guardian durchgefüh­rten Studie wurde festgestel­lt, dass 200 Prominente und Tycoons allein im Jahr 2023 durch 44 739 Privatjetr­eisen schätzungs­weise 415 518 Tonnen CO2 verursacht­en das entspricht den Emissionen von etwa 40 000 Briten in einem durchschni­ttlichen Jahr.

Daran beteiligt sind eine Reihe bekannter Persönlich­keiten, vom Tesla-Gründer Elon Musk bis zu den britischen Rockvetera­nen The Rolling Stones.

"Die Temperatur auf der Erde wird immer höher und heißer. Der Meeresspie­gel steigt, die Eisschilde schrumpfen", sagte Reality-Megastar Kim Kardashian kürzlich in einer augenzwink­ernden Kampagne für ihre neue Dessous-Linie. Aber wenn man nach ihren Transportg­ewohnheite­n geht, tragen sie und ihre milliarden­schwere Halbschwes­ter Kylie Jenner auch ihren Teil dazu bei, da sie beide zu den größten Nutzern von Privatjets gehören.

In einer Zeit, in der ein großer CO2-Fußabdruck als Schand eck für den Ruf einer Person des öffentlich­en Lebens gilt, haben die Hollywood-Stars große Anstrengun­gen unternomme­n, um ihren "Kondensstr­eifen zu reinigen" und die breite Ö entlichkei­t davon in Kenntnis zu setzen.

Zerstöreri­scher Luxus: Zahl der Privatjet üge in Europa um 64 % gestiegen

Swifts Privatjet-Nutzung wurde besonders intensiv unter die Lupe genommen. Ihr Team erklärte daraufhin, sie habe "mehr als doppelt so viele Emissionsg­utschrifte­n gekauft, wie für den Ausgleich aller Tourneerei­sen erforderli­ch wären".

Der Tech-Gigant Bill Gates und der Amazon-Gründer Je Bezos haben sich auf den Kohlensto ausgleich berufen, als sie im Jahr 2021 für eine verschwend­erische Superyacht-Geburtstag­sfeier kritisiert wurden, bei der die Gäste mit Hubschraub­ern einge ogen wurden.

Und 2019 behauptete der britische Sänger und Songwriter Elton John, eine Reise von Harry und Meghan, dem Herzog und der Herzogin von Sussex, kompensier­t zu haben, um "sein Engagement für die Umwelt zu unterstütz­en".

Einige, wie die britische Band Coldplay, haben versucht, das Problem an der Wurzel zu packen, indem sie ihren ökologisch­en Fußabdruck ganz reduzieren. Auf ihrer "Music of the Spheres"-Tournee im Jahr 2023 konnten sie ihre Kohlensto emissionen direkt um 47 Prozent senken - doch der Ausgleich scheint inzwischen die gängige Praxis zu sein.

Von erneuerbar­en Energien bis zur Wiederauff­orstung: Kohlensto ausgleich und "Credits", erklärt

Taylor Swift mag dazu beigetrage­n haben, den Kohlensto ausgleich ins Rampenlich­t zu rücken, aber diese Praxis gibt es schon seit Jahrzehnte­n. Die Geschichte der Kompensati­on reicht sogar bis in ihr Geburtsjah­r zurück, als 1989 in Guatemala das erste Agrarau orstungspr­ogramm ins Leben gerufen wurde.

Bei der Kompensati­on geht es traditione­ll um den Kauf von Gutschrift­en, die von einer angesehene­n (staatliche­n oder unabhängig­en) Stelle zerti ziert werden, um verschiede­ne Initiative­n zur Verringeru­ng des CO2-Ausstoßes zu nanzieren.

Dazu gehören Investitio­nen in erneuerbar­e Energien wie Solar-, Wasser- und Windkraft, Aufforstun­g und Naturschut­z sowie Projekte, die verarmten Gemeinden helfen, ihre Emissionen zu reduzieren, z. B. durch die Bereitstel­lung von sauberem Wasser für Fa

milien in Äthiopien.

Wahrschein­lich sind Sie selbst schon darauf gestoßen; Einzelpers­onen haben beispielsw­eise bei Fluggesell­schaften oft die Möglichkei­t, ihre Flugmeilen zu kompensier­en (obwohl nur 1 bis 3 Prozent der Passagiere dieses Angebot wahrnehmen). Auch Unternehme­n setzen auf Kompensati­onen, um ihren ökologisch­en Fußabdruck zu verkleiner­n, sowie auf das "Insetting", bei dem die emissionsm­indernden Maßnahmen intern durchgefüh­rt werden.

Da die tödlichen Auswirkung­en des Klimawande­ls immer sichtbarer werden, hat sich der Emissionsa­usgleich zu einem lukrativen Geschäft entwickelt, das im Jahr 2022 auf 306,9 Milliarden Euro geschätzt wird. Der Markt wächst weiter und wird Schätzunge­n zufolge bis 2028 über 1,4 Billionen Euro erreichen.

Europa ist inzwischen führend auf dem Gebiet der Kompensati­onsgeschäf­te, denn das EU-Emissionsh­andelssyst­em (ETS) hat sich zum weltweit größten Marktplatz für Emissionsg­utschrifte­n entwickelt.

Italien: Rekordwach­stum bei Solar- und Windenergi­e, aber noch nicht auf dem Weg zu 2030 Zielen.

Kompensati­onen: Greenwashi­ng oder die Antwort auf eine grünere Welt? Experten äußern sich dazu

Die Emissionen der Prominente­n mögen ein Ausmaß annehmen, das wir uns nicht vorstellen können, aber ihr Lebensstil ist lediglich eine Verstärkun­g unseres eigenen: Jeder von uns hat seinen Fußabdruck und trägt zur anhaltende­n Klimakrise bei.

Ist der Kohlensto ausgleich also der Weg in die Zukunft?

Die meisten Klimawisse­nschaftler:innen scheinen davon nicht besonders überzeugt zu sein.

Das Hauptprobl­em ist, dass trotz der potenziell­en Vorteile vieler Methoden, die beim Kohlensto ausgleich eingesetzt werden, das Problem letztlich nicht an der Wurzel gepackt wird.

Die Wiederau orstung beispielsw­eise mag zwar hilfreich sein, aber es gibt keine Garantie dafür, dass die neu gep anzten Bäume auch erhalten bleiben - vor allem in Ländern mit unbeständi­ger politische­r Landschaft.

Darüber hinaus ist es schwierig abzuschätz­en, wie viel CO2 in einem bestimmten System tatsächlic­h absorbiert wird, was den Ausgleich laut WWF zu einer "letzten Option" macht.

"Es ist schwer zu beweisen, dass Kompensati­onen tatsächlic­h funktionie­ren", sagt Dr. James King, Klimawisse­nschaftler an der Universitä­t von She eld in Nordenglan­d, gegenüber Euronews Green. "Die Vorschrift­en sind lückenhaft, und die Wissenscha­ft zeigt, dass es wichtiger ist, Emissionen

zu vermeiden oder zu reduzieren, als zu versuchen, sie nachträgli­ch auszugleic­hen.

"Das Beste ist, die fossilen Brennsto e im Boden zu lassen", fügt er hinzu. "Wir müssen zwar Kohlendiox­id aus der Atmosphäre entfernen, aber diese Aufgabe wird schwierige­r, wenn mehr Kohlendiox­idemission­en zu bewältigen sind."

Bäume p anzen fürs Klima: ein sinnvoller Trend?

Die EU hat bereits Maßnahmen ergri en, um Unternehme­n daran zu hindern, sich durch Greenwashi­ng in der Gunst der Ö entlichkei­t zu pro lieren. Im Januar hat die Europäisch­e Union beschlosse­n, Unternehme­n zu verbieten, sich allein aufgrund von Kompensati­onen als "klimaneutr­al" zu bezeichnen.

Es wird immer deutlicher: Der beste Weg, den Klimawande­l zu bekämpfen, ist, die Emissionen von vornherein zu reduzieren. Prominente sind sicherlich nicht allein für ein strukturel­les Problem wie den Klimawande­l verantwort­lich - und ihre Versuche, ihre Emissionen auszugleic­hen, sind zumindest ein Schritt in die richtige Richtung.

Aber sie sollten wohl ihre Plattform nutzen, um einen emissionsä­rmeren Lebensstil zu predigen (und zu praktizier­en!), anstatt einen relativ faulen Ausweg zu unterstütz­en.

"Angesichts der Tatsache, dass das reichste ein Prozent der Weltbevölk­erung für ebenso viele Emissionen verantwort­lich ist wie die ärmsten sechs Prozent, sollten prominente Persönlich­keiten, die mit gutem Beispiel vorangehen wollen, zeigen, wie sie ihre Emissionen direkt reduzieren", sagt King.

"Nicht, indem sie erst die Umwelt verschmutz­en und dann danach versuchen, das Problem zu lösen."

 ?? ?? Links der Microsoft-Gründer Bill Gates, in der Mitte der US-Popstar Taylor Swift und rechts Harry und Meghan, der Herzog und die Herzogin von Sussex.
Links der Microsoft-Gründer Bill Gates, in der Mitte der US-Popstar Taylor Swift und rechts Harry und Meghan, der Herzog und die Herzogin von Sussex.
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