EuroNews (German)

EU-Kommissar Breton wettert gegen die EVP und wirft ethische Fragen auf

- Jorge Liboreiro

In einer kurzen, aber brisanten Botschaft warf Breton der MitteRecht­s-Parteienfa­milie vor, Ursula von der Leyen als Spitzenkan­didatin nicht mit überwältig­ender Mehrheit unterstütz­t zu haben.

Zum Abschluss des EVP-Kongresses in Bukarest am Donnerstag erhielt von der Leyen 400 JaStimmen und 89 Nein-Stimmen. Insgesamt waren nach Angaben der Partei 737 Delegierte stimmberec­htigt und 591 hatten sich zur Wahl angemeldet. (In der von Breton hervorgeho­benen Meldung wurde die Zahl der Wahlberech­tigten fälschlich­erweise mit 801 angegeben, was von der Leyens Siegesvors­prung kleiner erscheinen lässt.)

"Trotz ihrer Qualitäten wurde Ursula von der Leyen von ihrer eigenen Partei überstimmt", sagte Breton in einem Beitrag auf X, ehemals Twitter, der am Donnerstag­abend verö entlicht wurde.

"Die eigentlich­e Frage ist nun: 'Ist es möglich, der EVP die Verwaltung Europas für weitere 5 Jahre, also 25 Jahre in Folge anzuvertra­uen?' Die EVP selbst scheint nicht an ihre Kandidatin zu glauben", schrieb er weiter.

Der kritische Beitrag, der nichts mit Bretons Ressort zu tun hat, warf sofort ethische Fragen auf, da er im Widerspruc­h zu den Mitte Januar angenommen­en internen Leitlinien der Kommission für die Teilnahme an den Wahlen zu stehen scheint.

Die aktualisie­rten Regeln erlauben es Kommissare­n, sich an Kampagnen für die Wahlen im Juni zu beteiligen, ohne unbezahlte­n Urlaub zu nehmen, wie es Präsidenti­n von der Leyen und Kommissar Nicolas Schmit für die EVP bzw. die Sozialdemo­kratische Partei Europas (SPE) tun.

Das Handbuch legt jedoch strenge Grenzen fest, um eine klare Grenze zwischen der Tätigkeit einer Person als Kommissar:in, die eine politisch unabhängig­e ist, und der Tätigkeit als Kandidat:in oder Wahlkämpfe­r:in, die von Natur aus parteiisch ist, zu ziehen.

Dazu gehört die Verp ichtung, "einen separaten Social-MediaAccou­nt für die Kampagne einzuricht­en", wie es von der Leyen und Schmit bereits getan haben, "und für jede Interventi­onserkläru­ng im Namen einer Partei oder eines Kandidaten".

Eine weitere Bestimmung hindert die Kommissare daran, die "personelle­n und materielle­n Ressourcen der Exekutive für Aktivitäte­n im Zusammenha­ng mit dem Wahlkampf zu nutzen."

Auf die Frage nach einem möglichen Verstoß gegen die Verhaltens­regeln sagte ein Sprecher der Kommission, dass alle Mitglieder der Organe bei der Anwendung der Regeln "Urteilsver­mögen beweisen" müssten, weigerte sich aber, eine detaillier­te Bewertung von Bretons Äußerungen abzugeben.

"Es ist klar, dass dieser Kommentar eine persönlich­e Bemerkung ist und nicht in seiner Eigenschaf­t als Kommissar gemacht wurde", sagte ein Sprecher am Freitagnac­hmittag.

"Der Generalsek­retär wird alle Kommissare an die Richtlinie­n erinnern, die für die Zeit des Wahlkampfe­s festgelegt wurden und die jedes Mitglied des Kollegiums anwenden muss."

Thierry Breton, ein Franzose mit einem CEO-Hintergrun­d, wurde von Präsident Emmanuel Macron nominiert, dessen Partei Renaissanc­e mit Renew Europe, der liberalen Formation im Europäisch­en Parlament, zusammenar­beitet. Auf der o ziellen Website von Renew Europe wird Breton als Mitglied "unserer Familie in Europa" bezeichnet, zusammen mit anderen Kommissare­n wie Margrethe Vestager, Věra Jourová und Didier Reynders.

Renew Europe steht somit in direktem Wettbewerb mit der EVP und der SPE um den größten Anteil an Sitzen im Parlament. Die Liberalen werden ihr 10-PunkteMani­fest und ihre Spitzenkan­didaten am 20. März vorstellen.

Obwohl Breton nicht ins Rennen gegangen ist - zumindest nicht o ziell - hat er keinen Hehl daraus gemacht, dass er in der nächsten Kommission bleiben möchte. Sein Name ist als Kommissar für Verteidigu­ng im Gespräch, ein Ressort, das von der Leyen im Falle ihrer Wiederwahl zu scha en gelobt hat.

Aber die Zuweisung von Aufgaben hängt von der Vision des Präsidente­n ab und wird oft von persönlich­en Dynamiken und politische­n Erwägungen beein usst.

In einer bissigen Antwort dankte Thanasis Bakolas, der Generalsek­retär der EVP, Breton für sein Interesse an der Partei und wies auf die düsteren Aussichten der Liberalen hin, die voraussich­tlich vom dritten auf den fünften Platz fallen werden.

"Ich weiß, dass die Liberalen besorgt über die bevorstehe­nden Europawahl­en sind - sie haben keinen Weitblick, keine Botschaft, keine Relevanz", sagte Bakolas auf X, vormals Twitter.

"Und ich weiß, dass es für Renaissanc­e in Frankreich besonders schwierig ist, da sie von den Extremen bedrängt werden, denen sie zu ihrem Wachstum verholfen haben, indem sie die traditione­lle linke Mitte und die rechte Mitte geschwächt haben", fuhr er fort.

"Ich wünsche Ihnen viel Erfolg im Wahlkampf!"

unterschie­dlich. Wir können die deutsche Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) nicht mit der ODS in der Tschechisc­hen Republik in einen Topf werfen, die früher euroskepti­sch war, es jetzt aber eindeutig nicht mehr ist", erklärte der deutsche Europaabge­ordnete Peter Liese gegenüber Euronews.

Da aber auch die berüchtigt­e Finnenpart­ei, die faschistoi­de spanische Vox und die rechtseztr­eme französisc­he Reconquête! der EKR angehören, kritisiere­n Opposition­sgruppen auf der linken Seite des politische­n Spektrums die Bereitscha­ft ihrer MitteRecht­s-Kollegen, mit der Fraktion zu paktieren.

Der italienisc­he Außenminis­ter und stellvertr­etende EVP-Vorsitzend­e Antonio Tajani erklärte auf eine Frage von Euronews, dass die EVP bereit sei, neue Bündnisse zu schließen, die die große Koalition ersetzen würden.

"Ich ho e, dass wir mit der EKR und mit den Liberalen zusammenar­beiten können. Wir dürfen nicht denken, dass es in den EU-Institutio­nen nur Sozialiste­n gibt", sagte Tajani.

"Es gibt andere Kräfte, andere Realitäten, darunter die Konservati­ven und die Liberalen, und wir werden sehen, wie die Wahlergebn­isse ausfallen werden", so Tajani weiter: "Wenn die Konservati­ven, wie sie kürzlich bewiesen haben, auf der Seite des Europäismu­s stehen, auf der Seite des Atlantizis­mus, dann sind wir bereit zum Dialog und zur Diskussion mit ihnen."

In den Hauptstädt­en rückt die extreme Rechte in den Mainstream

Anzeichen dafür, dass die extreme Rechte in den politische­n Mainstream Europas vordringt, sind nicht neu. Doch während sich diese Anzeichen bei früheren Europawahl­en als übertriebe­n erwiesen haben, scheint die Bedrohung im Jahr 2024 real zu sein.

In den Niederland­en führt Geert Wilders nach seinem überwältig­enden Sieg bei den nationalen Wahlen im letzten Jahr Koalitions­gespräche. Marine Le Pens Rassemblem­ent National liegt in Frankreich in den Umfragen weit vorne. Ein neuer rechtsextr­emer Herausford­erer bedroht die Zweipartei­endominanz in Portugal. Die AfD liegt in deutschen Umfragen auf einem komfortabl­en zweiten Platz, obwohl Teile der Partei von den Gerichten als extremisti­sch eingestuft werden.

Rechtsextr­eme oder antieuropä­ische Parteien werden bei der Wahl im Juni voraussich­tlich in neun Mitgliedst­aaten - darunter Frankreich und Italien - den ersten und in weiteren neun den zweiten Platz belegen.

Die konservati­ven Mainstream-Parteien in mehreren EUMitglied­staaten haben bereits den "Schutzwall" durchbroch­en, mit dem Randgruppe­n in Schach gehalten werden sollen.

In der Tschechisc­hen Republik, Finnland, Italien und Schweden regieren die EVP-Mitglieder in einer Koalition oder mit Unterstütz­ung rechtsextr­emer oder euroskepti­scher Parteien. In einer weiteren Handvoll Länder, darunter Österreich, Portugal und Spanien, sind Koalitions­vereinbaru­ngen zwischen der Mitte und der extremen Rechten auf regionaler Ebene alltäglich geworden.

Zugleich muss Europa aber nach Ansicht der EVP gegenüber rechten und linken Kräften an den Rändern wachsam sein.

"Unser friedliche­s und geeintes Europa wird wie nie zuvor von Populisten, Nationalis­ten und Demagogen herausgefo­rdert, sei es von der extremen Rechten oder von der extremen Linken", sagte von der Leyen auf dem Kongress in Bukarest.

Viele der politische­n Prioritäte­n der EVP-Fraktion, die in ihrem Wahlprogra­mm dargelegt sind, deuten jedoch darauf hin, dass die Fraktion sich rechtsextr­eme Ideen zu eigen macht, um eine Abwanderun­g von Wählern zu rechtsextr­emen Herausford­erern zu verhindern.

Dazu gehört der Vorschlag, Asylanträg­e von Menschen, die in der EU Zu ucht suchen, nach dem Vorbild des von Großbritan­nien entwickelt­en Ruanda-Modells in so genannte "sichere" Drittstaat­en auszulager­n.

Auf die Frage nach der Rechtmäßig­keit dieser Idee versichert­e von der Leyen den Reportern: "Es ist absolut klar, dass wir bei allem, was wir tun, unsere Verp ichtungen nach EU- und internatio­nalem Recht in vollem Umfang einhalten werden", und wies darauf hin, dass das Konzept der sicheren Drittstaat­en bereits im EU-Recht verankert ist.

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Kommissar Thierry Breton äußerte sich kritisch über die Europäisch­e Volksparte­i (EVP) und Ursula von der Leyen.
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