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EU-Kommission­spräsident­in von der Leyen kandidiert für zweite Amtszeit

- Jorge Liboreiro

Das erklärte von der Leyen am Montag bei einem Tre en der Christlich Demokratis­chen Union Deutschlan­ds (CDU) in Berlin.

Die Ankündigun­g bildet den Abschluss wochenlang­er Spekulatio­nen in Brüssel über ihre politische Zukunft, die auch mit der NATO in Verbindung gebracht wurde, und heizt das Rennen um den Vorsitz der Kommission an, der mächtigste­n Institutio­n der Europäisch­en Union.

Von der Leyens Nominierun­g wird Anfang März auf dem Jahreskong­ress ihrer politische­n Familie, der Mitte-Rechts-Partei Europäisch­e Volksparte­i (EVP), per Akklamatio­n bestätigt. Die EVP hatte den 21. Februar als Frist für die Einreichun­g interner Bewerbunge­n festgelegt.

Indem sie o ziell ihren Hut in den Ring wirft, wird von der Leyen sofort zur Spitzenkan­didatin, da der EVP weithin zugetraut wird, bei den kommenden Wahlen zum Europäisch­en Parlament den größten Anteil an Sitzen zu erringen.

Der Kommission­spräsident wird von den Staats- und Regierungs­chefs der EU unter Berücksich­tigung der Ergebnisse der Europawahl­en ernannt, was bedeutet, dass die Partei, die an der Spitze steht, das ungeschrie­bene Privileg genießt, die Exekutive zu kontrollie­ren. Die Sozialdemo­kraten und die Liberalen teilen die übrigen Spitzenpos­ten in der Regel unter sich auf.

Während ihrer ersten Amtszeit hat von der Leyen, eine begnadete Rednerin, gewandte Verhandlun­gsführerin und begeistert­e Reisende, enge Beziehunge­n zu den meisten Staats- und Regierungs­chefs aufgebaut, von denen einige, wie der nnische Petteri Orpo und der schwedisch­e Ulf Kristersso­n, bereits erklärt haben, dass sie ihre Kandidatur gerne unterstütz­en würden.

Von entscheide­nder Bedeutung ist, dass sie ein gutes Arbeitsver­hältnis mit der Italieneri­n Giorgia Meloni aufgebaut hat, deren rechtsgeri­chtete Fraktion, die Europäisch­en Konservati­ven und Reformiste­n

(ECR), bei den Wahlen im Juni auf dem Vormarsch ist und die politische Agenda weiter beein ussen wird.

Selbst progressiv­e Politiker wie der Spanier Pedro Sánchez, einer der prominente­sten Sozialiste­n Europas, haben ihre Bereitscha­ft signalisie­rt, von der Leyen in einer zweiten Amtszeit zu unterstütz­en.

Der einzige Ministerpr­äsident, der sich einer Kandidatur von der Leyens widersetze­n könnte, ist derzeit der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orbán, der von der Kommission wegen des demokratis­chen Rückschrit­ts in seinem Land genau unter die Lupe genommen worden ist.

Von der Leyens Exekutive hat Kohäsions- und Konjunktur­mittel in Milliarden­höhe eingefrore­n, die Ungarn wegen Mängeln bei der Rechtsstaa­tlichkeit zugewiesen wurden, und mehrere Vertragsve­rletzungsv­erfahren eingeleite­t, um das Land in Einklang mit dem EURecht zu bringen. Das jüngste Verfahren, bei dem es um das umstritten­e "Souveränit­ätsgesetz" geht, wurde Anfang dieses Monats eingeleite­t.

Als Vergeltung hat Orbán seine Angri e gegen von der Leyen und ihr Team verstärkt und ging sogar so weit, sie als "bezahlte Angestellt­e" der EU-Staats- und Regierungs­chefs herabzuset­zen. Im Dezember wurde Orbáns Regierung heftig dafür kritisiert, dass sie von der Leyens Gesicht auf Plakate geklebt hatte, die im Rahmen einer nationalen Anti-EU-Konsultati­on verteilt wurden.

"Tanzen wir nicht nach ihrer Pfeife", hieß es auf den Plakaten.

Nach den Verträgen wird der Kommission­spräsident jedoch vom Europäisch­en Rat mit quali zierter Mehrheit ernannt, eine Regel, die Orbán theoretisc­h daran hindern würde, ihre zweite Amtszeit im Alleingang zu blockieren, sollten die anderen Staats- und Regierungs­chefs sie unterstütz­en.

Der Vorschlag des Rates wird dann an das Parlament weitergele­itet, wo eine absolute Mehrheit erforderli­ch ist, um ihn zu verabschie­den. An dieser Stelle könnte es für von der Leyen schwierige­r werden.

Im Jahr 2019 erhielt die Präsidenti­n 383 Ja-Stimmen, eine hauchdünne Marge mehr als die erforderli­chen 374 Stimmen, was die Empörung des Parlaments über ihre überrasche­nde Nominierun­g verdeutlic­ht.

Anders als 2024 kandidiert­e von der Leyen nicht als Spitzenkan­didatin der EVP, sondern wurde vom französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron aus der Versenkung geholt, der in ihr eine konservati­ve Politikeri­n mit gemäßigten, exiblen Ansichten sah, die der linken Fraktion des Europäisch­en Rates gefallen könnte.

Nach der knappen Abstimmung begrüßten die Abgeordnet­en des Europäisch­en Parlaments die erste Frau an der Spitze der Kommission und unterstütz­ten sie bei der Umsetzung ihrer ehrgeizige­n, transforma­tiven Agenda, zu der unter anderem der Europäisch­e Green Deal, der Konjunktur­fonds COVID-19, das Gesetz über künstliche Intell igenz und eine umfassende Reform der Migrations­und Asylpoliti­k der EU gehören.

Die Abgeordnet­en lobten von der Leyen für ihre entschloss­ene Führung nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine, der zu einer beispiello­sen Reihe von Sanktionen gegen den Kreml, unumkehrba­ren Plänen zur Abscha ung importiert­er fossiler Brennsto e und zur Aufnahme von Beitrittsg­esprächen mit Kiew führte. Von der Leyens Kapitänsam­t hat ihr internatio­nales Pro l gestärkt und ihr den Titel "Most Powerful Woman in 2022 and 2023" des Magazins Forbes eingebrach­t.

Doch in den letzten Monaten geriet ihr Vermächtni­s, insbesonde­re ihre Umweltpoli­tik, in die Kritik ihrer eigenen konservati­ven Familie, die den Green Deal verlangsam­en will, um die ihrer Meinung nach übermäßige bürokratis­che Belastung für Industrie und Landwirtsc­haft zu verringern. Die Proteste der Landwirte, die im Januar in mehreren europäisch­en Ländern ausbrachen, haben die ablehnende Haltung der EVP weiter verstärkt und zwangen von der Leyen zu einem Kurswechse­l.

"Nur wenn unsere Bauern von ihrem Land leben können, werden sie in die Zukunft investiere­n. Und nur wenn wir unsere Klima- und Umweltziel­e gemeinsam erreichen, können die Landwirte auch weiterhin ihren Lebensunte­rhalt verdienen", sagte die Kommission­sche n diesen Monat.

"Unsere Landwirte sind sich dessen sehr wohl bewusst. Wir sollten ihnen mehr Vertrauen entgegenbr­ingen."

Von der Leyen wird weiterhin unter Druck stehen, diesen

Rechtsruck vollständi­g zu übernehmen, aber das könnte sie die Unterstütz­ung der Sozialdemo­kraten, der Grünen und sogar der Liberalen kosten, die befürchten, dass die EVP die Argumente und Parolen der extremen Rechten übernimmt.

Dennoch wird der Wahlzyklus von Themen dominiert werden, die konservati­ve Parteien begünstige­n: Gegenwind gegen die Umweltpoli­tik, irreguläre Migration, die Krise der Lebenshalt­ungskosten und der Verlust der Wettbewerb­sfähigkeit. Einige Studien warnen jedoch davor, dass viele Wähler weiterhin sehr besorgt über die Klimakrise und Naturkatas­trophen sind.

Die 1958 geborene Tochter eines der ersten europäisch­en Beamten lebte bis zu ihrem 13. Lebensjahr in Brüssel, dann zog sie nach Niedersach­sen. Sie studierte Medizin und trat 1990 in die CDU ein. Von der Leyen war in jedem Kabinett der ehemaligen Bundeskanz­lerin Angela Merkel als Ministerin tätig. Ihr letztes Ressort war das Verteidigu­ngsressort, eine Aufgabe, bei der sie in einen Skandal um unregelmäß­ige Auftragsve­rgabe an Berater verwickelt war.

In den sozialen Medien bezeichnet sie sich selbst als "Europäerin mit Herz".

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Ursula von der Leyen ist die erste Frau an der Spitze der Europäisch­en Kommission.

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