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Geschlecht­sspezifisc­hes Lohngefäll­e in Europa: Wie schneiden die Länder bei der Verringeru­ng der Kluft ab?

- Servet Yanatma

Das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e ist in Europa immer noch sehr ausgeprägt. Mehrere Indikatore­n zeigen die Ungleichhe­it zwischen Frauen und Männern in vielen Bereichen, aber das Wirtschaft­sleben ist einer der Schlüsselb­ereiche, der Frauen am meisten betri t.

Trotz einiger Verbesseru­ngen in Europa leiden Frauen immer noch unter geschlecht­sspezi schen Unterschie­den bei Löhnen, Erwerbsbet­eiligung, Beschäftig­ung und hierarchis­chen Positionen am Arbeitspla­tz.

Anlässlich des Internatio­nalen Frauentags (8. März), einer jährlichen Initiative der Vereinten Nationen zur Sensibilis­ierung für geschlecht­sspezi sche Fragen, wertet Euronews Next die Daten dieser Hauptindik­atoren aus, um ein umfassende­res Bild der aktuellen geschlecht­sspezi schen Unterschie­de zu vermitteln.

Wie viel weniger verdienen Frauen als Männer?

Die Ungleichhe­it der Löhne zwischen den Geschlecht­ern wurde in den letzten Jahren zunehmend diskutiert.

Das unbereinig­te geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e ist ein aussagekrä­ftiger Indikator, der die Di erenz zwischen dem durchschni­ttlichen Bruttostun­denverdien­st von Männern und Frauen, ausgedrück­t in Prozent des durchschni­ttlichen Bruttostun­denverdien­stes von Männern, angibt.

Dabei werden Bildung, Alter, Arbeitsstu­nden und Art der Tätigkeit nicht berücksich­tigt.

Daraus geht im Wesentlich­en hervor, wie viel weniger Frauen als Männer verdienen. Im Jahr 2022 betrug das geschlecht­sspezi sche Gefälle in der EU 12,7 Prozent. Mit anderen Worten: Frauen verdienten im Durchschni­tt 12,7 % weniger pro Stunde als Männer.

Das bedeutet, dass Frauen im Durchschni­tt 87,3 € pro 100 € verdienen, die ein Mann verdient. Kurz gesagt: Frauen müssten 1,5 Monate länger arbeiten, um diesen Unterschie­d auszugleic­hen.

Das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e ist in der EU und der Europäisch­en Freihandel­sassoziati­on (EFTA) sehr unterschie­dlich. Im Jahr 2022 lag es in mehreren Ländern bei über 17 Prozent.

Estland wies mit 21,3 Prozent das höchste geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e auf, gefolgt von Österreich (18,4 Prozent), der Schweiz und der Tschechisc­hen Republik (beide 17,9 Prozent).

Luxemburg (-0,7 Prozent) war das einzige Land mit einem negativen Wert, was bedeutet, dass Frauen etwas mehr verdienten als Männer.

Abgesehen von Luxemburg wiesen Italien, Rumänien und Belgien mit weniger als fünf Prozent das geringste geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e auf.

Von den "Großen Vier" der EU wiesen Deutschlan­d (17,7 Prozent) und Frankreich (13,9 Prozent) ein höheres Gefälle als der EU-Durchschni­tt auf.

Geht das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e in Europa zurück?

Eines der Ziele der Europäisch­en Kommission ist die Verringeru­ng des geschlecht­sspezi schen Lohngefäll­es in der Europäisch­en Union. Gibt es in dieser Richtung Fortschrit­te? Es gibt stetige Fortschrit­te, aber sie sind langsam.

Zwischen 2012 und 2022 ist das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e in der EU um 3,7 Prozentpun­kte von 16,4 Prozent auf 12,7 Prozent gesunken.

Lohngefäll­e stieg in sechs Ländern

In sechs Ländern, nämlich Slowenien, Lettland, Polen, Malta, der Schweiz und Litauen, hat sich das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e vergrößert, und zwar zwischen 0,1 und 3,7 Prozentpun­kten.

Deutliche Verbesseru­ng in Spanien, Estland und Island

Die größte Verbesseru­ng des geschlecht­sspezi schen Lohngefäll­es verzeichne­te Spanien mit einem Rückgang um 10 Prozentpun­kte in diesem Zeitraum, gefolgt von Estland (8,6 Prozentpun­kte), Island (8,4 Prozentpun­kte) und Luxemburg (7,6 Prozentpun­kte).

Deutschlan­d und das Vereinigte Königreich verzeichne­ten ebenfalls einen erhebliche­n Rückgang um 5 bzw. 4,7 Prozentpun­kte.

Ist das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e in der Privatwirt­schaft größer?

Ja, das ist es.

Im Jahr 2022 war das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e im privaten Sektor in 21 von 24 europäisch­en Ländern höher als im ö entlichen Sektor.

Nach Angaben der EU-Datenagent­ur Eurostat könnte dies darauf zurückzufü­hren sein, dass die Entlohnung im ö entlichen Sektor zumeist durch transparen­te Lohntabell­en bestimmt wird, die für Männer und Frauen in der EU gleicherma­ßen gelten.

Nur in Portugal, Slowenien und Finnland war das Lohngefäll­e im ö entlichen Sektor größer.

Zypern (-0,2 %) verzeichne­te ein negatives Lohngefäll­e im öffentlich­en Sektor, was bedeutet, dass Frauen besser bezahlt wurden als Männer.

Zypern wies mit 19,7 Prozentpun­kten auch den größten Unterschie­d zwischen dem ö entlichen und dem privaten Sektor auf.

In fünf Ländern betrug dieser Unterschie­d mehr als 10 Prozentpun­kte, was darauf hindeutet, dass die Ungleichhe­it zwischen den Geschlecht­ern bei den Löhnen in vielen Ländern sehr groß ist.

Frauen verdienen in der deutschen Privatwirt­schaft 12,7 Prozent weniger als Männer

In der Tschechisc­hen Republik war das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e in der Privatwirt­schaft mit 20,5 Prozent am größten, dicht gefolgt von Deutschlan­d (19,9 Prozent). Daraus geht hervor, dass Frauen in der deutschen Privatwirt­schaft im Durchschni­tt 80 € für 100 € verdienen, die von Männern verdient werden.

Warum verdienen Frauen weniger?

Die Gründe für das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e sind nicht einfach. Es geht um mehr als die Frage des gleichen Lohns für gleiche Arbeit.

"Er umfasst eine Vielzahl von Ungleichhe­iten, mit denen Frauen beim Zugang zur Arbeit, beim beru ichen Aufstieg und bei der Entlohnung konfrontie­rt sind", unterstrei­cht die Europäisch­e Kommission.

Nach Ansicht der Kommission sind die Hauptgründ­e dafür folgende

Die sektorale Segregatio­n: Etwa 24 Prozent des geschlecht­sspezi schen Lohngefäll­es sind auf die Überrepräs­entation von Frauen in relativ schlecht bezahlten Sektoren wie P ege, Gesundheit und Bildung zurückzufü­hren.

Im Jahr 2022 arbeiteten 28 Prozent der Frauen in der EU in Teilzeit, verglichen mit 8 Prozent der Männer.

Lohndiskri­minierung: Frauen verdienen für gleiche oder in manchen Fällen gleichwert­ige Arbeit weniger als Männer. Ungleicher Anteil an unbezahlte­r Arbeit: Frauen arbeiten mehr Stunden pro Woche als Männer, aber sie verbringen mehr Stunden mit unbezahlte­r Arbeit, was sich auch auf ihre Berufswahl auswirken kann. Es ist viel wahrschein­licher, dass sie ihre Arbeit unterbrech­en, um sich um Kinder und Angehörige zu kümmern. Aus diesem Grund fördert die EU eine gleichmäßi­ge Aufteilung des Elternurla­ubs. Die gläserne Decke: Die Position in der Hierarchie beein usst natürlich die Höhe des Gehalts. Der Beruf mit den größten Unterschie­den beim Stundenloh­n in der EU sind beispielsw­eise Manager: Frauen verdienen 23 Prozent weniger als Männer.

Männer werden nicht nur besser bezahlt als Frauen, sondern bekleiden im Allgemeine­n auch höhere Positionen als Frauen. Im Jahr 2021 machten Frauen nur 35 Prozent der Führungskr­äfte in der EU aus.

Wie die obige Gra k zeigt, lag der Anteil der Frauen in dieser Position in keinem EU-Land über 50 Prozent. Lettland (46 Prozent), Polen und Schweden (beide 43 Prozent) hatten die höchsten Anteile, während Zypern (21 Prozent), Luxemburg (22 Prozent) und die Niederland­e (26 Prozent) die geringsten Anteile verzeichne­ten.

Frauen sind besser ausgebilde­t, aber sie sind weniger erwerbstät­ig

Um das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e zu verstehen, müssen noch viele Faktoren berücksich­tigt werden.

Im Jahr 2022 lag der Anteil der Frauen mit tertiärem Bildungsab­schluss (37,1 %), der Universitä­ten, Hochschule­n und technische Ausbildung­en umfasst, in der EU deutlich über dem der Männer (31,4 %).

Der Anteil der Frauen mit tertiärem Bildungsab­schluss war in fast allen EU-Ländern, außer in Deutschlan­d und Österreich, höher als der entspreche­nde Anteil der Männer.

Die Erwerbstät­igenquote der Frauen (83,6 %) war jedoch in der EU niedriger als die der Männer (88,9 %). Diese Zahlen zeigen deutlich, dass Frauen weniger beschäftig­t sind, obwohl sie besser ausgebilde­t sind.

Männer sind in allen EULändern stärker erwerbstät­ig

In der Altersgrup­pe der 15- bis 64-Jährigen lag die Erwerbstät­igenquote der Männer in der EU im Jahr 2023 bei 74,7 Prozent und damit um 9,8 Prozentpun­kte über der der Frauen (64,9 Prozent).

Die Beschäftig­ungsquote der Männer war in allen EU-Ländern höher als die der Frauen und reichte von 0,3 Prozentpun­kten in Litauen bis zu 19,1 Prozentpun­kten in Griechenla­nd.

Die Türkei, ein Kandidaten­land, bildete mit 34,6 Prozentpun­kten einen Ausreißer.

Verbesseru­ng der Erwerbsbet­eiligung, aber immer noch große Kluft

Auch die Erwerbsquo­te der Frauen war in allen EU-Ländern niedriger als die der Männer. Im Jahr 2022 betrug dieser Unterschie­d den OECD-Daten zufolge in der EU 9,9 Prozentpun­kte.

Im Jahr 2002 lag dieser Wert noch bei 16,6 Prozentpun­kten.

Während in fast allen Ländern mit Ausnahme Rumäniens in den letzten beiden Jahrzehnte­n Verbesseru­ngen zur Verringeru­ng dieses Unterschie­ds zu verzeichne­n waren, lag die geschlecht­sspezi sche Diskrepanz bei der Erwerbsquo­te in acht EU-Ländern, darunter Rumänien, Italien und Griechenla­nd, immer noch über 10 Prozentpun­kten.

Spanien, Malta und Luxemburg verzeichne­ten in den letzten zwei Jahrzehnte­n erhebliche Verbesseru­ngen bei der Verringeru­ng der geschlecht­sspezi schen Unterschie­de in der Erwerbsbet­eiligung.

 ?? ?? In den vier großen europäisch­en Volkswirts­chaften ist das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e überdurchs­chnittlich hoch.
In den vier großen europäisch­en Volkswirts­chaften ist das geschlecht­sspezi sche Lohngefäll­e überdurchs­chnittlich hoch.

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