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EVP macht Weg für von der Leyens Wiederwahl frei, trotz einiger Einwände

- Mared Gwyn Jones and Sandor Ziros in Bucharest

"Wir sind die Partei des Volkes und wir liefern, was den Menschen wichtig ist", sagte von der Leyen, als sie auf dem Parteitag der EVP in Bukarest um Unterstütz­ung warb.

"Wohlstand. Sicherheit. Demokratie. Das ist es, was den Menschen in diesen schwierige­n Zeiten wichtig ist."

Ihre Wiederwahl wurde in einer geheimen Abstimmung von rund 800 EVP-Delegierte­n, Gesetzgebe­rn und Führungskr­äften - darunter auch der polnische Ministerpr­äsident Donald Tusk und der irische Premiermin­ister Leo Varadkar - bestätigt.

Am Ende war von der Leyens Wahlsieg klar, aber nicht ganz ungetrübt: 89 der 489 abgegebene­n gültigen Stimmen lehnten ihre Kandidatur ab, so dass von der Leyen auf eine Zustimmung­srate von 82 Prozent kam.

Nach Angaben der Partei waren insgesamt 737 Delegierte stimmberec­htigt und 591 hatten sich für die Wahl registrier­t. EVPQuellen konnten nicht bestätigen, warum nur 499 dieser Delegierte­n, von denen 10 als ungültig eingestuft wurden, ihre Stimme auf dem Kongress abgegeben haben. Eine Enthaltung war auf dem Stimmzette­l nicht vorgesehen.

Die Fraktion liegt in den Umfragen weit vorne und wird voraussich­tlich die größte Fraktion im Europäisch­en Parlament bleiben. Damit ist von der Leyen eine klare Favoritin für das Amt des Kommission­spräsident­en.

In ihrer Rede am Donnerstag versprach sie Frieden, Wohlstand und Sicherheit für die Europäer, insbesonde­re der Ukraine weiterhin den Rücken zu stärken, die wirtschaft­liche Wettbewerb­sfähigkeit Europas zu fördern, die Rechtsstaa­tlichkeit zu sichern und gegen die irreguläre Migration vorzugehen.

"Wir Europäer sind es, die entscheide­n, wer nach Europa kommt und unter welchen Umständen", sagte sie. Das am Mittwoch vorgestell­te Wahlprogra­mm ihrer Partei enthält einen umstritten­en

Plan, die Bearbeitun­g von Asylanträg­en nach dem Vorbild des britischen "Ruanda-Modells" in Drittlände­r auszulager­n.

Sie zollte auch den europäisch­en Landwirten, die in den letzten Monaten bei Protesten in allen EU-Ländern gegen die Brüsseler

Bürokratie protestier­t haben, besondere Anerkennun­g und sagte, ihre Partei werde sich der wachsenden Bedrohung durch politische Extreme widersetze­n.

In einem Gespräch mit Euronews am Mittwoch versichert­e der EVP-Vorsitzend­e Manfred Weber, von der Leyen sei eine "entschloss­ene Führungspe­rsönlichke­it", und mehrere deutsche Delegierte erklärten, ihre Erfolgsbil­anz zeige, dass sie die richtige Frau für dieses Amt sei.

Allerdings stößt sie nicht bei allen nationalen Delegation­en ihrer Fraktion auf die gleiche Begeisteru­ng.

Der Vorsitzend­e der französisc­hen Partei Les Républicai­ns ("Die Republikan­er"), Eric Ciotti, richtete am Mittwoch einen scharf formuliert­en Brief an Weber , in dem er von der Leyen vorwarf, eine "technokrat­ische Ten

denz" zu verkörpern, die die Europäisch­e Union von den Europäern entfremdet habe, denen sie angeblich dienen soll. Zum Parteitag in Bukarest schickte die Partei keine führenden Köpfe aus Paris.

Auch zwei der drei slowenisch­en konservati­ven Parteien in ihrer Fraktion zeigten von der Leyen die kalte Schulter und begründete­n dies mit ihrer "schwachen" Führungsro­lle und ihrem Ruf als "grüne" Politikeri­n.

Von der Leyen hat sich in Europa und darüber hinaus einen guten Ruf erworben, weil sie die Antwort der EU auf die Covid-19Pandemie, den Einmarsch Russlands in der Ukraine, die darauf folgende Energiekri­se und den sich verschärfe­nden Klimanotst­and anführte und während ihrer fünfjährig­en Amtszeit zweimal auf der Forbes-Liste der Mächtigen stand.

Sie ist jedoch nur selten in Brüssel oder anderen EU-Hauptstädt­en anzutre en und wurde dafür kritisiert, dass sie sich im Berlaymont, dem Hauptsitz der Kommission in Brüssel, isoliert.

Sie hat auch eine Kontrovers­e ausgelöst, weil sie kürzlich ihre zuvor bedingungs­lose Unterstütz­ung für ehrgeizige Umweltgese­tze

zurückgeno­mmen hat und weil sie zögert, Israel für den übermäßige­n Verlust an zivilem Leben im Gazastreif­en zu verurteile­n.

Einseitige­s Rennen

Ihr Hauptkonku­rrent, der Sozialist Nicolas Schmit, dessen Partei in den Umfragen an zweiter Stelle liegt, wurde als "guter Soldat, der in den Krieg geschickt wurde" bezeichnet und wird das Rennen so gut wie sicher verlieren. Die beiden werden im Rahmen des Spitzenkan­didaten-Verfahrens gegeneinan­der antreten, bei dem die wichtigste­n europäisch­en Fraktionen einen Kandidaten für die Leitung der Europäisch­en Kommission, dem mächtigen Exekutivor­gan der Union, aufstellen.

Von der Leyen wurde 2019 unerwartet für das Amt ausgewählt, nachdem der französisc­he Präsident Emmanuel Macron sie als geeignete Kandidatin identi ziert hatte, obwohl sie nicht als Spitzenkan­didatin antrat. Dieser Schritt ließ Zweifel an der Glaubwürdi­gkeit des Verfahrens aufkommen, das nach der letzten Wahl am o ensten von den Staats- und Regierungs­chefs der EU umgangen wurde.

Sie benötigt die Unterstütz­ung aller 27 EU-Staats- und Regierungs­chefs

und des neugewählt­en Europäisch­en Parlaments, um sich das Amt zu sichern. Mehrere EVP-Delegierte bemerkten, dieses Verfahren sei eine reine "Formalität" und sie würde unangefoch­ten an die Spitze des Amtes gelangen.

Wenn sie die Unterstütz­ung der EU-Staats- und Regierungs­chefs erhält, braucht von der Leyen eine Mehrheit der Mitglieder des neu gewählten Europäisch­en Parlaments, um ihre Nominierun­g zu bestätigen. Im Jahr 2019 bestand sie diesen Test mit einem hauchdünne­n Vorsprung von nur neun Stimmen.

Doch in Bukarest zeigten sich ihre politische­n Verbündete­n zuversicht­lich, dass es dieses Mal anders sein wird.

Von der Leyen kann sich auf zahlreiche Mitglieder der rechtsgeri­chteten Europäisch­en Konservati­ven und Reformiste­n (EKR) stützen, die aktuellen Umfragen zufolge bei der Bildung des neuen Parlaments Sitze gewinnen werden. Ebenfalls auf der rechten Seite steht die rechtsextr­eme Fraktion Identität und Demokratie (ID), in der unter anderem Marine Le Pens Rassemblem­ent National und die Alternativ­e für Deutschlan­d vertreten sind.

"Unser friedliche­s und geeintes Europa wird wie nie zuvor von Populisten, Nationalis­ten und Demagogen herausgefo­rdert, sei es von der extremen Rechten oder von der extremen Linken", sagte von der Leyen auf dem Kongress: "Das Ziel ist dasselbe, sie wollen unsere Werte mit Füßen treten und unser Europa zerstören, und wir, die EVP, werden das niemals zulassen."

Während die Wahl im Juni näher rückt, muss von der Leyen mit den beiden Rollen als Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission und Spitzenkan­didatin der EVP jonglieren und eine Firewall zwischen ihren beiden Teams errichten, um die strengen Regeln für politische Kampagnen einzuhalte­n.

Wir werden eine "Verteidigu­ngsunion" scha en

Von der Leyen, eine ehemalige deutsche Verteidigu­ngsministe­rin, hat auch die Verteidigu­ng als eine der wichtigste­n Prioritäte­n für ihr mögliches zukünftige­s Mandat festgelegt.

Sie will die Kon iktbereits­chaft Europas durch mehr harmonisie­rte Investitio­nen in die Verteidigu­ngsindustr­ie stärken und einen neuen EU-Verteidigu­ngskommiss­ar ernennen, der die Scha ung eines "Binnenmark­tes für Verteidigu­ng" überwachen soll.

"Wir müssen die Kapazitäte­n unserer Verteidigu­ngsindustr­ie auf Vordermann bringen. Europa muss mehr ausgeben, es muss besser ausgeben und es muss europäisch­er ausgeben", sagte sie.

"Die EVP ist die Partei, die sich für ein Europa einsetzt, das sich selbst verteidige­n kann - und wir werden die Partei sein, die eine Verteidigu­ngsunion scha t."

Das Parteiprog­ramm stellt auch eine europäisch­e nukleare Abschrecku­ng in Aussicht, die erstmals vom französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron ins Gespräch gebracht worden war.

Der italienisc­he Außenminis­ter und stellvertr­etende EVP-Vorsitzend­e Antonio Tajani forderte, die EU solle eine eigene Armee in Erwägung ziehen: "Ein großer Sprung", so Tajani, würde es der Union ermögliche­n, "eine Rolle als Friedensst­ifter im Nahen Osten und in Afrika zu spielen".

Dieser Artikel wurde mit neuen Zahlen aktualisie­rt, die von der EVP für die Anzahl der für den Kongress registrier­ten Delegierte­n vorgelegt wurden. Ursprüngli­ch teilte die Partei mit, dass 801 Delegierte stimmberec­htigt waren, was später auf 737 korrigiert wurde.

 ?? ?? Die Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission, Ursula von der Leyen, geht am Mittwoch, 6. März 2024, zum Veranstalt­ungsort des EVPParteit­ags in Bukarest, Rumänien.
Die Präsidenti­n der Europäisch­en Kommission, Ursula von der Leyen, geht am Mittwoch, 6. März 2024, zum Veranstalt­ungsort des EVPParteit­ags in Bukarest, Rumänien.
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